MelissengeistDer stille Aufstieg der Kölner Klosterfrau
Köln – Es war eine kluge und experimentierfreudige Frau, die vor 189 Jahren den Grundstein für einen der heute größten Gesundheitskonzerne des Landes legte. 1826 im Alter von 51 Jahren gründete die Ordensschwester Maria Clementine Martin in Köln unweit des Doms ihr Unternehmen für die Herstellung von „Carmeliter- Melissenwasser“.
Mehrere Jahre hatte die Nonne mit Heilpflanzen experimentiert, bis sie schließlich auf eine Mixtur aus 13 Kräutern stieß, die destilliert beruhigend und ausgleichend auf das Nervensystem wirkt, aber auch bei Erkältung oder Muskelzerrung hilft – die Geburtsstunde des Klosterfrau Melissengeistes.
In jedem Apothekenschrank
Bis heute gehört das Universalmittel mit dem Logo der drei Nonnen unter dem gotischen Spitzbogen zu den bekanntesten Marken der deutschen Werbegeschichte. Nur wenige Haushalte hatten in den ersten Jahrzehnten nach dem Krieg keine der Flaschen mit dem preußischen Wappen in ihrem Apothekenschrank.
„Schon in den 70er Jahren wussten wir, dass wir mehr Produkte benötigen, um langfristig zu wachsen, damit wollten wir mehr aus Klosterfrau machen. Damals hatten wir gerade mal fünf Produkte“, sagt Geschäftsführer Friedrich Neukirch, der die Modernisierung und den Aufstieg des mittelständischen Unternehmens, das heute bei rezeptfreien Arzneien in einer Liga mit Branchenschwergewichten wie Bayer Leverkusen spielt, maßgeblich geprägt hat.
Keine öffentlichen Geschäftszahlen
Seit 1968 arbeitet der gelernte Drogist bei Klosterfrau. In der Öffentlichkeit spricht der gebürtige Österreicher nur sehr selten über sein Unternehmen. Allenfalls als ehemaliger Vizepräsident des 1. FC Köln erlebten ihn die Kölner.
Denn Diskretion gilt hinter den altehrwürdigen Mauern am Stammsitz im Gereonsviertel auch heute noch als Tugend. Und so veröffentlicht das Unternehmen keinerlei Geschäftszahlen (laut Branchenexperten soll der Umsatz bei rund 450 Millionen Euro liegen), sondern arbeitet lieber lautlos am Aus- und Umbau der Konzernstruktur.
Unter der Dachmarke Klosterfrau Healthcare-Group finden sich heute 50 Marken, die die Gruppe seit den 80er Jahren zugekauft hat. Arzneien und Vitaminpräparate wie Taxofit, Nasic Nasenspray, Bronchicum oder Neo-Angin sind mittlerweile im Portfolio.
Außerdem öffnete sich das Unternehmen für Kooperationen und verkauft auch Produkte für Vertriebspartner wie etwa Ricola Bonbons, das Mückenspray Autan oder Danone Trinknahrung.
Erste große Werbekampagne
Außer Diskretion gilt Unabhängigkeit als einer der wichtigsten Unternehmenswerte, sagt Neukirch. Und so wollte sich der letzte Inhaber von Klosterfrau, Wilhelm Doerenkamp, nicht bei Banken verschulden und das Unternehmen stemmte sein Wachstum im Laufe der Jahre aus eigener Kraft.
Damit Klosterfrau auch künftig erhalten bleibt und nicht verkauft wird, verfügte Doerenkamp, der 1972 verstarb und keinen Nachfolger in seiner Familie fand, dass die Firma in das Eigentum einer Familienstiftung mit Sitz in der Schweiz übergeht. Ihr gehören alle Markenrechte, die Kölner zahlen dafür Lizenzgebühren und können die Gewinne weiter in das Unternehmen investieren.
Etwa in die erste große Werbekampagne, die Ende des Jahres bundesweit starten soll. „Heute wird Gesundheit von den Menschen viel ganzheitlicher betrachtet, Naturheilverfahren erleben eine Renaissance, da wollen wir anknüpfen“, sagt Neukirch.
Wechsel an der Spitze
Dabei steht erstmals wieder das Urprodukt, der Melissengeist, im Fokus. Dem Logo mit den drei Ordensschwestern wurde ein leichter optischer Facelift verpasst und auf der neuen Verpackung finden sich Bilder der 13 Kräuter – schon fast eine Revolution. „Das ist die erste grundlegende Veränderung in der Erscheinung seit knapp 50 Jahren.“
Für den obersten Klostermann ist es eine der letzten Weichenstellungen, denn Ende des Jahres geht der 69-Jährige in den Ruhestand, wird aber weiter für die Stiftung in der Schweiz arbeiten. Sein Nachfolger, Martin Zügel, kommt ebenfalls aus der Pharma-Branche und führte lange den Frankfurter Arzneikonzern Merz, bekannt unter anderem durch die „Spezial-Dragees“.
Der Übergang an der Spitze dürfte, wie so vieles in dem Kölner Traditionsunternehmen, geräuschlos sein.