„Die Wiedergutmacher“-SerieDarum ist Ingo Keller der einzige Schuhgott von Köln
Köln – Wiedergutmacher ist im Fall dieses Kölners keine vollkommen zutreffende Bezeichnung. Im Grunde müsste man bei Ingo Keller von einem Bessermacher sprechen. Man könnte ihn auch einen „Schuh-Tuner“, „Umstyler" oder „Aufpimper“ nennen, wenn er den alles umfassenden Titel nicht bereits besäße – und zwar als eingetragene Marke. Ingo Keller ist der Schuhgott.
Bei einer Person, die sich so nennt, unterstellt man fast automatisch ein aufgeblasenes Selbstbewusstsein. Aber damit täte man dem 53-Jährigen unrecht. Grinsend erzählt er von einer Begebenheit aus der Zeit, als er seine Werkstatt noch in Lindenthal betrieb und ihm ein Nachbar erzählte, wie draußen auf der Straße zwei junge Frauen ihre gerade reparierten Schuhe begutachteten und befanden: „Boah, der ist voll der Schuhgott!“ Keller schaute daraufhin ins Netz, stellte zu seiner Verblüffung fest, dass es zwar einen Fußballgott aber noch keinen für Fußbekleidung gab und sicherte sich als erstes die Website. Wer jedoch meint, in ihm jemand gefunden zu haben, der jeden kaputten, alten Latschen in ein Schmuckstück verwandelt, irrt. Das hat der einstige Junge aus Kalk so lange, bis er feststellte: „Auf Dauer kann einen die reine Flickschusterei nicht befriedigen.“
Weg von Sneakern, hin zu Boots als Symbol einer Lebensart
Glücklicherweise zeichnete sich dann immer deutlicher ein neuer Trend ab: Eine wachsende Zahl von Menschen – Frauen wie Männer – hatte keine Lust mehr, in mehr oder weniger austauschbaren Sneakern herumzulaufen und Raubkatzen-Embleme oder Streifen-Logos zur Schau zu tragen. Und plötzlich wurde der halbhohe Leder-Schnürstiefel, den es im Grunde schon ewig gibt, zum Symbol einer Lebenseinstellung.
Seine Kunden seien Leute, die keine zwei Liter Plörre am Tag in sich reinschütten, „sondern Wert auf guten Kaffee oder guten Wein“ legten. Das sei zwar auch eine Frage des Geldes, aber vor allem Ausdruck einer Haltung: Weniger ist mehr. Für den 53-Jährigen, der sich in Rekordzeit durch seine Ausbildung gefuchst hatte und bereits mit 24 Jahren einen Meisterbrief besaß, ein Glücksfall. Denn mit der Fokussierung auf eben diese Boots, die optisch zwar schwer wirken aber dank innovativem Sohlenmaterial und handwerklichen Geschick als Leichtgewicht gearbeitet werden können, hatte er eine Marktlücke und neue Freude am Job gefunden.
Der individualisierte Stiefel
Weil ihn das ständige Im-Stau-Stehen auf der Fahrt von seinem Wohnort Refrath nach Lindenthal nervte und täglich Lebenszeit kostete, verlegte er seine Werkstatt nach Holweide und verwandelte die dortige Hinterhof-Halle in eine richtig coole Location, wo seine Kundschaft Leder befühlen kann und Schuhe zu sehen bekommt, die es kein zweites Mal gibt.
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Keller, der die Werkstatt inzwischen mit seinem 23-jährigen Sohn Maximilian betreibt, fährt mit großer Lust zweigleisig. Zum einen stellt er seine eigenen Keller-Boots her, bei denen der Kunde etliche Details selber bestimmen kann. Sein Hauptgeschäft besteht jedoch darin, hochwertige Boots wie die der US-amerikanischen Traditionsfirma Red Wings oder auch Stiefel von Chippewa, Viberg, Wesco oder Wolverine zu reparieren und vor allem zu individualisieren.
Nur Autos laufen noch auf eintönig schwarzem Gummi
Dies geschieht etwa durch den Einbau auffallend farbiger Sohlen bzw. Zwischensohlen sowie durch den Austausch von Ösen oder anderen vermeintlichen Kleinigkeiten, die optisch allerdings stark ins Gewicht fallen. Wer möchte, bekommt eine Camouflage-Sohle, ein FC-Logo in den Absatz oder ein Etui fürs Schweizer Messer an den Schaft genäht. In Sachen Kreativität gibt es bei Keller nahezu kein Limit. Derweil die Autoindustrie hierzulande noch immer Fahrzeuge mit eintönig grauen Reifen vom Band lässt, hat Keller schon vor Jahren so lange recherchiert, bis er in Bulgarien eine Firma fand, die ihn mit neongrünen oder orangefarbenen Gummisohlen beliefert oder welchen im Camouflage-Look.
Als junger Mann wurde er von Gleichaltrigen belächelt, weil er sich für ein „dreckiges Handwerk" entschied, das nicht gerade Reichtum versprach. Inzwischen bekommt er sogar Boots aus dem Ausland geschickt, die er nach Kundenwunsch aufpeppen soll. Wartezeit spiel keine Rolle. „Wir haben im richtigen Moment auf das richtige Pferd gesetzt!"