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Projekt in Köln-ZollstockSieben- bis 85-Jährige machen Theater

Lesezeit 3 Minuten

Gleich beginnt der Tanz des Lebens.

Köln-Zollstock – Mit einem Herzton fängt alles an – mit einem Herzton hört alles auf. Sechs Kinder der OGS Rosenzweigweg und sechs Bewohner des Seniorenzentrums Zollstockhöfe schlagen sich mit der Hand rhythmisch auf die Brust, während sie ihren Herzschlag lautmalerisch mit einem „Bum-bum“ imitieren. Das intergenerationelle Theaterprojekt von Theaterpädagogin Annie Windgätter befasst sich mit den Themen „Wachsen und Werden“.

In dem daraus entstandenen „Szenen-Spaziergang durch den Lauf des Lebens“ namens „Achtung! Spielfreude!“ benutzen die Akteure Requisiten, die für sie von besonderer Bedeutung sind. „Träger von Erinnerungen“ nennt Annie Windgätter die gesammelten persönlichen Gegenstände. Muscheln, eine Kuhglocke oder ein Büchlein kommen zum Vorschein.

Gut, wenn man eine erfahrene Bergführerin hat - Jasmin (l.) und Lotti können sich auf Lotte (r.) verlassen. Initiatiatorin Annie Windgätter

So bewegt sich das Ensemble vom Geburtstanz, bei dem bunte Tücher von einem zum anderen wandern, durch realitätsnahe aber auch fantastische Episoden auf die Schlussnummer zu. Aus dem Leben gegriffene Szenen wie „Muscheln am Strand“, „Die Bergwanderung“ oder „Streit im Kindergarten“ stehen eher märchenhaften Darstellungen gegenüber: „Wie begrüßt eine Meerjungfrau die Menschen“ fügt sich trotzdem in die Ganzheit des Lebensspazierganges ein, den Annie Windgätter initiiert und über Monate liebevoll begleitet hat.

Im vergangenen Herbst ging es für die teilnehmenden Kinder mit einer Projektwoche in ihrer Schule los. Ideen wurden gesammelt, den Kindern das Thema vom Werden und Altern näher gebracht. Seit Januar machen die Jungen gemeinsame Sache mit den Senioren – man trifft sich in der Cafeteria des Seniorenzentrums, um sich zu beschnuppern, Erinnerungsträger zu sichten und Szenen zu entwickeln.

Gut, wenn man eine erfahrene Bergführerin hat - Jasmin (l.) und Lotti können sich auf Lotte (r.) verlassen. Initiatiatorin Annie Windgätter

Dass die Sieben- bis 85-Jährigen schnell einen Draht zueinander finden, mag auch am Theater selbst liegen, denn es verbindet, macht Altersgrenzen zur Nebensache und lässt die Generationen zum Wesentlichen kommen. Man erfährt und lernt voneinander – und zwar nicht nur die Jüngeren von den Älteren.

Der „zauberhafteste Satz des Tages“ beim vierten gemeinsamen Treffen dokumentiert die Chronik des Projekts wie folgt: „Schön, dass wir in unserem Alter noch lernen, Unsinn zu machen!“ Im Gegenzug lernt die Nachwuchsgeneration, dass auch Langsamkeit gewisse Vorteile hat, ein Spaziergang, gerade weil er länger dauert, von großem Wert sein kann.

Am Tag der Aufführung beherrschen Geschichten und Visionen die Szenerie, es wird getanzt, gestritten, Versöhnung gefeiert, gespielt und gesungen. Karl erzählt in „Die kleine Kneipe in unserer Straße“, wie er als junger Mann einem Kind auf der Rolltreppe das Leben rettete. Bei jeder Probe konnte er eine andere Anekdote aus seinem reichen Fundus hervorzaubern, die heutige liegt ihm offenbar besonders am Herzen. Seine Karten-Kumpels, gespielt von den etwa 70 Jahre jüngeren Darstellern Laura und Anmaldeep, hören gebannt zu. Improvisation gehört zum Konzept des Theaterprojekts, lässt erfrischend spontane Ideen zu. Der Kinderlied-Klassiker „Meine Oma fährt im Hühnerstall Motorrad“ kommt zu neuen Ehren, bevor es deutlich stiller und das Tempo der Akteure gedrosselt wird. Wieder flattern die Tücher, die Herztöne werden langsamer bis sie, ganz zuletzt, verstummen. Statt Melancholie herrscht Begeisterung auf der Bühne des Seniorenzentrums. Das Publikum, darunter die passiven Unterstützer des Projekts, zeigt sich mitgerissen vom „Ball des Lebens“.

Frau Schulz, nunmehr 105 Jahre alt, ist eine der eifrigsten Zuschauerinnen gewesen. Den Standing Ovations zu ihrem Geburtstag begegnet sie ihrerseits, indem sie aus ihrem Rollstuhl aufsteht. Ganz im Sinne des Projekts schließt sich der Kreis. Die Lebens- oder Spielfreude bleibt – altersunabhängig - ungebrochen.