Rundgang mit Paul Bauwens-AdenauerStadt ohne Haltung

Blick auf die großen und kleinen Sünden: Paul Bauwens-Adenauer und eine vergessene Halterung an einem Lampenmast – direkt vor dem Weltkulturerbe Kölner Dom.
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Köln – Es klingt so harmlos: Er spaziere halt gerne und oft durch die Stadt, sagt Paul Bauwens-Adenauer, das mache ihm Spaß. Nun ist Müßiggang im Terminkalender des Chefs eines großen Bauunternehmens, der zudem auch noch Präsident der Industrie- und Handelskammer zu Köln ist, kaum vorgesehen. Davon kann aber auch keine Rede sein: Kaum tritt er aus dem Bürohaus der Bauwens-Gruppe auf der Gereonstraße, richtet er den Blick auf zwei Welten: Die Realität der gebauten Stadt, die er mit scharfem Auge seziert. Darüber legt er wie eine Folie das Bild eines anderen, eines besseren Kölns.
Ein Plan, der bis ins Detail geht. „In 20 Jahren parkt hier kein Auto mehr auf dem Bürgersteig“, sagt Bauwens-Adenauer etwa gleich zu Beginn des Spaziergangs. Eine kühne Vision angesichts knappen Raums und hohen Parkdrucks in der Stadt? Mitnichten: „Dies ist eine Stadt für die Bürger. Und der Bürgersteig ist ein Begegnungsort für die Menschen.“ Denen müsse man eben auch Raum bieten. Wieder die Vision: „Alle Bürgersteige sind so breit, dass zwei Leute nebeneinander hergehen können.“
Köln ist nicht lässig, sondern nachlässig
Immerhin, ein paar Straßen in Köln können das, sagt der IHK-Präsident: Die Ehrenstraße etwa, oder die Pfeilstraße, „hier funktioniert das Nebeneinander der Verkehrsteilnehmer mit einer gewissen Lässigkeit. Diese Straßen ziehen das Auto nicht an, aber sie lassen es zu.“ Zudem sei das an diesen Stellen nicht verordnet, sondern natürlich gewachsen. Aber, und das ist ihm wichtig: „Das sind Ausnahmen.“ Normalerweise sei man in Köln eben nicht lässig, sondern nachlässig. „Wir müssten viel mehr Charme haben. Aber gekonnt“, sagt Bauwens-Adenauer. In dieser Kategorie liege man weit hinter anderen Metropolen. „Städte wie Hamburg, Berlin, Düsseldorf oder München haben eine Haltung. Köln muss das erst noch lernen.“
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Wie groß der Nachholbedarf ist, demonstriert der IHK-Präsident wenige Ecken weiter. Auf dem Weg dorthin sind es nur kleine Details, die seinen Zorn hervorrufen. Die Aufkleber, die jeden Mast zieren. Vergessene Schilder an Laternen. Papierkörbe, die schief hängen, Blumenkübel aus Waschbeton aus den 70er Jahren – das alles auf wenigen Metern Köln. Dann ist die Komödienstraße erreicht, zentrale Achse im engsten Innenstadtbereich, in Rufweite des Weltkulturerbes Kölner Dom. Für Bauwens-Adenauer ein fast unerträgliches Bild: Die Häuser aus billigem Nachkriegs-Wiederaufbau, darin Souvenirläden, Wechselstuben und Schnellimbisse – „so sehen das Millionen Touristen.“ Eigentlich aber müsse man diesen Ort meiden, „sonst wird man krank“.
Köln ist Vieles egal
Langsam rollt von rechts die Touristen-Bimmelbahn ins Bild. Bauwens-Adenauer rollt mit den Augen angesichts dieses ästhetischen Zumutung auf Rädern. „Man merkt der Stadt an, dass vieles egal ist.“ Gibt es denn überhaupt probate Gegenmittel? Ja, sagt der IHK-Präsident, die Mittel seien doch sämtlich vorhanden, sie müssten nur konsequent angewendet werden: Bebauungspläne, Satzungen, Vorgaben. Dazu ein paar klare Grundsätze: „Man müsste die Touristenströme besser steuern. Und gerade hier am Dom müssen gezielt hochwertige Geschäfte angesiedelt werden.“
Überhaupt, der Dom. „Was jetzt hier gemacht wird mit der Umgestaltung der Domumgebung, das ist ja richtig. Aber es ist viel zu wenig.“ Früher hätten Domhotel und Hotel Excelsior an einem echten Platz gelegen. Heute steht hier die Domplatte. „Das ist kein Platz mehr, das ist eine Katastrophe.“ Eigentlich, sagt Bauwens-Adenauer, müsse die Domplatte weg. Genau wie das Durcheinander zu Füßen des Doms: Die Kreuzblumen-Replik, die Heerscharen an Pollern, die den schönen Taubenbrunnen von Ewald Mataré bedrängen – „das ist ein Missverhältnis.“
Klar, das alles koste Geld, viel Geld. „Aber wer eine Stadt plant, der darf nicht über Geld reden.“ Gehe es um das gebaute Bild der Stadt, habe er nichts gegen Schulden. Doch das aktuelle Bild Kölns sei eben ein anderes. Und das färbt ab, meint der IHK-Präsident – etwa an der Baustelle des Domhotels in direktester Nachbarschaft der Kathedrale. Das Haus ist im Umbau. Doch von einer Idee, die Arbeiten dezent zu verbergen, um den Eindruck des Platzes nicht zu beschädigen, ist wenig zu spüren. „Außerdem braucht das Domhotel sein Dach“ – in der Diskussion um die Wiederherstellung der einstigen Dachlandschaft hat Bauwens-Adenauer eine klare Meinung. Doch immer sei die Stadt Vorbild für private Bauherrn: „Wenn die Stadt anfängt mit öffentlicher Qualität, kommt private Qualität hinterher.“
Paul Bauwens-Adenauer (60), Enkel des ersten Bundeskanzlers, ist Geschäftsführender Gesellschafter der Bauwens-Gruppe und seit 2005 Präsident der Industrie- und Handelskammer Köln. Außerdem ist er Vizepräsident des Deutschen Industrie- und Handelskammertages. Bauwens-Adenauer ist 1953 in Köln geboren, er hat drei Kinder.
Der gelernte Architekt ist der Initiator des Masterplans für Köln, der vom Frankfurter Städteplaner Albert Speer entwickelt wurde. 2008 wurde das Werk, das der Verein „Unternehmer für die Region Köln“ unter Vorsitz von Paul Bauwens-Adenauer finanziert hatte, an die Stadt übergeben. Es gilt seitdem als Richtschnur für die Innenstadt-Planungen. (chh)
Stadtspaziergänge sind Gänge durch die Stadt mit Experten, mit Spezialisten, mit Kennern. Mit Menschen, die einen wachen und kritischen Blick auf ihr Thema haben. Jede Folge dreht sich um eine andere Thematik, etwa um Städtebau und Architektur, Straßenverkehr, Tourismus oder um den öffentlichen Nahverkehr.
Eine Voraussetzung dafür wäre aber, dass es überhaupt eine Vorstellung gibt von Qualität. Davon merke er ebenfalls nicht viel. „Nehmen Sie den Breslauer Platz – ein Scheusal ohnegleichen.“ Der Hauptbahnhof selbst sei völlig überlastet. „Wir brauchen den Doppelbahnhof: Schnellzüge halten alle in Deutz, zum Hauptbahnhof geht es dann im Pendelzug.“
Heute geht es zu Fuß weiter in Richtung Altstadt. Auch hier registriert der professionelle Beobachter Bauwens-Adenauer immer wieder Versäumnisse und kleinere wie größere Sünden. Den Laurenzplatz etwa, knapp hinter dem Rathaus mit dem willkürlich platzierten Denkmal des einstigen Kardinals: „Frings mit alten Bänken.“ Man habe wohl noch ein paar Parkbänke im städtischen Fundus gehabt, vermutet der IHK-Präsident angesichts des wenig inspirierten Plätzchens.
Architektonisches Grauen
Auch der Blick auf den Boden stimmt ihn selten froh. „Dieses Pflaster, es ist überall nur Stückwerk.“ Bald jede Straße habe ihre eigenen Platten, ihre eigenen Formen und Farben. Auch vor dem Wallraf-Richartz-Museum von Ungers: „Alles ist immer krumm und schief.“ Hier soll demnächst das Jüdische Museum entstehen, doch zu vieles sei noch unklar: Ein „Sack voller offener Fragen“ belaste das Haus, „dennoch wird es durchgezogen.“ Und wenn er entscheiden könnte? „Man braucht hier eine herausragende Architektur. Gelingt das nicht, sollte man lieber nur die Mikwe wieder zugänglich machen und daneben einen archäologischen Park einrichten.“
Szenenwechsel. Der Alter Markt ist nach Jahren des U-Bahn-Baus endlich keine Baustelle mehr. Dafür ist ein Abgang zur Bahn entstanden, dessen Brüstungen leuchtend blau gestrichen sind. Zusammen mit dem Dauerprovisorium der Holzbude über dem östlichen Aufgang ein Bild des architektonischen Grauens. „Warum kann man in dieser Stadt eigentlich keinen Konsens herstellen in städtebaulichen Fragen?“ Noch nicht mal in Kleinigkeiten sei die Stadt mutig – etwa, wenn es darum geht, klare Ansagen für die Außengastronomie zu entwickeln. „Jeder Wirt nimmt doch seine Tische und Stühle daher, wo er sie gerade günstig bekommt.“ Und so sehe es dann eben auch aus, von Einheitlichkeit keine Spur.
Zum großen Nachbarplatz sind es nur wenige Schritte. Doch auch der Heumarkt kommt nicht gut weg beim Stadtspaziergänger. „Hier setzt sich doch kein Mensch freiwillig hin.“ In Brüssel oder Antwerpen wäre ein solcher Platz eine Attraktion ohnegleichen, ein Ort prallen Lebens.
Nicht so in Köln: „Es wirkt so billig hier alles“ – die Lokale, das Mobiliar, die Bodenbeläge. Schon ein kleiner Kniff könnte den Heumarkt erheblich aufwerten, glaubt Bauwens-Adenauer: „Warum stellen wir das Reiterdenkmal nicht in die Mitte des Platzes?“ Und die Eisbahn, die gerade aufgebaut wird? „Die kann drum herum geführt werden.“
Auf dem Weg zur Nord-Süd-Fahrt wird der IHK-Präsident grundsätzlich: „Die Stadt muss endlich anfangen, den öffentlichen Raum aufzuräumen und zu entrümpeln.“ Dann müssten Vorschriften her – immer mit dem Fokus auf einheitliche, hochwertige Gestaltung, auf Qualität. Schließlich brauche es eine Neuorganisation der Führung im Baudezernat: „Wir brauchen einen Stadtbaumeister, der wirklich durch die Stadt läuft und sich die Dinge ansieht.
Und daneben einen Manager, der die Sachen dann umsetzt.“ Eine Person alleine sei mit dieser Mammutaufgabe überfordert. „Schließlich gibt es fast an jeder Ecke etwas zu ändern“, sagt Bauwens-Adenauer und zeigt auf einen Wald aus festen und temporären Hinweisschildern. „Solche Ensembles finden sich in der ganzen Stadt.“ Wo sei denn eigentlich die Task Force zum öffentlichen Raum, die der Oberbürgermeister schon lange versprochen habe?
Nord-Süd-Fahrt, Offenbachplatz: Die nächste Großbaustelle ist erreicht. Dass die Hauptverkehrsader unter der Erde verschwindet, fordert der IHK-Präsident seit langem. „So lange hier ein Loch ist, bekommen wir in das gesamte Umfeld der Oper keine Struktur.“ Aktuell erbost ihn eine aufwendig gesicherte Wand am Rand der Baustelle, der letzte Rest des einstigen Opernrestaurants. „Wegen dieser Bimswand stellt man das Haus unter Denkmalschutz.“
Weiter geht es, doch der Stadtspaziergänger wird auch am Ende der Runde nicht allzu versöhnlich. Die Gestaltung der Breite Straße: „Auch hier ist wieder alles billig. Die Böden sind Schrott, das ganze Umfeld ist in Auflösung.“ Ein Bild, das für die ganze Stadt steht? „Wenn es um die Gestaltung Kölns geht, weiß die Stadt nicht, was sie will. Es gibt keine Linie und keine Haltung. Deswegen setzen sich immer Einzelströmungen durch. Und deswegen sieht Köln so aus, wie es aussieht.“