Religion„Gewalt im Namen Gottes ist verboten“
Köln – Sicher. Die vier Kinder hätten auch gerne eine Tischtennisplatte im Keller des kleinen Reihenhauses in Porz. Oder einen Kicker. Der Vater weiß das natürlich und macht auch keinen Hehl daraus. Aber das geht halt nicht. Bei der Familie von Subhi Sadiq Ranah wird der Keller als Gebetsraum genutzt. „Für unsere Familie und meine Nachbarn. Unsere Moschee an der Friedrich-Karl-Straße in Niehl liegt doch ziemlich weit weg. Da habe ich mir gedacht, dass wir uns hier zum Gebet treffen können. Alles freiwillig natürlich.“ Bis zu 35 Personen finden in dem geräumigen Keller Platz. „Die kommen natürlich nicht jeden Tag, meistens im Fastenmonat. In der Nachbarschaft wohnen sechs weitere Familien, die zu uns gehören.“
Freiwilligkeit, keine Strenge, niemanden verunglimpfen oder verletzen – wer mit einem Vertreter der Ahamadiyya Muslim-Gemeinschaft spricht, die in Köln ungefähr 400 Mitglieder zählt, wird immer wieder schnell an diesen Punkt kommen. Das ist auch bei Subhi Rana nicht anders. Der 40-Jährige arbeitet als IT-Experte bei einem Unternehmen, das zu BP gehört und teilt mit vielen seiner Glaubensbrüder ein ähnliches Schicksal. „Meine Eltern sind in unserer Heimat Pakistan verfolgt worden. Wir konnten dort unsere Religion einfach nicht ausleben.“ Mitte der 1970er Jahre hat der Vater seiner Heimat den Rücken gekehrt und ist über Libyen 1979 in Deutschland gelandet. „Ich bin 1973 geboren, habe an meine Heimat so gut wie keine Erinnerung“, sagt Subhi Rana. „Mein Vater hat uns alle nach Libyen nachgeholt, dort mussten wir dann raus, als es zu Konflikten zwischen den Pakistanis und Muammar al-Ghadaffi gekommen ist.“
Die Anhänger der Religionsgemeinschaft der Ahmadiyya sind in Deutschland als Flüchtlinge anerkannt. In Deutschland zählen sie rund 35 000 Mitglieder, die sich auf rund 200 Gemeinden verteilen. Sie hat ihren Ursprung in Indien, beruft sich auf den Islam und wird von einem spirituellen Oberhaupt geführt.
Szenenwechsel. Zum Freitagsgebet in der unscheinbaren Moschee an der Friedrich-Karl-Straße in Niehl versammeln sich regelmäßig mehrere Dutzend Gläubige. Der Geistliche predigt zunächst auf Deutsch, nach einer Stunde verfolgt die Gemeinde per Videoübertragung die Ansprache ihres geistigen Führers aus London. Der Kalif Mirza Masrur Ahmad wurde 2003 von einem Wahlkomitee in sein Amt berufen und wird es auf Lebenszeit behalten.
Nach der Ansprache erläutern die Leitern der Kölner Gemeinde in einem Nebenraum der Moschee den theologischen Anspruch der Religionsgemeinschaft. Ahmadis glauben fest an die bevorstehende Vorherrschaft des Islam, doch im Gegensatz zu anderen Glaubensrichtungen haben sie sich dem absoluten Gewaltverzicht verschrieben. „Unser Gründer kommt aus Indien und hat für sich beansprucht, der Messias zu sein, auf den nahezu alle Weltreligionen warten“, sagt Faseeh Chaudhry, von Beruf Rechtsanwalt. „Das unterscheidet uns von anderen Muslimen in der islamischen Welt. Wir ehren alle Propheten, auch Jesus und Moses. Wir verunglimpfen niemanden. Nahezu alle Weltreligionen glauben an den einen Gott. Also versuchen wir, Gemeinsamkeiten herauszuarbeiten. So viele Unterschiede gibt es für uns nicht.“ Gewalt im Namen des Islam sei ein Widerspruch, den es aufzulösen gilt. „Gewalt im Namen Gottes ist verboten. Das ist unsere feste Überzeugung“, sagt Chaudhry. „Wir ordnen uns in allen Ländern den Gesetzen unter. Der Dschihad, den wir führen, ist ein Dschihad des Wortes und der Schrift. Wir dürfen uns nur zur Wehr setzen, wenn uns unsere Gebete verwehrt werden.“
Weltweit sind die Gemeinden der Ahamadiyya nach einer festen Vereinsstruktur gleich organisiert. Die Landesverbände werden von einem Präsidenten und einem Hauptmissionar angeführt. Wichtige Entscheidung werden in einer Hauptjahresversammlung getroffen. Die Gemeinschaft ist in drei Sparten aufgegliedert: die Frauen (Lajna Imaillah), Männer bis 40 Jahre (Khuddam ul-Ahamadiyya) und ab 40 Jahre (Ansrullah). Die Mädchen bis 15 Jahre werden von den Frauen, die Jungen von den Männern betreut.
Als Schmelztiegel der Kulturen gilt Köln nicht umsonst: 79 Religionsgemeinschaften gibt es laut „Kölner Buch der Religionen“. Vielerorts gibt es Tempel und Zeremonien, die mitten in eine fremde Kultur führen.
In unserer Serie „Was glauben Sie denn?“ stellen wir in loser Folge Kölner Religionsgemeinschaften vor. Wir berichten dabei auch über religiöse Gruppen, die zwar vom Namen her geläufig, sonst aber eher unbekannt sind.
Der Alltag unterliegt festen Regeln, wie Subhi Ranah nach dem Abendgebet in seinem Porzer Häuschen erläutert. „Wir versuchen, die fünf Gebete am Tag möglichst einzuhalten. Wenn ich es schaffe, fahre ich in der Mittagspause mit dem Rad von meinem Arbeitsplatz an der Xantener Straße zu unserer Moschee. Das sind ja nur ein paar hundert Meter.“ Für die vier Kinder im Alter zwischen 13 und zwei Jahren sei das selbstverständlicher Bestandteil ihres Lebens. „Bei der Kleinsten natürlich noch nicht. Aber wir sind bei den Kindern eh nicht so streng. Gott hat uns keine Strenge gegeben. Wir können sie nur anleiten, ihnen vorleben, was unser Glauben ist. Entscheiden müssen sie sich irgendwann selbst. Wenn sie 18 werden, sind sie aus unserer Verantwortung entlassen. Natürlich habe ich die Hoffnung, dass sie in ihrem Glauben dann gefestigt sind.“
Er liebe Deutschland. Vor allem Köln sei eine sehr liberale Stadt, sagt Subhi Rana. „Ich bin hier zur Schule gegangen, ich bin längst eingebürgert, ich liebe dieses Land. Schließlich hat es uns aufgenommen.“ Dennoch werde er seine pakistanischen Wurzeln nie vergessen. Und sich immer auf die Werte seiner Religion besinnen. Nur so sei der Brückenschlag möglich. Seine Frau stammt ebenfalls aus Pakistan. „Das war eine arrangierte Ehe“, erzählt er ohne Umschweife. „Meine Eltern kannten die Familie, haben mir von ihr erzählt und ich war einverstanden mit der Hochzeit, ich bin darauf eingegangen. Ich habe meine Frau geheiratet, ohne sie vorher kennengelernt zu haben. Das hat funktioniert, aber es funktioniert nicht immer. Bei uns sind Scheidungen leider auch an der Tagesordnung.“