Meine RegionMeine Artikel
AboAbonnieren

Soziale Probleme am KölnbergDer Kampf gegen die Verwahrlosung

Lesezeit 4 Minuten

Die Hochhäuser der Siedlung am Rand von Meschenich

Meschenich – Von einer offenen Drogenszene am Kölnberg kann man nicht sprechen – jedenfalls nicht an diesem Montagnachmittag. Selbst die schmale Stichstraße am Kindergarten, wo normalerweise um diese Zeit trotz Sperrbezirksverordnung rauschgiftsüchtige Prostituierte auf Kundschaft warten, wirkt wie ausgestorben. „Sie sind vorsichtiger geworden seit der Sache vor ein paar Tagen“, mutmaßt eine Sozialarbeiterin, die sich im Viertel auskennt.

Die „Sache“ am vorigen Donnerstag hatte mehreren Junkies einen Besuch der Mordkommission eingebracht. Inzwischen scheint der makabre Fall aufgeklärt: Der Mann, dessen verweste Leiche von einem Balkon in der 9. Etage geworfen wurde, ist offenbar nicht getötet worden, sondern an einer Überdosis Heroin gestorben. „Beweise und Zeugenangaben legen das nahe“, sagte Oberstaatsanwalt Ulrich Bremer. Das Ergebnis der toxikologischen Untersuchung stehe noch aus.

Vermutlich überfordert mit der Frage, was sie mit der Leiche machen sollen, sperrten seine ebenfalls drogenabhängigen Bekannten den 36-Jährigen erst tagelang in einen Geräteschuppen auf dem Balkon. Wer ihn dann hinunter warf, weiß die Polizei noch nicht.

Auch, wenn es nicht immer direkt ins Auge fällt – Drogen spielen eine große, mitunter zerstörerische Rolle am Kölnberg. Die Polizei weiß von „Drogenhöhlen“ in leerstehenden Wohnungen, die von Junkies genutzt werden. Regelmäßig nehmen Beamte Dealer fest, die in Appartements ihre Depots anlegen. Eine kokainsüchtige Prostituierte (37) schildert im Gespräch mit dem „Kölner Stadt-Anzeiger“ ihren Tagesablauf: „Freier bedienen, Kokain kaufen, konsumieren und wieder Freier bedienen – manchmal 20 am Tag.“ Seelisch halte man das nicht aus. „Aber ich saufe, dann geht’s.“

Etwa 20 Frauen prostituieren sich am Kölnberg. Für manche sei das Viertel „Endstation“, sagt Sabine Reichert vom Sozialdienst Katholischer Frauen. Dessen Mitarbeiterinnen engagieren sich für die rauschgiftabhängigen Prostituierten. Die soziale Landschaft in Meschenich ist vielfältig. 49 Beratungs- und Hilfsangebote gibt es vor Ort. Susanne Rabe-Rahman, verantwortlich für die Caritasarbeit dort: „Dass mit diesem tragischen Ereignis der Stadtteil jetzt wieder einmal mit negativen Bildern belegt wird, ist genau das, was die Leute hier nicht brauchen.“

Was sie vielmehr nötig hätten, wären eine vernünftige Hausverwaltung, die endlich gegen die Ratten- und Ungezieferplagen vorginge und ein Auge darauf hätte, wie viele Menschen sich in einer Wohnung niederlassen und warum. Stattdessen glänzen zwei zerstrittene Verwalter in der Anlage vor allem durch Desinteresse. Auch auf eine „Kölner Stadt-Anzeiger“ Anfrage reagierten sie nicht. Wünschenswert wäre auch eine bessere Verkehrsanbindung, die es den Menschen dort ermöglicht, Jobangebote annehmen zu können ohne ein Auto zu besitzen. Rabe-Rahman: „Der Bus von der Endhaltestelle der 18 in Hürth hierher fährt nur einmal stündlich – und das in den Spitzenzeiten.“

In den vergangenen Jahren wurde das soziale Netz immer weiter geknüpft; etwa durch Projekte wie „Stadtteilmütter und -väter“ oder die „Familienhebamme“, die aber nur mit Spenden starten und aktiv sein können. Nur wenige Initiativen scheitern. Doch auch das kommt vor. So gab ausgerechnet die Suchtkrankenpflege „Blaues Kreuz Köln“ 2013 seine Arbeit nach anderthalb Jahren wieder auf.

In einem ehemaligen Apartment in einem der Hochhäuser ist die Kontakt- und Anlaufstelle von „Vision e.V.“ für Süchtige. Die Räume nutzte auch das „Blaue Kreuz“. „Wir haben es ja oft mit einer schwierigen Klientel zu tun“, sagt Harald Seeger vom „Blauen Kreuz“. Nachdem eine Mitarbeiterin bedroht wurde und ging, fand sich keine Nachfolge.

Selbst renommierte und etablierte Unterstützer wie die Rheinflanke, die Kindern und Jugendlichen im Brennpunkt Sport- und Berufsfindungsangebote macht, erfahren Rückschläge. Nur mit einer Anschubfinanzierung von „wir helfen“ hatte der Jugendhilfeträger im Oktober 2011 eine Streetworker-Stelle für anderthalb Jahre einrichten können. Danach war Schluss, aufgebautes Vertrauen zerstört. „Es ist uns nicht gelungen, Politik und Verwaltung dafür zu gewinnen, die Arbeit mitzufinanzieren“, resümiert Geschäftsführer Sebastian Körber. Und Jugenddezernentin Agnes Klein rechtfertigt sich: „Wir hätten dafür in anderen Stadtteilen kürzen müssen, was dort zu Problemen geführt hätte. Zusätzliche Mittel gibt es nicht.“ Johannes Waschek, zweiter Vorsitzender der Bürger- und Vereinsgemeinschaft, hält das für unverantwortlich. „Wir brauchen einen Streetworker, der langfristig bleibt. Und keine Politik, die sich nur dann zu Wort meldet, wenn der Kölnberg mal wieder traurige Schlagzeilen macht.“