Interview mit Künstlerin Claudia Franzen„Mir drohte der finanzielle Totalausfall“
- Viele Künstler fühlen sich in der Corona-Krise von der Politik im Stich gelassen. Die Kölner Künstlerin Claudia Franzen ist eine von ihnen.
- So manches ihrer Projekte ist wie eine Seifenblase geplatzt. Zwei Drittel der Einnahmen sind weggebrochen.
- Wie so vielen drohte ihr ein finanzieller Totalausfall.
Sürth – Die Pandemie hat die Kulturszene in besonderem Maße getroffen. Vielen freischaffenden Künstlern geht es finanziell schlecht. Für die Maßnahmen der Politik haben viele anfänglich Verständnis gezeigt, aber nach fast sechs Monaten werden die Kulturschaffenden allmählich unruhig. Sie fühlen sich von der Politik im Stich gelassen. Viele bemängeln, dass es wegen Corona zwar einen Auto-, aber keinen Kulturgipfel gegeben habe. Die Sürther Künstlerin Claudia Franzen ist eine von ihnen. Ein Gespräch zum Start der Offenen Ateliers.
Frau Franzen, inwieweit hat die Pandemie Sie als Künstlerin getroffen?
Corona hat meine komplette Lebensplanung durcheinandergebracht. Meine Idee war, in Marokko und Finnland Malkurse anzubieten. Deshalb habe ich Anfang des Jahres mein Sürther Atelier in der Falderstraße aufgegeben und bin zu meiner Künstler-Kollegin Maria Aachen gezogen. Gemeinsam wollten wir das Konzept „Wohnen und arbeiten unter einem Dach“ testen. Dahinter steckte die Idee: Kurze Wege, schöner Garten und weniger Miete. Alles in Sürth.
Also alles richtig gemacht?
Eigentlich schon. Die Miete für das Atelier hätte ich wegen Corona nicht mehr zahlen können. Leider sind die Malkurse in Marokko und Finnland aufgrund der Pandemie nicht zu realisieren. Insofern ist mein Traum wie eine Seifenblase geplatzt. Und hinzukommt, dass auch die Malkurse in Sürth seit März nicht mehr stattfinden konnten.
Wie hoch sind Ihre finanziellen Einbrüche?
Zwei Drittel der Einnahmen sind weggebrochen. Früher hatte ich bis zu zehn Kurse im Monat, seit März keinen einzigen. Mit dem guten Wetter kamen dann wieder erste Anfragen. Da habe ich die neue Umgebung nutzen können, indem ich Kurse im Garten mit kleinen Gruppen und viel Abstand angeboten und so versucht habe, wieder Normalität zu leben. An die Wintermonate mag ich noch gar nicht denken. Das wird eine echte Herausforderung. Außerdem wurden ja auch alle Ausstellungen abgesagt. Im Schnitt stelle ich meine Arbeiten sonst bundesweit in sieben verschiedenen Ausstellungen aus.
Ist die Situation für Sie existenzbedrohend?
Es ist eine Hängepartie. Ich arbeite seit mehr als 30 Jahren als freischaffende Künstlerin und habe mir zum Glück in dieser Zeit ein gutes Polster anlegt. Der Strategiewechsel zu Beginn des Jahres, also kein externes Atelier mehr sondern die Kombination aus Arbeiten und Wohnen unter einem Dach, war perfekt, sonst hätte ich spätestens jetzt das Atelier aufgeben müssen.
In der Wachsfabrik, in der Dorfschule und in der alten Lederfabrik leben und arbeiten zahlreiche Künstlerinnen und Künstler, haben Sie Kontakt, hilft man sich unter Kollegen?
Es gibt keine umfassende Vernetzung unter den Sürther Künstlern und soweit ich es beurteilen kann, hat es in den vergangenen sechs Monaten auch kein Krisenmanagement gegeben. Alle versuchen, sich irgendwie mit neuen Ideen und Konzepten über Wasser zu halten. Die Wachsfabrik zum Beispiel öffnet derzeit alle zwei Wochen ihre Türen fürs Publikum.
Erleben Sie also keine Solidarität in Corona-Zeiten?
Doch. Im März, zu Beginn des Lockdowns, rief mich eine Sürtherin an und fragte, ob ich finanzielle Probleme hätte. Kurz darauf kam sie mit einem Kleintransporter und kaufte ein Bild: ein zwei Meter großes Porträt von Vivien Westwood. Meine Märzeinnahmen waren gesichert.
Und wie kamen Sie durch die folgenden Monate?
Anfang April sah es düster aus, die Rodenkirchener Kunstmeile wurde abgesagt. Diese Veranstaltung war für mich und bestimmt auch für viele andere Künstler-Kollegen eine perfekte Bühne, um der Öffentlichkeit die eigenen Arbeiten auf unkonventionelle Art und Weise, nämlich in den Schaufenstern der Rodenkirchener Geschäfte, zu präsentieren.
Durch die Absage drohte mir ein finanzieller Totalausfall, wäre da nicht eine weitere engagierte Rodenkirchnerin gewesen. Die Besitzerin der Maternus-Apotheke, bei der ich seit fünf Jahren während der Kunstmeile ausstelle, hat mir für eine Woche ein Schaufenster zur Verfügung gestellt. Einfach großartig, eine wunderbare Geste der Solidarität in Corona-Zeiten!
Wie empfinden Sie persönlich diese Pandemie-Zeit?
Durch tragische persönliche Schicksalsschläge habe ich gelernt, Unveränderbares zu akzeptieren, das Leben anzunehmen und zu gestalten. Heute sehe ich fast immer Licht am Horizont – man muss in diesem Beruf gelassen sein. Ich bin ja keine Bäckerin, die regelmäßig frisch produzieren und täglich verkaufen muss.