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PsychologieDie Angst am Lenkrad

Lesezeit 3 Minuten

Psychologin Alexandra Bärike (links) bespricht sich mit einer Kundin im Fahrschulwagen.

Cordula F. (Name geändert) ist immer gerne gefahren. „Ich liebe Autos“, sagt sie. Doch Anfang des Jahrtausends fühlte sie sich auf der Straße unwohl, traute sich nicht zu überholen. „2003 bin ich auf den Zug umgestiegen“, erzählt sie.

Erst fünf Jahre später, nach einem Umzug, traute sie sich wieder hinters Steuer. Sie kaufte sogar ein neues Auto, weil sie dachte, der alte Wagen sei Ursache für die Angst gewesen. „Ich konnte wieder problemlos mit 220 über die Autobahn fahren“, sagt sie. Vor anderthalb Jahren, nach einem schrecklichen Unfall eines Nachbarn, kehrte die Angst aber zurück.

Rat suchte sie sich bei der Psychologin Alexandra Bärike, die in Deutz eine Praxis mit dem Schwerpunkt „Bewältigen von Fahrängsten“ leitet. F. hat sich von der 44-Jährigen therapieren lassen – nach derzeitigem Stand erfolgreich. Bei Bärike legt sich niemand auf die Couch, man setzt sich hinters Steuer eines Fahrschulautos. Denn die gebürtige Leverkusenerin ist auch Fahrlehrerin. „Damit habe ich mir mein Psychologiestudium finanziert“, erzählt sie. Als einzige Frau im Team hatte sie oft mit weiblichen Fahrschülern zu tun. Bereits die zweite Kundin war eine Frau mit Panikattacken beim Autofahren. Bärike beschloss, Fahrschule und Psychologiestudium zu kombinieren.

Ihre Klienten ähneln sich: Oft sind sie zwischen 40 und 50 Jahre alt, sind selbstständig, haben Familie und jahrelange Erfahrung im Straßenverkehr. Doch beim Autofahren, besonders auf Autobahnen, bricht ihnen der Schweiß aus, das Herz rast, die Atmung verändert sich, es kann sogar zu Kribbeln in Armen und Beinen, Schwindel, Druck im Kopf, im schlimmsten Fall zum Tunnelblick kommen. Die Ursache für die Panik ist fast immer die gleiche: Stress – und zwar auf privater und beruflicher Ebene und über einen längeren Zeitraum hinweg. „Eine Belastung kann man oft wegstecken, zwei gleichzeitige auf Dauer aber nicht“, erklärt die Psychologin.

So war es auch bei Cordula F. 1999 ist sie mit ihrem Mann umgezogen, weil er eine neue Arbeitsstelle angenommen hatte. Die Selbstständige ist beruflich mit dem Auto in ganz Süddeutschland unterwegs. Ende desselben Jahres erkrankte ihre Mutter schwer. F. pendelte fortan mindestens zweimal pro Woche die gut 200 Kilometer zwischen ihrem Wohnort und ihrer alten Heimat. „Ich war extrem gestresst und deprimiert“, erzählt F. Dieser Stress war der Auslöser für die Angst. Der Adrenalinpegel befand sich permanent auf einem hohen Niveau, durch das Autofahren wurde er verstärkt.

Alexandra Bärike hörte sich die Geschichte ihrer Klientin im Vorgespräch in deren Zuhause an. Solche Gespräche sind auch in ihrem Büro in Deutz möglich. Das anschließende Konfrontationstraining sollte aber vor Ort stattfinden. „Oft sind es bestimmte Strecken oder Stellen, auf denen die Panik ausbricht“, sagt Bärike. In der meist eintägigen Therapie nähert sie sich Schritt für Schritt dem Punkt, der für den Klienten nicht machbar ist – und überschreitet ihn dann. „Ich mache alles, was das Herz des Fahrphobikers höherschlagen lässt“, sagt sie.

Cordula F. war die Konfrontation mit ihrer Angst zunächst nicht geheuer. „Oh Gott, sie will mit mir fahren“, habe sie gedacht. Doch sie habe sich komplett in Bärikes Hände begeben. „Ich bin sofort 2,5 Stunden Autobahn gefahren, fühlte mich dabei aber unwohl, gerade beim Überholen“, erinnert sie sich. Doch dank Bärikes Unterstützung habe sie einen „positiven Egoismus“ auf der Straße entwickelt, andere Autofahrer könne sie ausblenden. „Ich habe Hilfen bekommen, die auf meine Situation zugeschnitten sind“, erzählt F. Die Angst habe ihr Leben bestimmt. Nach der Therapie sagt sie: „ Erst jetzt merke ich, wie viel Lebensqualität mir die ganze Zeit gefehlt hat.“

www.angstfrei-autofahren.de