Verunglückter VierjährigerUnbekannte zerstören Mads' Mahnmal in Zollstock
Köln-Zollstock – Ein Stoffhund, eine Puppe, Blumen, Kerzen, ein Engel und ein Stein mit einem Bild von Mads stehen derzeit an der kleinen Gedenkstätte am Höninger Weg. Meist legen Anwohnerinnen und Anwohner vor dem Lidl-Parkplatz kleine Zeichen des Gedenkens für den vierjährigen Jungen nieder, der hier am 9. April 2020 mit seinem Vater Richtung Pohligstraße unterwegs war, sich von ihm löste und von einem LKW-Fahrer, der rechts auf den Lidl-Parkplatz einfuhr, überrollt wurde. Mats verstarb noch an der Unfallstelle.
Seine Mutter kniet sich nieder und legt eine Gipstafel mit einem Legomännchen zu den Devotionalien. „Mads 2016 bis 2020“ steht darauf. Sie hat die Tafel gerade neu gegossen und angemalt. Aus dem Rucksack holt sie noch einen Engel, den sie zuhause repariert hat. Eine ältere Dame aus der Nachbarschaft hatte ihn hier niedergelegt. Darauf steht: „Du lebst in unseren Herzen weiter“.
Unbekannte spielen mit Engeln und Puppen Fußball
Der Engel war, wie die gesamte Gedenkstätte, vor einigen Tagen mutwillig zerstört worden. Überall lagen Scherben herum, die Figuren waren über den gesamten Platz verteilt. „So als hätte man Fußball damit gespielt“, sagt Mads’ Mutter. Über die sozialen Netzwerke hatten die Eltern von der Zerstörung erfahren. Ein Mitglied der Facebookgruppe „Zollstock Lääv“ etwa schreibt: „Unglaublich – und wieder haben irgendwelche Idioten das Mahnmal von dem keinen Jungen zerstört, ich bin so was von wütend, denen sollte man die Finger abhacken.“
Es ist nicht das erste Mal. Auch Blumen wurden schon gestohlen. Und an Weihnachten ein Tannenbäumchen. „Wer macht so etwas? Das ist traurig und respektlos“, sagt Mads’ Mutter und fügt an: „Es ist mir unerklärlich, warum sich daran jemand stören kann.“ Die Eltern gehen selbst nicht mehr so oft an dieser Stelle vorbei, auch wenn sie gleich um die Ecke wohnen. Einkaufen waren sie seitdem nie wieder bei diesem Lidl. Zu schmerzlich ist die Erinnerung, zu tief sitzt der Verlust.
Mads' Vater sucht Trauma-Therapeuten auf
„Ich habe kurz nach der Beerdigung angefangen, Steine für Mads zu bemalen, um sein Erdenbettchen schön zu gestalten. Es ist eines der wenigen Dinge, die ich noch für ihn tun kann“, sagt sie. Die Steine gießt sie selbst, beklebt sie mit Fotos oder fertigt Leuchttürme – ihre Art der Therapie.
Mads’ Vater meidet die Unfallstelle so weit es geht. „Ich gehe hier ungern vorbei“, sagt er. „Weil ich dabei war“, fügt er dann leise an. Die Kappe hat er tief ins Gesicht gezogen, sie kann den Schmerz in seinen Augen nicht verbergen. Noch heute sucht er regelmäßig einen Trauma-Therapeuten auf. Während der Pandemie konnten er und seine Frau keine anderen verwaisten Eltern treffen, um den Schmerz zu teilen, sich auszutauschen. „Man ist mit sich alleine, der Schmerz geht nicht weg, er verändert sich nur“, sagt der trauernde Vater.
Eine Erklärung für den Unfallhergang gibt es bis heute nicht. Nach Angaben der Stadt haben Vertreterinnen und Vertreter der Unfallkommission die Örtlichkeit am 15. April 2020 besichtigt. „Der Gehweg ist ausreichend breit, kleine Einschränkungen ergeben sich durch Hochspannungsmaste. Aber der Höninger Weg ist hier mit einem Schutzstreifen versehen, aufgrund der unmittelbaren Nähe zu den Schienen ist sichtbehinderndes Parken nicht denkbar“, heißt es in einem Antwortschreiben der städtischen Pressestelle.Zudem sei die Pflasterung der Zufahrt ist von der normalen Gehwegpflasterung abgehoben.
Neue Unfallstatistik für den Bezirk
Im Bereich der Polizeiinspektion 2 – der Sülz und Rodenkirchen umfasst – gab es in den Jahren 2019 und 2020 jeweils rund 800 Verkehrsunfälle der Kategorien eins bis drei, bei denen ein Beteiligter oder eine Beteiligte leicht bis schwer verletzt wurde oder verstorben ist.
Die Unfälle verteilen sich in 2020 auf: Sülz (172), Lindenthal (153), Zollstock (82), Rodenkirchen (71), Bayenthal (56) und Marienburg (50). Im gleichen Zeitraum gab es 447 Unfälle mit beteiligten Radfahrerinnen und Radfahrern.
In beiden Bezirken ereigneten sich im Jahr 2020 47 Unfälle mit Kindern, ebenfalls in allen drei Kategorien. Exemplarisch: In Sülz verunglückten zwölf, in Zollstock fünf, in Lindenthal sieben und in Rodenkirchen sechs Kinder.
Zwei sogenannte Unfallhäufungsstellen hat die Unfallkommission im Bezirk für das Jahr 2020 identifiziert. Zu gefährlichen Situationen kam es auf der Kreuzung Ringstraße/Schillingsrotter Straße und auf der Kreuzung Militärringstraße/Am Eifeltor/Oberer Komaer Weg. An der Ringstraße hat die Verwaltung festgestellt, dass die Beschilderung in Ordnung ist und nichts verändert wird. Das gilt auch für die Ecke Militärring/Eifeltor. Problematisch war hier das Linksabbiegen von der Straße Am Eifeltor und der Geradeausverkehr aus dem Oberen Komaer Weg. Auch dort wird nichts geändert.
Stadt Köln stellt kein Verkehrsschild auf
„Dem mündigen Verkehrsteilnehmer kann sich erschließen, dass hier ein Zufahrtsbereich mit möglichen Gefahren ist – einem Vierjährigen natürlich nicht. Angemessene verkehrstechnische Maßnahmen, die den Unfall verhindert hätten, waren nicht ersichtlich“, heißt es weiter.
„Ich verstehe das bis heute nicht. Es ist anschließend nicht mal ein Achtung Fußgänger-Schild aufgestellt worden“, moniert der Vater, dem die Kraft dazu fehle, sich mit der Stadt auseinanderzusetzen. Auf die Frage, warum, die Verwaltung kein solches Verkehrszeichen installiert habe, antwortet die städtische Pressestelle: „Dies wurde nicht angeordnet, da die Situation des überfahrbaren Gehweges im Umfeld einer Einfahrt (oder von Garagen) im Stadtgebiet keine unübliche Situation darstellt. Kfz-Fahrerinnen und -Fahrer wissen grundsätzlich, dass sie in diesen Bereichen mit zu Fuß Gehenden rechnen müssen.“ Ob es der LKW-Fahrer, der Mads überfuhr wusste ? Der Prozess gegen ihn ist noch nicht abgeschlossen. Schuld sucht das Ehepaar nicht. Aber Erklärungen.