SemesterstartKölner Studenten in Wohnungsnot
Köln – Am Ende zahlen immer Studenten die Zeche. Weil der Mietmarkt in Köln seit Jahren angespannt ist, haben wenig zahlungskräftige Mieter schlechte Chancen auf dem Wohnungsmarkt.
Kürzlich hat das Moses-Mendelssohn-Institut der Gesellschaft für Beteiligungen und Immobilienentwicklungen ermittelt, dass Köln, was das Mietniveau angeht, die drittteuerste Studentenstadt in Deutschland ist.
400 Euro müssen die angehenden Akademiker im Durchschnitt den Vermietern überweisen – zehn Prozent mehr als noch im Vorjahr. Dabei haben sie nach Angaben des Kölner Studierendenwerks durchschnittlich nur ein Budget von 850 Euro zur Verfügung.
Das Geschäft mit denm Studenten
Das Geschäft mit den Studenten boomt, das hat längst auch die Immobilienwirtschaft erkannt. An mehreren Stellen entstehen möblierte Studentenappartement-Häuser, in denen Zimmer bis zu 25 Euro pro Quadratmeter kosten.
Auch auf dem herkömmlichen Mietmarkt sind 20 Quadratmeter große Appartements oft nur zu Preisen ab 450 Euro zu haben. Kein Wunder, dass Studenten zu Alternativen greifen. So leben überraschend viele angehende Akademiker noch bei den Eltern.
Wer das nicht kann, hat Pech: Ein Erasmus-Student, der namentlich nicht genannt werden möchte, erzählt, dass er mit zwei Kommilitonen in einem engen Zimmer im Belgischen Viertel hause und dafür 760 Euro zahle. Eine anderer sagt, er könne sein Appartement nur bezahlen, weil er überwiegend Spaghetti mit Tomatensoße esse.
Viele Hochschüler nehmen lange Pendelzeiten in Kauf. Sie kommen aus Aachen, Wuppertal, Bochum oder aus anderen Bundesländern nach Köln.
Notschlafstelle eingerichtet
Beim Allgemeinen Studierendenausschuss (AStA) der Uni Köln ist man ratlos. Um den Studenten zu helfen, die zu Semesterbeginn noch keinen Schlafplatz haben, eröffnet der AStA in der Katholischen Hochschulgemeinde (KHG) an der Berrenrather Straße 177 erneut eine Notschlafstelle. Bis zu 20 Personen können dort derzeit unterkommen, sagt AStA-Sozialreferentin Jana Thomas.
Erstmals sei die Warteliste viel länger als die Zahl der Schlafplätze. „Wir fühlen uns wegen des Andrangs ohnmächtig.“ Nun verhandelt sie mit der KHG, damit ein zweiter Raum für die obdachlosen Studenten eingerichtet wird.
Ohnehin ist es nur ein Tropfen auf den heißen Stein, denn die Notschlafstellen können nur übergangsweise für zwei Wochen genutzt werden.
Beim Kölner Studierendenwerk ist das Problem seit Jahren bekannt. Die Einrichtung bietet 4844 Wohnheimplatze an, erhält aber pro Jahr 10.000 Anfragen.
„Köln hat eine der schlechtesten Quoten, was die Pro-Kopf-Versorgung von Studenten angeht“, sagt Leiter Jörg Schmitz. Eine Lösung des Problems ist nicht in Sicht. Will die Einrichtung neue Wohnheime bauen, ist sie auf günstige Grundstücke angewiesen, die die Stadt ihr offenbar nicht vermitteln kann.
Zumindest die Leiterin des Stadtplanungsamts, Anne Luise Müller, sagte jüngst in einer Diskussionsrunde, dass die raren Flächen auch für andere Bevölkerungsgruppen vorgehalten werden müssten. Und so werden Studenten wie Charlotte Gast wohl noch länger täglich mit dem Regionalexpress anreisen müssen, um zu ihrer Vorlesung zukommen.
Drei Stunden täglich in Bus und Bahn
Wenn Nadia Issifu (20) an der Kölner Uni ankommt, hat sie schon eine kleine Reise hinter sich. Die Erstsemester-Studentin, die an der Hochschule europäische Rechtslinguistik studiert, pendelt jeden Morgen aus Aachen nach Köln, weil sie hier bislang kein günstiges Zimmer finden konnte.
Anderthalb Stunden braucht sie von Walheim, einem Vorort von Aachen, nach Köln. Macht drei Stunden hin und zurück. Sie fährt mit einem Bummelbus nach Aachen, nimmt einen Regionalzug nach Ehrenfeld, und von dort aus die Buslinie 142 zur Uni.
„Oft hat der Bus oder die Bahn Verspätung“, sagt die Studentin. „Dann erreicht man die Anschlussverbindungen nicht und verpasst einen Teil der Vorlesung.“
In Köln würde sie gerne mit einer Freundin eine WG gründen, bis zu 900 Euro würden die beiden Studentinnen zahlen. Etwa 100 Bewerbungen für ein Appartement haben sie bislang geschrieben. Meist erhalten sie aber nicht einmal eine Antwort. Wenn doch, erklären Vermieter schon manchmal ganz frei, dass sie lieber keine Studenten im Haus haben möchten: Zu laut, zu wenig zahlungskräftig.
Sechs Wochen auf dem Sofa
Laura Chrispo (24) lebt seit sechs Wochen aus dem Rucksack. Sie wäre obdachlos in Köln, würden ihr nicht Freundinnen regelmäßig einen Schlafplatz auf ihrer Coach anbieten.
Vier Sofas hat Chrispo in dieser Zeit bereits getestet. Manchmal, wenn gar kein Schlafplatz organisiert werden kann, feiert die 24-jährige Biologie-Studentin einfach mal eine Nacht durch. Klingt lustig, ist es aber auf Dauer nicht.
Chrispo, die aus einem saarländischen Ort kommt, hatte zuvor eine Ausbildung zur medizinisch-technischen Assistentin an der Uniklinik begonnen und in einem Wohnheim des Krankenhauses gelebt. Nachdem sie die Lehre abgebrochen hatte, verlor sie ihren Wohnheimplatz – und stand auf der Straße.
Acht Wohnungen hat sie seitdem besichtigt – eine skurriler als die nächste. In Kalk wurde ihr ein Zimmer ohne WC angeboten. Um die Notdurft zu verrichten, hätte die Erstsemesterin eine benachbarte Buchbinderei und einen Hof durchqueren müssen, um auf die Toilette zu gelangen. In den Abendstunden, in denen die Buchbinderei geschlossen hat, hätte sie sich erst einen WC-Schlüssel organisieren müssen.
Jetzt deutet sich ein Happy End an: Die Studentin hofft derzeit auf ein Zimmer in der Südstadt.
Im Notquartier des Asta
Niloofar Moosavi weiß nicht mehr weiter. Die 28-Jährige aus dem Iran studiert ab diesem Semester an der Uni Köln im Master-Studiengang Environmental Science. Seit April war sie für ein Zimmer im Studentenwohnheim vorgemerkt. Aber als Moosavi am 1. Oktober nach Köln kam, gab es keinen Platz für sie.
„Mir wurde gesagt, dass sie vielleicht ab Dezember einen Platz haben“, erzählt sie, „aber ich brauche jetzt einen Ort zum Wohnen und Leben.“ Seither schläft sie bei einer Freundin in Aachen oder in Hostels. Zugtickets und Übernachtungen haben sie bereits Unsummen gekostet.
Täglich schreibt die Studentin um die fünfzig Mails und telefoniert herum, um ein Zimmer zu finden. Ihre Zeit in Deutschland, wo doch sonst alles immer durchorganisiert sei, hatte sie sich ganz anders vorgestellt.
Als sie von der Notschlafstelle des AStA hörte, ließ Moosavi sich auf die Warteliste setzen – und rückte am Freitag, drei Tage vor Vorlesungsbeginn, nach. Für die Studentin ist es eine kurzfristige Entlastung, immerhin muss sie, die fremd in diesem Land ist und nur Englisch spricht, nicht mehr jeden Tag pendeln.
Der Druck, eine langfristige Lösung binnen zwei Wochen zu finden, bleibt jedoch. Bei der Vermittlung will der AStA helfen. Die Studierendenvertretung sucht ständig nach bezahlbaren Appartements, die sie weitergeben kann. Wer ein Zimmer zu vermieten hat, kann sich dort melden.