Sozialer Brennpunkt KölnbergDas neue Abriss-Konzept für Meschenich
- Ein angehender Architekt schlägt vor, Teile der Hochhäuser abzureißen.
- Die Neubauten sollen sich an historischen Hofanlagen orientieren.
- Kann der soziale Brennpunkt so entschärft werden?
Köln-Meschenich – Einigkeit besteht, dass es nicht weiter gehen kann wie bisher. Doch was geschehen soll, weiß keiner so genau. Seit Jahrzehnten wird in Köln über die Zukunft der Hochhaussiedlungen in der Stadt diskutiert. Während man für Chorweiler viel erreicht hat, bleibt die Lage in Porz-Finkenberg und am Kölnberg in Meschenich schwierig. Immer wieder taucht die Forderung auf, die Bausünden der 1970er Jahre einfach abzureißen. Doch die Lage auf dem Kölner Wohnungsmarkt lässt solch radikale Lösungen nicht zu, erst Recht wenn man es mit komplizierten Besitzverhältnissen zu tun hat.
Der angehende Architekt Christian Schramm hat für die Entwicklung von Meschenich und den Kölnberg ein städtebauliches Konzept entwickelt, das in dieser Form völlig neu ist und Diskussion neu beleben kann. Gab es bislang nur die Vorstellung, die Hochhaussiedlung besser an den Stadtteil zu binden und durch weitere Baumaßnahmen entlang der Brühler Landstraße irgendwie an die Stadt heranzuholen, setzt Schramm darauf, sowohl die Insellage wie auch die dörfliche Struktur des Stadtteils eher noch zu betonen. Die Lage am Rand der Stadt im Grünen soll zur Stärke, das Dorf Meschenich wächst in „seinen“ Kölnberg hinein. Dazu wird ein Teil der Hochausbebauung abgerissen, sodass anstatt der drei mächtigen Betonriegel einzelne Wohntürme stehen bleiben. Um die herum werden kleine Häuser gebaut, die sich am Maßstab des alten Meschenich orientieren.
Masterschau in der TH
Noch bis Samstag, 13. April, werden die 23 besten Abschlussarbeiten von Masterstudenten in der Fakultät für Architektur der TH Köln ausgestellt. Mehrere Arbeiten machen Vorschläge für Projekte in Köln. So wird die Idee einer „Via Portalis“ – ein zeitgenössischer Pilgerweg für Köln – oder einer Neugestaltung des Karl-Küpper-Platzes in der Altstadt vorgestellt. Weitere Arbeiten beschäftigen sich mit der Zukunft des Gleisdreiecks Süd zwischen Höninger Weg und Eifelwall oder dem ehemaligen KHD-Gelände in Mülheim. Die Ausstellung im Altbau auf dem Campus-Gelände an der Betzdorfer Straße 2 in Deutz ist am Freitag bis 23 Uhr geöffnet, am Samstag kann man von 7 bis 19 Uhr ins Foyer der TH, wo die Arbeiten gezeigt werden. (fra)
Das sei ein „überraschender und mutig strategischer Ansatz“, lobt die Jury des Kölner Masterpreises der Fakultät für Architektur der Technischen Hochschule Köln. Schramm gewann den Wettbewerb. Er gehe mit seiner Arbeit ein „Wagnis“ ein, „das uns zum Nachdenken über neue Lösungen anregt“. Ähnlich sieht es der Bund deutscher Baumeister, der den 28-Jährigen im Mai in Braunschweig mit dem Studentenförderpreis auszeichnen wird.
Der prägende Kontrast zwischen dörflicher Architektur und den bis zu 26 Etagen hohen Häusern bleibt erhalten. Er würde jedoch in unmittelbarer Nachbarschaft ausgetragen. Die beiden Teile des Ortes sind nicht mehr getrennt, die Hochhäuser werden Teil des Dorfes. Aus dem Gegeneinander soll ein Miteinander werden. Gleichzeitig gibt es durch eine neue, den Ort umfassende Randbebauung das Versprechen, dass Meschenich nicht unendlich weiter wachsen wird. Schramm schlägt weitere Maßnahmen vor, die Meschenich aufwerten. Dazu gehören Neubauten, die sich an den historischen Hofanlagen orientieren, von denen es noch ein paar in Meschenich gibt. Der beschlossene Bau einer Umgehungsstraße wird den Stadtteil vom Schwerlastverkehr befreien, was Chancen zur attraktiven Gestaltung von Straßen und Plätzen eröffnet. Von zentraler Bedeutung ist die Anbindung an das Straßenbahnnetz, auf das Meschenich seit Jahrzehnten wartet.
Schramms Konzept belegt, dass es Alternativen zum bisher Diskutierten gibt. Zuletzt neigte die Stadt dazu, den Kölnberg zur sogenannten „Arrival City“ zu erklären, die jede wachsende Metropole braucht. Menschen, die neu in die Stadt kommen und wenig Geld haben, finden an solchen Orten eine Unterkunft auf Zeit, bevor sie in andere – bessere – Quartiere ziehen. Dieser Idee erteilt Schramm eine klare Absage. Zum einen lebten am Kölnberg durchaus viele Menschen, die gar nicht weg wollen. Zum anderen führe eine solche Idee nicht zur Identifikation mit dem Ort. Gerade diese müsse man aber stärken.
Die Abschlussarbeit des Architekturstudenten belegt auch nachdrücklich: Nur mit viel Aufwand werden sich neuen Chancen für ein nicht einfaches Viertel entwickeln lassen. Das erlebt die Stadt zur Zeit in Chorweiler, wo sie ihre Wohnungsgesellschaft mit der Aufgabe beauftragt hat, im großen Stil einzugreifen. Ähnlich großer Aufwand wäre auch am Kölnberg nötig, wenn man Schramms Idee folgt: Die Hochhäuser sollen durch Loggien an den Fassaden aufgewertet werden. Noch teurer wird die Umsetzung der Idee, abgerissene Wohnungen durch neue zu ersetzen, mit denen man nichts verdienen kann. Wer hier Wohnungen abreißt, wird den meisten Bewohnern – nicht wenige von ihnen sind selbst Eigentümer – einen adäquaten Ersatz in den neuen Häusern anbieten müssen.
Schramm hat seine Arbeit und seine Ideen vor Ort den Bürgern vorgestellt. Die Skepsis ist groß, aber als Denkanstöße beleben sie die Debatte. Er nimmt den Hochhäusern den Schrecken. Der positive Blick auf Meschenich und den Stadtteil als Einheit zu sehen, sei „charmant“, sagt Sozialraumkoordinatorin Verena Aurbeck. Eine Umsetzung in die Praxis ist aber für viele nur schwer vorstellbar. Eine Eins-zu-eins-Umsetzung erwarte er auch nicht, so Schramm. Seine Arbeit solle eine Vision zeigen.