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Komsport in Köln-BayenthalKölner Sportwissenschaftler sorgen für Training ohne Schmerz

Lesezeit 5 Minuten

Stammkunde: Tour-Etappensieger André Greipel

Bayenthal – Klar gehört der Schmerz dazu. Er ist der Preis, den alljene zahlen müssen, die die Grenzen ihres Körpers erforschen wollen. Gerade im Ausdauersport ist die Qual Teil des Prinzips: Wer in Form sein will, muss leiden.

Oliver Elsenbach hat ein gesundes Verhältnis zum Schmerz. Der Sportwissenschaftler fährt schon sein Leben lang Rennrad, „ich komme sozusagen aus der Schmerzecke“, sagt er. Kein Teilnehmer der Tour de France könnte ernsthaft behaupten, nicht ab und an die Zähne zusammenbeißen zu müssen. Dennoch: Mancher Schmerz muss nicht sein – und da setzen Elsenbach und Sebastian Klaus mit ihrer Firma Komsport auf der Bonner Straße an.

Beide sind Absolventen der Sporthochschule, sie wissen: Gerade Ausdauersportler verbringen viele einsame Trainingsstunden. Da bleibt genügend Zeit, in den Körper hineinzuhorchen. Und sich die Frage zu stellen: Ist dieser Teil meiner Qual jetzt gerade nötig? Oder leide ich, weil meine Schuhe nicht passen, mein Sattel zu hoch gestellt ist oder man mir ein Fahrrad verkauft hat, das schlicht nicht passt. Die Mitarbeiter von Komsport freuen sich, wenn Kunden mit Beschwerden kommen und falsch angepasste Fahrräder dabeihaben. „Wenn jemand mit einem perfekt sitzenden Rad reinkommt, kann ich nicht viel machen. Aber in der Regel gibt es eine Menge zu tun“, sagt Elsenbach.

Selbst bei der Tour de France sieht er Weltklassefahrer, die auf ihren Rennmaschinen kauern, als hätten sie noch nie etwas von Biomechanik gehört. Ein deutscher Profi etwa, der in diesem Sommer zahlreiche Zielsprints verloren habe, sitze ziemlich falsch auf seinem Rad. Dennoch wird Elsenbach eher nicht zum Telefon greifen, um dem Mann einen Termin vorzuschlagen. Denn André Greipel, der Seriensieger aus Hürth, ist einer der Kunden bei Komsport, Beratung der direkten Konkurrenz muss da nicht unbedingt sein.

Greipel ist nicht der einzige Prominente in der Kartei, davon zeugen zahlreiche gerahmte Trikots an den Wänden. Auch die Mitglieder der Band „Kraftwerk“ sind leidenschaftliche Rennradfahrer und lassen ihre Velos in der Südstadt anpassen.

Kunden bei Komsport sind jedoch nicht nur Radsport-Verrückte. Im Gegenteil – das Angebot richtet sich gerade an Allerweltsradler, die auf der gemütlichen Tour am Rhein entlang keine Lust auf Rückenschmerzen oder ein wundes Hinterteil haben. Es droht jedenfalls kein Spott der Profis, wenn man mit einem Klapprad zum Anpassen erscheint. Denn auch auf einem einfachen Fahrrad kann man richtig sitzen – und auf einem 10 000-Euro-Renner ganz schön falsch.

Im Wartebereich des Instituts sind prunkvolle Rennräder abgestellt, ein turbinenhaftes Sausen hallt durch die Gänge. Elsenbach und sein Kompagnon Sebastian Klaus spannen die Räder ihrer Kunden in Analysegeräte und lassen die Fahrer in die Pedale treten. Nehmen Anpassungen vor, lassen weitertreten. Es herrschen Laborbedingungen: Der Widerstand bleibt gleich, doch die aufzubringenden 250 Watt fühlen sich plötzlich leichter an, die Trittfrequenz steigt.

Am Ende steht die Grafik des für den Probanden idealen Fahrrades, daneben eine Tabelle mit den Maßen des aktuellen Rahmens. In der Regel ist kein neues Rad fällig, die meisten Anpassungen sind durch den Tausch weniger Teile möglich. Und weil Komsport kein Fahrradladen ist, fallen die Empfehlungen pragmatisch aus, was eine angenehme Ausnahme bedeutet in der Radsportszene, die Schauplatz einer gewaltigen Materialschlacht ist. Selbst Hobbyradler investieren gewaltige Summen in ihre Ausrüstung. Denn nichts motiviert mehr nach einer Ausfahrt voller Krämpfe, Regen und Gegenwind als die Investition in neue Komponenten. Wenn Elsenbach jedoch zum Beispiel herausfindet, dass der Lenker eines Kunden zu breit ist, empfiehlt er einen aus Aluminium für 25,60 Euro – nicht etwa das Carbon-Modell für das Zehnfache. Und obgleich der Rahmen nur fast perfekt zum Fahrer passt, sagt er doch: „Das Rad fährste jetzt aber erstmal noch was.“ Idealerweise steht der Besuch bei Komsport allerdings vor dem Fahrradkauf. Denn jeder Fahrer ist anders, und für jeden findet sich ein Rad mit der passenden Geometrie.

Die Suche nach der perfekten Sitzposition ist nur ein Teil des Angebots. Komsport lässt auch Einlagen anfertigen, mit denen Ungleichgewichte im Bewegungsapparat korrigiert werden. Alles beginnt mit dem sicheren Stand, und kaum ein Körper ist gerade gebaut. Fehlstellungen der Füße führen zu Schonhaltungen, zu Leistungsverlust und zu Schmerzen. Elsenbach hat Tausende Paar Füße betreut. Er vertraut seinem Auge – und seinem Scanner, der zeigt, wie sich der Druck verteilt. Hier ein Polster, da ein Klötzchen untergelegt – und plötzlich steht man in seinen Schuhen, als könne einen nichts mehr umwerfen. Knie-, Rücken und Fußbeschwerden beim Laufen können damit verblüffend schnell abgeschaltet werden. Den Auftrag für die Einlagen schickt Elsenbach gleich aus dem Scanner per Datenleitung an den Orthopädischen Schumacher. Ein paar Tage später sind die Einlagen in der Post.

Für Radsportler gelten andere Bedingungen als für Jogger, denn sie rollen die Füße nicht ab. Für sie wie etwa auch für Ruderer, die sich mit Gewalt ins Brett stemmen, hat Elsenbach eine extrem steife Einlage aus Carbon entwickelt, den so genannten Solestar. Ein nicht ganz billiges Produkt, für das er ein Patent hält. Doch auch den Solestar verkauft er nicht jedem Hobbyradler, „auch wenn ich es fast immer könnte“, sagt er mit einem wissenden Lächeln.