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„Seit 45 Jahren mein Zuhause“Wachsfabrik in Sürth – Künstlerviertel mit Geschichte feiert 45-jähriges Jubiläum

Lesezeit 3 Minuten
Der Künstler Josta Stapper lebt und arbeitet seit 45 Jahren in der Wachsfabrik. Künstlerin Jeannette de Payrebrunne ist die Sprecherin der GBR.

Der Künstler Josta Stapper lebt und arbeitet seit 45 Jahren in der Wachsfabrik. Künstlerin Jeannette de Payrebrunne ist die Sprecherin der GBR.

Aus der ehemalige Kerzen- und Wachsfabrik wurde ein Künstlerquartier – die Kunstsonntage machten das Gelände und seine Bewohner über die Grenzen Kölns bekannt.

1979 entdeckte der Maler und Kunsterzieher Michael Te Reh die teilweise leerstehende Kerzenfabrik in Sürth und hatte die Idee, die alten Produktionshallen Kunstschaffenden als Atelierräume zur Verfügung zu stellen. Nach und nach zogen die ersten acht Bewohner in die alten Mauern der Wachsfabrik und bauten auf eigene Initiative die Hallen zu Wohnungen und Ateliers um.

Diese Gebäude sind Reste der alten Kerzenfabrik - sie bilden heute das Zentrum des Künstlerquartiers.

Diese Gebäude sind Reste der alten Kerzenfabrik - sie bilden heute das Zentrum des Künstlerquartiers.

„Bevor ich hier einzog, haben wir mit Kreide auf dem Boden der Produktionshallen das Terrain abgesteckt und dann Wände gemauert. Ich habe mir damals 75 Quadratmeter gegönnt, für 1,50 DM pro Quadratmeter“, erinnert sich Josta Stapper, einer der ersten Bewohner der Wachsfabrik.

Jeder hat sein eigenes Reich in der Wachsfabrik

Der 83-jährige Maler, Grafiker und Cartoon-Zeichner lebt und arbeitet noch heute in der Wachsfabrik und fühlt sich sichtlich wohl. „Wir sind keine Kommune, jeder hat sein eigenes Reich, aber wir sind eine gute Gemeinschaft. Die Wachsfabrik ist mein Zuhause, es ist mein Dorf. In Sürth, dem anderen Dorf, gehe ich einkaufen, in die Apotheke oder zum Arzt“, so der „Ureinwohner“, der in den 70-er Jahren durch seine fotorealistischen Bilder bekannt wurde.

Neben Josta Stapper ist auch Cafébetreiber Peter Bahr eine Institution in der Wachsfabrik. Schon 1981 hat er bei Ausstellungen das Catering gemacht. Dann wünschten sich die Bewohner ein Kommunikationszentrum, daraus wurde nach und nach ein öffentliches Café. „Zunächst waren wir unter uns – eine herrliche Zeit. Dann sprach es sich herum – das Café war schnell überfüllt. Mir fehlten Kuchen, Getränke und das Personal, da ich habe die Reißleine gezogen und am Wochenende einfach geschlossen“, erzählt der Cafébesitzer, den alle nur unter seinem Spitznamen Ringo kennen.

Im Café gibts nur kalten Hund, Ringos Lieblingskuchen

Der heute 80-Jährige trauert den alten Zeiten nach, als das Gelände noch unbekannt, verschnarcht und gemütlich war. Trotzdem freut er sich über Kunden, aber „es gibt nur kalten Hund, meinen Lieblingskuchen.“

Ringo betreibt seit 43 Jahren das Künstlercafé auf dem Gelände der Wachsfabrik und träumt von den alten Zeiten, als es hier noch beschaulich war.

Ringo betreibt seit 43 Jahren das Künstlercafé auf dem Gelände der Wachsfabrik und träumt von den alten Zeiten, als es hier noch beschaulich war.

In den letzten 45 Jahren sind aus ursprünglich acht Ateliers 25 geworden. Maler, Bildhauer, Schmuck-Designer, Fotografen, alle Bereiche sind vertreten. Das Künstlerdorf hat auch turbulente Zeiten erlebt. So hatte der Eigentümer des Geländes den Kunstschaffenden 2019 fristlos gekündigt, um das Gelände gewinnbringender zu nutzen.

„Wir haben drei Jahre lang mit dem Eigentümer verhandelt und gestritten, auch vor Gericht. Nun ist der Streit beigelegt, es kam zu einem Vergleich, wir haben eine fette Mieterhöhung bekommen und leben jetzt in Frieden“, sagt Jeannette de Payrebrune, selbst Künstlerin und Sprecherin der Künstler GBR.

Neben dem Kulturzentrum gibt es auf dem Gelände der alten Kerzenfabrik noch andere Mieter: ein Kindergarten, eine Tanzperformance und eine Event-Agentur. „Wir leben und arbeiten alle friedlich nebeneinander, aber nicht unbedingt miteinander. Die Designermärkte mit Eintritt, die es seit einiger Zeit gibt, die gehören nicht zu uns. Sie sind für uns Künstler auch kein Türöffner, denn wir fokussieren uns auf ein überschaubares kunstinteressiertes Publikum. Deshalb haben wir unsere Kunstsonntage bewusst von den Märkten getrennt“, so Jeannette de Payrebrune, die in der Wachsfabrik wohnt und arbeitet.

Am 6. Oktober wird der 45. Geburtstag gefeiert. Um 13 Uhr gibt es eine Führung, eine Sonderausstellung mit Werken von Josta Stapper. Die Ateliers sind ebenso wie das Café von Ringo von 13 bi 18 Uhr geöffnet.

www.kunstzentrum-wachsfabrik.de