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Rolf Mützenich über Revolution 1848/49„Es sind Meilensteine von Köln ausgegangen“

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Rolf Mützenich (Vorsitzender SPD Bundestagsfraktion) auf der Bühne

Rolf Mützenich (Vorsitzender SPD Bundestagsfraktion) auf der Bühne

In Köln wird es dieses Jahr mehrere Veranstaltungen zu den politischen Umwälzungen vor 175 Jahren geben. Bei der Auftaktveranstaltung trat unter anderem Rolf Mützenich auf.

Am Tag nach Weiberfastnacht 1848 wird es aus einem nicht-karnevalistischen Grund unruhig auf den Kölner Straßen. Mehrere tausend Menschen ziehen an jenem 3. März, angeführt von Armenarzt Andreas Gottschalk, von der Südstadt zum Rathaus, um dort politische Reformen zu fordern. Die Zeiten sind hart für Arbeiter, die Arbeitslosigkeit hoch, die Löhne dagegen niedrig. Der Wohlstand ist ungleich verteilt, der moderne Kapitalismus steckt in seinen Kinderschuhen.

Die bis zu 5000 Handwerker und Arbeiter, die Andreas Gottschalk folgen, protestieren für ein allgemeines Wahlrecht, Presse- und Versammlungsfreiheit, den Schutz der Arbeit und die „Sicherstellung der menschlichen Lebensbedürfnisse für alle“, aber auch die „vollständige Erziehung aller Kinder auf öffentliche Kosten“. Die ganz Europa erfassenden Revolutionsjahre 1848/49 haben auch in Köln begonnen. Doch die Dinge entwickeln sich am 3. März 1848 anders als geplant: Als ein Teil der Menge vor dem aufziehenden Militär Zuflucht im Rathaus sucht, springen zwei Ratsherren in Panik aus dem Fenster, einer von ihnen bricht sich beide Beine. Gottschalk wird kurze Zeit später verhaftet.

Erstmals wurde 1848 Demokratie unmittelbar erfahrbar
Historiker Jürgen Herres

In Köln, das damals noch vor Berlin den Startschuss für die Revolutionen in Preußen gab, wird es in diesem Jahr mehrere Veranstaltungen zu den politischen Vorgängen vor 175 Jahren geben. Den Auftakt bildete eine Matinee in der Volksbühne am Rudolfplatz, ausgerichtet von der SPD Mittelrhein. Auch wenn Gottschalks Appell erfolglos geblieben sei und die Kölner Öffentlichkeit entsetzt auf die Arbeiterproteste reagiert habe: „Erstmals meldeten sich Arbeiter- und Handwerker selbst zu Wort“, so Historiker Jürgen Herres in seinem Vortrag: „Erstmals wurde 1848 Demokratie unmittelbar erfahrbar.“

Auch Frauen spielten bei den Protesten eine Rolle. Historikerin Irene Franken erinnerte an Mathilde Franziska Anneke, die 1847 nach Köln zog, emanzipatorische Frauen und Kommunisten um sich versammelte und sich unter anderen in eigens gegründeten Zeitungen für Frauenrechte einsetzte. Ihr Mann Fritz war im April 1848 Mitbegründer des schnell anwachsenden Kölner Arbeitervereins. Erster Präsident war Andreas Gottschalk, später ein gewisser Karl Marx, in Köln damals Herausgeber der „Neuen Rheinischen Zeitung“.

Köln war Brenn- und Ausgangspunkt für Vieles, was gelang, was aber auch nicht gelingen konnte, aufgrund der Umstände
Rolf Mützenich, Vorsitzender der SPD-Bundestagsfraktion

„Köln war Brenn- und Ausgangspunkt für Vieles, was gelang, was aber auch nicht gelingen konnte, aufgrund der Umstände“, so Rolf Mützenich, Vorsitzender der SPD-Bundestagsfraktion aus Köln: „Es sind Meilensteine von Köln ausgegangen.“ Seine Schlussfolgerung aus der (damals gescheiterten) Revolution von 1848/49 für die Gegenwart: „Politische Freiheiten und Gerechtigkeit kommen nicht von irgendwo her, sondern müssen erstritten werden.“ Es gelte, soziale Rechte zu stärken: „Zeitenwende ist ein viel zu wertvoller Begriff, als dass wir ihn nur dem Begriff des Militärischen unterordnen.“

Aufgelockert wurde der von Judith Schulte-Loh moderierte Vormittag unter anderem von musikalischen Vorträgen von Rolly Brings und der Folk-Band „Die Grenzgänger“. Im Kölnischen Stadtmuseum an der Minoritenstraße 13 sind zwischen dem 17. März und 29. April kostenlose Konzerte, Partys und Liederabende zur Revolution von 1848 geplant. www.koelnisches-stadtmuseum.de