Interview mit Streetworker am Kölnberg„Jahrzehntelang vernachlässigt“

Hinter den Kölnberg-Blöcken An der Fuhr 2 und 3 sind die Meschenicher Einfamilienhäuser, Felder und das Naturschutzgebiet Kiesgruben zu sehen.
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Meschenich – Drogenhöhlen, Prostitution, organisierte Kriminalität – der Kölnberg hat einen miserablen Ruf. Zu Recht?
Franco Clemens (49) hat bis April 2013 eineinhalb Jahre als Streetworker am Kölnberg in Meschenich gearbeitet. Zuvor war er unter anderem acht Jahre Sozialarbeiter in Finkenberg. Zurzeit leitet Clemens eine Jugendeinrichtung des Jugendhilfeträgers „Rheinflanke“.
FRANCO CLEMENS: Jedes Wohnviertel mit schlechter sozialer und kultureller Durchmischung, wo soziale Randgruppen isoliert werden, hat einen schlechten Ruf. Das trifft auf den Kölnberg zu wie auf keinen anderen Stadtteil Kölns. Es gibt viele alkoholkranke Bewohner, vor allem Deutsche, aber auch Menschen mit osteuropäischem Migrationshintergrund, viele Drogenkranke. Fast jede Drogenabhängigkeit führt zur schleichenden Verelendung – was man den Betreffenden auf der Straße ansieht.
Wer hat Schuld an den Verhältnissen? Wie konnte es so weit kommen?
CLEMENS: Das Bauen ausgelagerter Trabantenstädte in den Sechziger Jahren war ein Fehler. Dann kam die Fehlbelegungspolitik durch Kommune und Hausverwaltungen, verschärft durch Hartz IV. Der Kölnberg wurde – ähnlich wie Finkenberg und Chorweiler – jahrzehntelang von der Politik vernachlässigt.
Und heute? Unternehmen Stadt und Politik inzwischen genug?
CLEMENS: Ein klares Nein. Eine Politik, die nur reagiert, wenn wieder mal etwas passiert, ist heuchlerisch. Politiker waren vor einem Jahr trotz aller Lippenbekenntnisse nicht in der Lage, das Geld für eine halbe Streetworkerstelle locker zu machen. Damit war ein sehr erfolgreicher Ansatz durch eine Anschubfinanzierung von „Wir Helfen“ versandet.
Was ist denn am dringendsten nötig?
CLEMENS: Klassische Streetworkarbeit wie etwa in Finkenberg wäre am Kölnberg ein absolutes Muss. Die zum Teil konkurrierenden Hauseigentümer mit häufig wechselnden Verwaltern müssen besser kooperieren und bei der Vergabe der Wohnungen auf eine bessere Durchmischung der Bevölkerungsschichten achten. Die Stadt sollte sich auch überlegen, im Umfeld eine Abenteuerhalle zu bauen. Ein sehr gut funktionierendes Jugendzentrum, Kindergärten und ein Fußballverein sind zu wenig für die vielen Kinder und Jugendlichen im Viertel.
Was konkret kann Sozialarbeit am Kölnberg leisten?
CLEMENS: Unglaublich viel Gutes für die Menschen und das Viertel, und damit für die Stadt: Vermittlung an Fachdienste bei allen sozialen Problemen, auch Hilfe im Umgang mit Ämtern, Verwaltung und Behörden. Streetwork kann zudem subjektive Ängste der Menschen im öffentlichen Raum abbauen, weil sie wissen, dass dort jemand ist, den sie ansprechen und dem sie vertrauen können. Auf dem Kölnberg ist auch die Zusammenführung der Bewohner des Kölnbergs und dem Dorf Meschenich eine ganz wichtige Aufgabe.
Lebt es sich als Streetworker gefährlich am Kölnberg?
CLEMENS: Wenn die Erwachsenen und Jugendlichen einmal verstanden haben, dass man Helfer ist und nicht „Petzliese“, ist die Gefahr gering, dass man Gewalt auf sich zieht. Aber bis man sich dieses Vertrauen erarbeitet hat, ist es ein weiter Weg, und der ist in der Tat nicht immer ungefährlich.
Das Gespräch führte Tim Stinauer
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