„Die Lage ist dramatisch"Kölner Großmarkt-Händler fürchten um Existenz
Köln-Raderberg – „Die Lage ist dramatisch“, sagt Michael Rieke von der Interessengemeinschaft Kölner Großmarkt. Die Händler würden hingehalten, „der Großmarkt wird abgewürgt“. 2000 Arbeitsplätze seien in Gefahr, weil die Zukunft der Betriebe ungewiss ist. Die Meldung über Kriegsschäden in der historischen Großmarkthalle, die am Mittwoch vom städtischen Presseamt verschickt wurde, passt ins Bild. Es bröckelt von der Decke, Netz sollen gespannt werden. Dass hier noch einer großartig investiert und saniert, kann man sich nicht vorstellen.
Eigentlich ist die Beschlusslage klar: Der Stadtrat hat sich nach langen Debatten für einen Neubau des Großmarkts in Marsdorf („Frischezentrum“) entschieden. Die Stadtverwaltung soll bis 2020 Planungs- und Baurecht schaffen, der Umzug der Händler von Raderberg nach Marsdorf ist für Anfang 2024 geplant. Der Plan schließt ein, dass die Händler auf dem Großmarktgelände bis Ende 2023 Planungssicherheit haben. Folglich müssten auslaufende Verträge bis dahin verlängert werden. Doch das scheint keine Selbstverständlichkeit.
Die zuständige Dezernentin Andrea Blome antwortet schriftlich auf die Frage des „Kölner Stadt-Anzeiger“, ob es richtig sei, dass auslaufende Verträge nicht verlängert werden, mit einem schlichten „Nein“ – eine irritierende Antwort, weil dem zweiten Vorsitzenden der Interessengemeinschaft Großmarkt, Nevzat Taskiran, vor kurzem genau das Gegenteil mitgeteilt wurde. Der Fruchthändler hatte die Verlängerung seines Erbbaurechtsvertrags eingefordert, weil dieser 2020 ausläuft. „Im Hinblick auf die gesamtstädtische Interessenlage“ könne man seinem Wunsch „leider“ nicht entsprechen, schreibt das Andrea Blome unterstellte Liegenschaftsamt.
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Vorsorglich teilt man Taskiran auf gleich mit, dass er bis 2020 alle Aufbauten auf dem Erbbaugrundstück auf eigene Kosten beseitigen muss. Man hoffe, „mit diesen Ausführungen zumindest ausreichen Planungssicherheit für Ihre Disposition geschaffen zu haben“, heißt es weiter in dem Brief.
Eine nochmalige Anfrage bei der Stadt, mit der Bitte den Widerspruch aufzulösen, bleibt ohne erhellende Antwort. Man sei durchaus bereit, Verträge „unter bestimmten Bedingungen“ zu verlängern, heißt es. Welche das sind und warum der Betroffene davon nichts erfährt, wird nicht erklärt.
Keine Gespräche mit Betroffenen
Die Interessengemeinschaft hat an die Fraktionen im Stadtrat, an die Dezernentin und die Oberbürgermeisterin geschrieben. Ein Jahr nach dem Ratsbeschluss sei „noch rein gar nichts umgesetzt“ worden von dem, was die Politik wollte. „Planungssicherheit ist für uns längst kein Thema mehr, denn die gibt es faktisch nicht mehr.“ Die Existenz der Händler und Unternehmer sei bedroht. „Der Versorgung der Stadt Köln mit frischen Lebensmittel, Feinkost und exotischen Spezialitäten abseits des gebundenen Lebensmitteleinzelhandels droht mittelfristig ein Engpass.“
Zwischenzeitlich habe man einen Termin mit den Grünen vereinbart, so Rieke. Bei CDU oder SPD herrsche dagegen „Funkstille“. Dezernentin Blome teilt in einem Brief an die Interessengemeinschaft mit, dass zur Zeit „eine abschließende Würdigung der gesetzlichen Vorgaben und wirtschaftlichen Voraussetzungen“ für eine Verlagerung stattfinde.
Spekulationen auf dem Großmarkt
Der Ratsbeschluss hatte die Verwaltung unter anderem dazu aufgefordert, mit den Großmarkt-Händlern über ein neues Betreibermodell für das Marsdorfer „Frischezentrum“ zu sprechen. Das sei bis heute noch nicht geschehen, so Rieke.
So macht auf dem Großmarkt die Spekulation die Runde, dass die Stadtspitze kurz davor sei, den Großmarkt doch noch komplett zu begraben. Angeblich gibt es eine Beschlussvorlage aus dem Haus der Dezernentin, in der genau das steht. Wer danach fragt, bekommt auch hier keine klaren Antworten: „Auftragsgemäß wird die Verwaltung der Politik eine Beschlussvorlage zur Entscheidung vorlegen“, so Blome. Gibt es neue Fakten und Erkenntnisse, die dafür sprechen könnten, von den Marsdorf-Plänen abzurücken? Blome: „Die Fakten und Erkenntnisse werden der Politik mit einem Abwägungsvorschlag im Rahmen des erforderlichen Beschlusses vorgelegt.“ Was es abzuwägen geben könnte, sagt Blome nicht. Ihre Ankündigung, mit Händlern Gespräche „zum Beispiel über alternative Standorte“ aufzunehmen, dürfte vor Ort eher die Skepsis als die Hoffnung vergrößern.
Der Großmarkt muss in Raderberg weichen, weil hier die „Parkstadt Süd“ entstehen soll. Über die Frage, ob Köln nach seinem Ende am innenstadtnahen, historischen Platz einen neuen Großmarkt braucht, ist genauso wie über den Standort in Marsdorf lange diskutiert worden. Der Stadtrat hat schließlich nicht nur beide Fragen mit einem klaren „Ja“ beantwortet. Er hat den in „Frischezentrum“ umgetauften Großmarkt auch zu einem Bestandteil städtischer Daseinsvorsorge erklärt.