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Graffiti-Kunst in Kölner SüdstadtPionier der Szene stellt im Plattenladen aus

Lesezeit 4 Minuten
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Christian Wolf (l.) und Daniel Preuss vor dessen Plattenladen in der Südstadt

Innenstadt – Lange bevor das Internet weltumspannend genug war, um Ideen, Bilder und Konzepte gleichsam per Fingerschnippen verfügbar zu machen, trat Graffiti von New York aus seine Reise in die Metropolen der Erde an. Eines der Bücher, die damals dafür gesorgt haben, dass auch gelangweilte BRD-Kids mit der grell-subversiven und raumgreifenden Kunstform in Kontakt kamen, hieß Spraycan Art. Es erschien 1987, und für viele war der Bildband das Fenster in eine aufregende, neue Welt, in der Buchstaben, Wörter, schräge Charaktere und große Gesten wohnten. New York war der Sehnsuchtsort. Aber auch Berlin war darin schon zu sehen. Und Brühl.

Christian Wolf alias Kingpin

Das lag an dem Brühler Christian Wolf, 53, auch bekannt als Kingpin. Unter diesem Pseudonym sprüht er bis heute die (rechtlich oft umstrittenen) Graffiti, mal auf legalen Flächen, mal auf Leinwände, mal dort, wo es keinen stört. Seine Werke zeigt er in Galerien in ganz Deutschland und darüber hinaus. Über seine Kunst spricht Wolf, den manche auch Tiger nennen, nicht gerne, vielleicht besonders ungern mit Journalisten. Überhaupt scheint er aber kein Mann der großen Erzählung zu sein.

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Ähnlich wirken seine Bilder, die seltsam aufgelöste Formen zeigen, mal verwaschene, rastlos hingesprühte Hintergründe, davor scharfe Linien und comicartige Gesichter, die im Geknäuel kaum auszumachen sind, mal langgezogene, verschlungene Körper und Flächen, die im Nichts enden und vielleicht mal Buchstaben waren. So sicher der Eindruck ist, es mit einem Graffiti zu tun zu haben, so sehr sperren sich die Bilder dagegen, gelesen zu werden – im Wortsinn.

Übergroße Buchstaben im New-York-Stil

„Ich war der erste, der im New-York-Stil gesprüht hat“, sagt Kingpin alias Wolf dann doch. Übergroße Buchstaben und Comicfiguren – was heute wie ein Klischee wirkt, war damals eine Offenbarung. Zu Schulzeiten habe er zunächst mit Schablonen Bilder an Wände gezaubert – illegal versteht sich. Mit seinem ersten Werk protestierte er an der Wand seiner damaligen Schule. „Ich bin der geistige Führer dieser Schule“, verkündete er mit dem Bild. „Weil wir keinen Kunst-LK bekamen“, sagt er zur Motivation. Andere Motive waren friedensbewegt und technologiekritisch.

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Daniel Preuss (l.) Inhaber des Plattenladens am Bonner Wall, zeigt Graffiti-Kunst von Christian Wolf in seinem Laden. 

Dann sah er im Fernsehen und im Jugendmagazin einer Gewerkschaft plötzlich die großen Buchstaben aus New York. Er schaute sich die Ausstellung eines New Yorker Graffiti-Künstlers in der Galerie Zwirner an und flog 1984 selbst in die US-Metropole, als Schüler, wenn man so will. Er studierte U-Bahnwagen und Wände, knüpfte Kontakt mit Sprühern und den Machern des Graffiti-Buchs, die eines seiner Werke später abdruckten.

Arbeit im Atelier

Er flog zurück und sprühte wie seine Vorbilder, wurde mal von der Polizei erwischt und verdiente eine Zeitlang mit legalen Graffitis Geld. Gleichzeitig war er Schüler bei etablierten Künstlern und studierte später Grafikdesign. Inzwischen malt er überwiegend im Atelier. Was genau ihn gepackt hat, kann oder will er nicht formulieren. Der Ruhm, auf den so viele der weniger schönen Schmierereien zielen, kann es nicht sein.

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Ein typisches Werk von Christian Wolf

Wenn seine Bilder übermalt werden, habe er nichts dagegen, vorausgesetzt etwas Schönes folge darauf. Auf seinen Status als Pionier ist er gleichwohl stolz. „Ich war der erste, der in Sankt Petersburg Graffiti gesprüht hat“, sagt er. Im Frühjahr soll ein Buch über sein Werk erscheinen, bei einem Berliner Graffiti-Verlag. Um seine Bilder festzuhalten?

„Yo, hier bin ich“

„Das Vergängliche gehört dazu“, sagt Babak Soltani, Weggefährte und Inhaber eines Graffiti-Ladens am Hansaring. Was er meint: Die Werke verschwinden. Die Großstadt schluckt sie. Die Zeit nimmt sie. Das sei ein Dilemma, weil man sich schon freue, wenn man irgendwo ein altes Bild entdecke, sagt er. Die Legendenbildung, Nostalgie und „die guten alten Zeiten“ gehören zum Habitus der Szene der früher kleinen Jungs, die sich schlagartig begeistern ließen von Leuten wie Kingpin, der Graffiti in Brühl sprühte. Inzwischen gibt es so viele in den Städten, die sich bemerkbar machen wollen. „Yo, hier bin ich“, beschreibt Soltani den Impuls, der mit dem Griff zur Sprühdose verbunden sei. Christian Wolf, alias Kingpin, hat das nicht mehr nötig.

Ab Freitag, 7. Februar, zeigt Kingpin seine Bilder im Plattenladen von Daniel Preuss, Siegfriedstraße 1-3, geöffnet Di-Sa, 12-19.30 Uhr.