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VeedelsspaziergangMit dem Museumsdirektor durch Köln-Marienburg

Lesezeit 6 Minuten

Selbst bei Nieselregen: Yilmaz Dziewior auf dem Heimweg von der Arbeit.

Marienburg – Am liebsten wäre Yilmaz Dziewior in die Nähe des Doms gezogen, also dorthin, wo er arbeitet. Das ist nicht für jeden die Idealvorstellung, die tägliche freie Aussicht aufs Büro, aber den Direktor des Kölner „Museum Ludwig“ hätte dies offenbar nicht abgeschreckt.

Stattdessen wurde es dann aber Marienburg, ein Kompromiss, wegen der Nähe zu Bonn, seiner Geburtsstadt, was wiederum den Vorteil hat, dass Dziewior am Rhein entlang zur Arbeit fahren kann. Auf dem Rad zwar, aber irgendwie wird er dabei wohl auch von der Strömung getragen.

Jedenfalls hat sich Dziewior den Elan, mit dem er seine Stelle vor gut anderthalb Jahren antrat, weiterhin bewahrt.

Es war eine Rückkehr zu den Anfängen. Dziewior hatte schon von 1996 bis 1999 im „Museum Ludwig“ gearbeitet, als Assistent des damaligen Direktors Marc Scheps, einige Ausstellungen mit kuratiert und die überquellenden Bestände der Museumssammlung gesichtet und geordnet.

Danach ging er für sieben Jahre nach Hamburg, um den Kunstverein zu leiten, und von dort ans Kunsthaus Bregenz an den Bodensee. Immer nah am Wasser also, was aber Zufall ist. „Ich schwimme gern“, sagt Dziewior, aber eher nicht im Rhein.

Keine Verständigungsprobleme

Auf dem Heimweg wird Dziewior dem Fluss manchmal vorzeitig untreu. Dann biegt er am Hochwasserpumpwerk erst in die Schönhauser Straße ein und radelt dann über die Goltsteinstraße durch Bayenthal.

Die erste Station des Umwegs ist meist die Eisdiele „Il Gelato di Ferigo“, wo schon mal Birne mit Petersilie und Chili mit Schokolade gemischt werden und der experimentierfreudige Inhaber stolz darauf verweist, dass er sich an mehr als 600 Geschmacksrichtungen versucht hat.

Joghurt mit Tiramisu bei „Il Gelato di Ferigo“.

Selbstredend ist davon nicht jede immer vorrätig, weshalb Dziewior auf Mocca zum Joghurt-Eis verzichten muss und sich stattdessen mit Tiramisu tröstet.

„In meiner Kindheit“, erzählt er, „gab es in Bonn die Eisdiele Lazzarin, die war in meinem Stadtteil so bekannt, dass sie für alle Eisdielen stand – so wie Tempo für Taschentücher.“ Allerdings hätten ihn Ortsfremde dann oft nicht verstanden, wenn er sagte: Komm, wir gehen zum Eislazzarin.

Ansonsten gibt es für den Rheinländer Dziewior keine Verständigungsprobleme – es sei denn, man spricht den Sohn eines türkischen Vaters und einer Mutter mit polnischen Vorfahren auf Türkisch oder Polnisch an. Da muss Dziewior nämlich passen, was aber in den Kunstszene, wo Englisch das Esperanto ist, nicht wirklich stört.

Auch in der Sprache der Architektur kennt sich Dziewior aus: Seine Doktorarbeit schrieb er über „Glas als raumdefinierendes Element im Werk von Mies van der Rohe“, einem der Säulenheiligen der modernen Baukunst. Deswegen ist ihm auch die Baustelle in der Cäsarstraße nicht entgangen, wo gerade ein vom Basler Architekten Manuel Herz entworfenes „skulpturales“ Wohnhaus entsteht.

Architektonischer Blickfang in Bayenthal.

„Auf der Architekturbiennale von Venedig hat Herz den Pavillon der West-Sahara entworfen, über nomadisches Leben, das war super-interessant.“ Hier in Bayenthal geht es allerdings mehr ums Sesshaft-Werden für Wohlhabende: „Ich habe mal geguckt, ob man das Freunden guten Gewissens empfehlen kann, aber die Preise sind horrend.“

In Deutschland ist Herz vor allem für die schiefen Winkel seiner Mainzer Synagoge bekannt; in der Goltsteinstraße steht von ihm bereits ein Wohnhaus, das verwegen mit den deutschen Bauvorschriften spielt.

Auf dem Heimweg geht es weiter bei Dziewiors Stamm-Reinigung Saputo vorbei. Er hat zwar gerade nichts zum Abholen, aber für die Kamera tut er gerne so, und die freundliche Bedienung hat auch nichts dagegen. Also wird ein fremdes Hemd über die Theke gereicht – „aber nicht das blaue“, das ganz vorne hängt und vor Dziewiors Augen keine Gnade findet.

Schräg gegenüber bei der Buchhandlung Goltsteinstraße greift sich Dziewior zielsicher ein Buch über den Kunstsammler, Mäzen und Schriftsteller Harry Graf Kessler als Foto-Accessoire und kauft es dann gleich auch: „Das ist näher als Amazon.“

Auf den neuen Roman von Christian Kracht wartet er schon händeringend – als Erscheinungstermin für „Die Toten“ spuckt der Buchhandlungs-Computer den 9. September aus. Ansonsten liest Dziewior gern Helene Hegemann und Rainald Goetz, außerdem wird er demnächst via Museum Ludwig mit der lit.Cologne kooperieren. Passend dazu kommt Rainer Osnowski vom Kölner Literaturfestival vorbeigeradelt.

„Die waren bisher alle nett“, leitet Dziewior zum nächsten Halt über: „Jetzt kommt das Kontrastprogramm.“

Das Restaurant „L’Imprimerie“, in einer ehemaligen Druckerei untergebracht, ist ja geradezu legendär für den gelegentlich etwas ruppigen Umgang mit seinen Gästen, wobei Dziewior die Legende nicht aus eigener Erfahrung bestätigen kann.

„Hier gibt es sehr gute französische Landküche, auf der Terrasse fühlt man sich ein bisschen wie in Südfrankreich.“ Wir müssen es ihm glauben, denn bei unserem Besuch ist wegen Urlaubs noch geschlossen. Meist isst Dziewior ohnehin in der Innenstadt zu Mittag, „außer, wenn ich mal zu Hause arbeite“.

Dann darf es auch Höhns Biergarten an der Bonner Straße/Ecke Gürtel sein, im feinen Marienburg bekannt für deftig-feine Küche und gutes Catering. Yilmaz Dziewior empfiehlt Lachs mit Reibekuchen.

Treffpunkt am Sonntagmorgen: Kiosk am Südpark.

Nach einem Schlenker zum Rhein und einer Stippvisite bei einer vergessenen, aber noch funktionstüchtigen gelben Telefonzelle überqueren wir die Stadtteilgrenze und kommen nach Marienburg. Wie geschrieben, nicht Dziewiors erste Wahl, aber schön ruhig: „Hier kann man komplett abschalten“, sagt er, allerdings wohl doch nicht so ganz, denn: „Hier wohnen alle meine Unterstützer.“

Gemeint sind die zahlreichen Sammler und Kunstliebhaber, die das Museum Ludwig mit Schenkungen oder in den Museumsvereinen und Freundeskreisen fördern. „Das Tolle an den Kölner Sammlern ist ihre Seriosität. Es geht ihnen wirklich um Kunst und weniger um Spekulation. Obwohl die sich auch freuen, wenn etwas, was ihnen gehört, im Preis steigt.“

Treffpunkt der Sammler

Vielleicht haben die tollen Kölner Sammler Dziewior auch ein wenig über die anstrengenden Seiten seines neuen Jobs hinweggeholfen, etwa über die „schreckliche Verwaltungsarbeit“: „Vieles geht langsamer als gedacht“, so Dziewior, „vieles ist komplizierter als es sein müsste. Gelegentlich muss man Köln mit Humor nehmen.“

Aber für Ablenkung ist reichlich gesorgt: Ende August huldigt das Museum Ludwig dem tollsten Sammler von allen, nämlich seinem Namenspatron Peter Ludwig, mit einer großen Jubiläumsausstellung.

Die Idee, das Museum umzubenennen und Ludwig mit Josef Haubrich einen zweiten großen Kölner Stifter an die Seite zu stellen, findet Dziewior übrigens nicht so toll. „Das Ludwig ist das Ludwig, gerade bei den Jüngeren und auch im Ausland.“ Und ein zugkräftiges Markenzeichen ändert man nicht ohne Not.

Am Marienburger Südpark angekommen, führt uns Yilmaz Dziewior zum Kiosk an der Busendhaltestelle. Hier holt er seine Sonntagsbrötchen („die sind richtig gut“) und vielleicht kommt er dabei ja auch mal zufällig mit dem einen oder anderen Sammler ins Gespräch.

Marienburg, das ist das Glück der kurzen Wege. Und den Dom sieht Yilmaz Dziewior ja bei der Arbeit oft genug.