Sänger Bosse im Interview„In den letzten Jahren bin ich echt oft wütend geworden“
- Sänger Bosse hat vor kurzem sein Album „Alles ist jetzt“ veröffentlicht und kommt nun im März 2019 für gleich zwei Konzerte nach Köln
- Zudem spricht er im Interview über seine politische Einstellung und das, was ihn in den letzten Jahren richtig wütend gemacht hat.
Köln – Herr Bosse, erst einmal herzlichen Glückwunsch. Vor kurzem ist Ihr Album „Alles ist jetzt“ veröffentlicht worden und direkt auf Platz eins der Albumcharts gestiegen. Wie und mit wem haben Sie gefeiert?
Ganz ehrlich: Als die Nachricht kam, war es eher trist, weil ich irgendwo bei Frankfurt auf der Autobahn im Stau stand und alleine im Auto war. Da habe ich einmal kurz laut geschrien, mich gefreut und dann die Leute angerufen, oder mich anrufen lassen, die die ganze Zeit alles dafür geben, dass es so weitergeht. Wie etwa meinen Gitarristen, mit dem ich seit 16 Jahren zusammen auf der Bühne rumhänge. Wir freuen uns dann zusammen wie kleine Jungs.
Zwölf neue Lieder, in denen es um Musik und Liebe, um Wandern und Ankommen, um Umwege, die man feiern sollte, und um das Tanzen mit Hüftschwung geht. Wie viel lernt man durch die Texte über Sie persönlich?
Naja, in meinem neuen Album geht es für mich sehr um Genuss, um den Moment, ums Ruhefinden und um Haltung. Eben um das, was mir in den letzten zweieinhalb Jahren durch den Kopf gegangen ist. Ob das bei einem Song wie „Indianer“ jetzt wirklich so ist, dass ich ein seltsames Verhältnis zu meinem Bruder habe, kann ich schon mal ausschließen. Ich erzähle immer eine Mischung aus Geschichten, die mich berühren, und natürlich auch eine Menge von mir. Den Rest müssen die Leute für sich klarmachen. Aber ich finde, dass Musik auch anders funktioniert. Selten werden die Protagonistin oder der Protagonist in den Songs gesehen, die Leute sehen eigentlich immer sich selber. Wenn ich einen Song über Probleme in der Familie schreibe, dann schreiben mir die Leute ganz viel über ihre Familien, aber nur super selten „Aki, es tut mir echt leid mit deiner Kindheit“.
Vor vier Jahren haben Sie sich erstmals öffentlich auf einer Großveranstaltung politisch geäußert – mit einem Mittelfinger gegen Nazis. Nun zeigen Sie im Album bewusst Haltung, singen im Lied „Robert de Niro“ etwa über „Nazischeiß, die aller schlimmste, unmenschlichste Wut“. In der heutigen Zeit ein Muss für Künstler?
Für mich war es auf jeden Fall ein Muss, wirklich eine körperliche Reaktion. Ich bin schon seitdem ich ziemlich jung bin ein politischer Mensch, habe durch Konzertaktionen mit meiner Band Sachen unterstützt, Kohle gesammelt oder Patenschaften für Flüchtlinge übernommen. Das kostet mich nicht viel, außer Überzeugung und eine gute Idee. Aber dass jetzt mal musikalische auf den Punkt zu bringen, war für mich echt ein Schritt. Ich habe das eigentlich schon seit Jahren probiert. Seit vier Alben versuche ich, einen politischen Song zu schreiben und den habe ich auch schon oft geschrieben, aber der ist nie aufs Album gekommen, weil ich ihn einfach nicht gut genug fand. Zu parolig, nicht mehr mit mir vereinbar.
Zur Person
Bosse heißt mit bürgerlichem Namen Axel „Aki“ Bosse und wurde unter anderem mit seinem Lied „So oder so“, mit dem er 2013 den Bundesvision Song Contest gewann, bekannt. Mittlerweile hat der 38-jährige Sänger, der mit seiner Frau, Schauspielerin Ayşe Bosse, und der gemeinsamen Tochter in Hamburg lebt, sein siebtes Album „Alles ist jetzt“ veröffentlicht.
Im Rahmen seiner aktuellen Tour macht Bosse gleich zweimal in Köln Halt: Am 29. und 30. März 2019 steht er im Palladium auf der Bühne. Karten sind ab 45 Euro im Vorverkauf erhältlich. (kle)
Aber mit „Robert de Niro“ hat es gepasst?
Ja, ich musste es jetzt einfach äußern, es klarstellen und wenigstens versuchen zu beschreiben, wie es sich anfühlt, wenn es gerade so einen Rechtsruck gibt, Leute plötzlich laut sind und sich verbale Grenzen verschieben. Mir ist in den letzten drei bis vier Jahren so oft die Kotze im Hals stecken geblieben, dass ich echt wütend geworden bin.
Derzeit reisen Sie durch Deutschland, spielen größtenteils in ausverkauften Locations. Wie findet das die Familie, wenn der Mann beziehungsweise Papa weg ist?
Naja, auf Deutsch zu singen bedeutet Konzerte in Österreich, der Schweiz, Deutschland, hier und da mal in Amsterdam, Belgien und Luxemburg zu spielen – das ist manchmal ganz schön wenig. Wenn ich Freunde von mir wie etwa Agnes Obel sehe, die gerade durch Nordamerika getourt ist und mir erzählt, wie toll es wieder in New York war – ich fahre eben nach Cottbus. (lacht) Aber das hat auch Vorteile, man verliert seine Leute nicht. Wenn man sich vermisst, dann kommt man einfach vorbeigefahren. Es ist ja alles schnell zu erreichen. Wobei sich meine Familie auch freut, wenn ich mal nicht da bin.
In Köln gibt es Ende März gleich zwei Konzerte. Auf was können sich die Zuschauer neben dem Hüftschwung freuen?
Wir haben uns dieses Mal zum Beispiel einige Gedanken um die Bühne gemacht, wir basteln gerade schon mega viel. Denn auch wenn die Location groß ist, ist vieles noch handgemacht. Wir sind auf jeden Fall eine ganz lustige Truppe und ich glaube, die Leute merken, dass wir einfach Bock haben. Das sind immer Abende, an denen extrem viel geschrien, gesungen und getanzt wird. Manchmal auch geheult. Und wir haben das Palladium in der Vergangenheit schon mal ziemlich abgerissen. Deswegen freue ich mich gerade darauf. Und der Grund, warum wir den Abschluss der Tour in Köln spielen? Weil es beim letzten Mal ganz schön geil war.