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„Möchte meinen Beruf nicht glorifizieren“Martin Vogt ist der letzte Kürschner im Kölner Süden

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Martin Vogt mit grünem Pelzmantel in seinem Geschäft in Rodenkirchen.

Martin Vogt mit grünem Pelzmantel in seinem Geschäft in Rodenkirchen.

Pelz ist das wohl umstrittenste Thema in der Modeszene. Martin Vogt ist Kürschner in Rodenkirchen und findet, es werde oft mit zweierlei Maß gemessen.

„Das echte Fell ist auf jeden Fall eine Alternative zum Kunstfell. Leider machen sich die Wenigsten beim Kauf ihrer Winterjacken mit Pelzkragen oder gar ganzer Mäntel, Gedanken über die Herstellung von Kunstfellen und deren Entsorgung“, sagt der Rodenkirchener Martin Vogt, einer der letzten wenigen Kürschner, der noch in Köln mit einem Ladenlokal aktiv ist.

Kunstfelle bestünden meistens aus synthetischen Polymerfasern wie Acryl und Polyester und würden aus dem nur endlich verfügbaren Rohstoff Erdöl hergestellt. Diese Stoffe seien biologisch allesamt nicht abbaubar. „Das Mikroplastik, das bei der Produktion von Kunstfellen entsteht, braucht Tausende von Jahren, um sich nach der Entsorgung abzubauen. Den echten Pelz dagegen können sie im Garten eingraben – dort verrottet er und zerfällt. Als Naturprodukt geht er wieder umweltschonend in den Naturkreislauf über“, argumentiert Vogt, der das Pelzgeschäft am Maternusplatz in zweiter Generation führt.

1960 fing sein Vater in seiner Privatwohnung als Kürschner an und arbeitete für das Modehaus Boecker. Damals war ein echter Pelzmantel ein Statussymbol, ein Nerzmantel kostete 16.000 DM ein Persianer 7.000 DM. Fünf Jahre später eröffnete Vogt das Pelzgeschäft in Rodenkirchen. Sein Sohn Martin machte eine Ausbildung im Pelzhaus Malkowsy an der Hohe Straße und anschließend seinen Meister in der Pelzfachschule in Frankfurt. Vater und Sohn Vogt nähten und verkauften gemeinsam mit sieben Angestellten Pelzmäntel für die wohlhabenden Kölnerinnen. „Man sieht es dem kleinen Laden nicht an, aber wir haben ganz viele Industrielle aus Köln bedient. Die Marienburger und der halbe Hahnwald kauften bei uns Pelzmäntel“, erinnert sich der heute 70-jährige Vogt, dessen Arbeitstag in den Pelz-Boomjahren um acht Uhr morgens begann und nicht selten um zwei Uhr nachts endete. Pelzmoden Vogt bekam damals selbst im Kölner Süden Konkurrenz, allein in Rodenkirchen gab es drei weitere Kürschner.

Aus Pelzmantel wird Handtasche

Aus Pelzmantel wird Handtasche

Viele Pelzmäntel wurden in den Boomjahren importiert und wurden damit erschwinglicher. Sie kamen oft von Farmen aus dem Ostblock, waren schwer und sehr schlecht verarbeitet. Der Persianer kostete auf einmal nicht mehr 7.000 DM, nunmehr gab es ihn sogar bei C&A für nur 700 DM. Zu der Zeit sei das Kürschner-Handwerk nach und nach kaputtgegangen, erinnert sich Martin Vogt.

Mit der „Massenware Pelz“ gewann Mitte der 80-er Jahre auch die Anti- Pelz-Bewegung an Gewicht. Kaum ein Material wurde und wird so kontrovers diskutiert wie der Pelz. Für die einen absolutes Luxusgut, für die anderen schlicht Tierquälerei. „Ich hatte damals auch einen Anti-Pelz Schriftzug auf dem Schaufenster, der Protest hält bis heute an. Martin erzählt von einem „vollgespuckten Schaufenster“ nach manchen Wochenenden. Doch der Rodenkirchener lässt sich nicht einschüchtern, er macht weiter.

„Ich möchte meinen Beruf nicht glorifizieren, aber oft wird mit zweierlei Maß gemessen. Ich bin dagegen, dass Luchse in freier Wildbahn geschossen werden, nur um zu einem Mantel zu werden. Aber es gibt viele heimische Felle, die aus der Raubtierbestands-Regulierung und Schädlingsbekämpfung stammen und problemlos verarbeitet werden können.“

Schaufenster in Rodenkirchen

Schaufenster in Rodenkirchen

Was für viele ein No-Go ist, ist für ihn Handwerk, Leidenschaft und vor allem Nachhaltigkeit. Der letzte Rodenkirchener Kürschner ist Pelz-Enthusiast, hat auch gute Ideen und ein Händchen dafür, aus alten Nerzen, Luchsen und Persianern ein neues Produkt zu kreieren. Für seine Arbeit stirbt kein Tier, bei ihm bekommt Omas Pelzmantel ein zweites Leben, und die Chance, den feuchten Keller zu verlassen. Manche Kundin lässt dem Mantel einen moderneren Schnitt verpassen oder ihn zu einer wärmenden Decke verarbeiten. „Letztes Mal habe ich aus einer Pelz-Jacke, die ich vor Jahren als junger Kürschner genäht habe, eine große Handtasche gemacht. Das nenne ich nachhaltig.“

An eine Renaissance der Pelzbekleidung glaubt Vogt nicht, aber er beobachtet bei den Menschen wieder mehr Interesse an Pelzen. „Ich sehe kaum Winterjacken ohne Pelzkragen oder Pelzkapuze, aber leider sind die meisten aus Kunstfell. Schade, dass es da keinen gibt, der gegen diesen Sondermüll protestiert“, sagt Vogt. Eine dritte Generation „Pelzmoden Vogt“ wird es in Rodenkirchen nicht geben. Seine beiden Töchter wollen den Familienbetrieb nicht übernehmen. Aktuell gibt es in Köln noch vier familiengeführte Pelzgeschäfte, Adrian, Thiemeyer – beide in der Innenstadt – Voigt in Weiden und noch Vogt in Rodenkirchen.