ReformationstagSüdstadt-Pfarrer lässt Luther-Figur dutzendfach einschmelzen
Köln – Jetzt geht es Luther an den Kragen. Ausgerechnet, aber mit aller Absicht zum Abschluss des Reformationsjubiläums. Ausgeheckt hat die Attacke Hans Mörtter, Pfarrer der Luther-Kirche in der Südstadt, im Verein mit Rochus Aust, Trompeter, Komponist und Kurator der Kunstprojekte im Turm der Kirche.
An den Kragen geht es nicht Luther selbst, sondern der Playmobil-Figur, die ihn darstellt, bisher über eine Million Mal verkauft wurde und damit, wie der Spielwarenhersteller Geobra Brandstätter im fränkischen Zirndorf in diesem Juni mitteilte, die erfolgreichste Playmobil-Einzelfigur in der Geschichte des Unternehmens ist. Vor etwa zweieinhalb Jahren hatte die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) entschieden, das 7,5 Zentimeter hohe Plastikmännchen, das einen schwarzen Talar und eine schwarze Kappe trägt und in der einen Hand eine aufgeschlagene Bibel, in der anderen einen Federkiel hält, als „Reformationsbotschafter“ einzusetzen.
In Spielwarenläden ist sie nicht erhältlich, nur in Einrichtungen der EKD und in der Nürnberger Tourismus-Zentrale. Pfarrer Mörtter sieht es mit großem Missfallen. Der Einsatz der Figur, die bei ausländischen Gästen als Mitbringsel beliebt ist, verdeutlicht für ihn die „Kommerzialisierung des Reformators“, der „zu einem statischen Denkmal, ja zu einem Spielzeug reduziert“ worden sei. Seine grundsätzliche Kritik: „Die Feierlichkeiten und Selbstinszenierungen der Evangelischen Kirche zum 500-jährigen Reformationsjubiläum blicken in die Vergangenheit. Aber wir müssen reformatorisch neu unsere Zukunft gestalten, zu der eine völlige Neuorientierung und globale Perspektive gehören.“ Deshalb will er am 31. Oktober nicht weniger als eine „Reformation II“ ausrufen und „auch gleich drei neue Thesen veröffentlichen“.
Playmobil auf heißer Platte
95 Thesen waren es, die der Reformator der Überlieferung zufolge am 31. Oktober 1517 an die Tür der Schlosskirche zu Wittenberg nagelte. An diese Zahl anknüpfend haben Mörtter und Aust sich eine breit angelegte, konzertierte Aktion ausgedacht. Seit Freitag werden stundenweise an 95 europäischen Orten Playmobil-Luther auf eine heiße Platte gesetzt und zum Schmelzen gebracht. Die Masse wird in eine metallene Form des Buchstabens, mit dem der Name der jeweiligen Stadt beginnt, gegossen, ob in Rom, Calais, Belfast, Dublin oder Münster, ob in Paris, Liverpool, München, Lissabon oder Zürich. Auch in Köln, zum Beispiel in Deutz und Nippes. Acht Helfer bringen die Buchstaben „sternförmig nach Köln“, sagt Aust.
Wenn alles klappt, sind alle Teile beisammen, wenn Mörtter am 31. Oktober um 12 Uhr auf dem Chlodwigplatz die „Reformation II“ verkündet. Motto: „L95 – 95 Stunden – 95 europäische Orte – 95 Buchstaben – 1 These“. Vom Platz aus geht es in einer Prozession über die Merowinger Straße zur Lutherkiche, begleitet von etwas, das Aust als „religiösen Lärm“ beschreibt; absichtlich vermischen sich die Laute unterschiedlicher Religionen wie etwa Glockengeläut, Muezzin-Rufe und die Klänge des Schofahorns, das rituellen Gebrauch im Judentum findet.
„Aufbruch für eine größere Gerechtigkeit für alle, inklusive der Geflüchteten“
Im Atrium der Lutherkirche werden die zusammengetragenen Buchstaben im Kreis ausgelegt. Als – so Mörtter – „grundmenschliche Aussage, an der niemand vorbei kann“, ergibt sich: „Für uneingeschränkbare Nächstenwürde mit respektvollster Menschenliebe und grenzenlosestem Grundvertrauen“.
Von dieser Aussage ausgehend will der Pfarrer seine drei Thesen veröffentlichen. In welche Richtung sie gehen, kann man sich denken, wenn man zur Kenntnis nimmt, was er vorab dazu sagt. „Die klassischen Ökumene reicht nicht aus. Heute muss die globale Weitung im Dialog und in der Begegnung der Weltreligionen angepackt werden.“ Er fordert einen „Aufbruch für eine größere Gerechtigkeit für alle, inklusive der Geflüchteten“. Wer von Christus spreche, sei „nur glaubwürdig, wenn er das durch Einsatz und Taten belegt, zum Beispiel gegenüber der Errichtung europäischer Grenzen weit in Afrika und an der Seite der Armen, die von unserer reichen Gesellschaft entwürdigt und abgeschrieben werden“.