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Veedelsspaziergang in KölnMusiker Peter Brings zeigt sein Ehrenfeld

Lesezeit 6 Minuten

Zwischen Lenauplatz und Blücherpark liegt das Zuhause von Brings-Frontmann Peter Brings.

Ehrenfeld – Peter Brings ist ordentlich rumgekommen innerhalb der Grenzen seiner Heimatstadt, aber in Neuehrenfeld hat er sein Zuhause gefunden. Er wurde in Bickendorf geboren, mit vier Jahren zog die Familie nach Ehrenfeld.

Alle Stationen seines Heranwachsens sind dort zu finden; „Kindergarten, Grundschule Borsigstraße, Montessori-Hauptsschule Rochusstraße, das volle Programm“, fasst er zusammen.

Zwischendurch gab es Stippvisiten in Nippes, Flittard und in der Südstadt. Als Profi-Musiker zog er zurück nach Ehrenfeld. Wurde sesshaft, kaufte ein Haus.

Er ist tief verankert im Stadtteil. „Meine ganze Familie wohnt hier, schon meine Großeltern haben hier gewohnt“, sagt Peter Brings und nippt an seinem Milchkaffee.

Ein Veedel voller Fans

Wir sitzen im „Café Vielfalt“ auf der Landmannstraße. Man kennt sich, man duzt sich. Victor, der Inhaber, ist treuer Fan von Brings, er besitzt jedes Brings-Album. Auf die Frage, wie viele Fans er im Veedel habe, kommt die Antwort vom Nebentisch: „Was fragen Sie da? Natürlich sind alle Ihrefelder Fans! Der Pitter ist doch ene Ihrefelder Jung!“

Stammcafé: Im Vielfalt findet Peter Brings Ruhe.

Und die Kellnerin fügt hinzu: „Seitdem mein Mann weiß, dass der Peter hier im Café Stammkunde ist, möchte er unbedingt ein Autogramm. Aber das mache ich nicht. Das ist ein stilles Abkommen. Der Peter muss ja auch ein Privatleben haben.“

Brings grüßt freundlich an den Nebentisch: „Das ist das Schöne: Ich lebe hier, alle kennen mich, aber die Leute lassen mich auch in Ruhe. Das ist eine große Lebensqualität.“

Wir verlassen das Café Vielfalt und schlendern über die Landmannstraße. Viele kleine Geschäfte, wie Perlen an einer Kette: Metzger: Bäcker, Apotheker, Uhrmacher, Blumenläden.

Peter Brings kennt sie alle, und alle kennen Peter Brings. Patrick Duck betreibt seit sechs Jahren das Fischfachgeschäft, er weiß um die Vorlieben seiner Stammkunden: „Der Peter kauft meistens Thunfisch und Matjes, ab und zu eine Forelle, am liebsten alles ohne Gräten.“

Bei Fischhändler Duck auf der Landmannstraße

Wir wechseln die Straßenseite. „Wenn ich mal meine Frau suche, dann ist sie hier, alle Mädels im Veedel kaufen ihre Klamotten bei Hatice“, erzählt der Mann, der beruflich in einer karierten Hose auf der Bühne steht. „Meine Frau und ich versuchen, möglichst viel, ja fast alles, in Ehrenfeld einzukaufen. Am liebsten in den kleinen Fachgeschäften, die wollen wir unterstützen, denn wenn die weg sind, dann ist so ein Veedel tot.“

Fast entschuldigend fügt er hinzu: „Die karierten Hosen, Krawatten und Röcke, die wir in der Band seit acht Jahren tragen, sozusagen als Marke Brings, die kommen allerdings aus einer Schneiderei in der Mohrenstraße.“

Die Landmannstraße ist die Hohe Straße von Neuehrenfeld, es ist eng auf dem Bürgersteig, Frauen mit Kinderwagen, Menschen mit Gehhilfen, Handwerker mit Leitern, hier und da wird ein Schwätzchen gehalten. „Tach Pitter, alles jut, grüß zu Hause!“ „Das war der Dachdecker aus dem Viertel – ich kenne hier fast alle. Und wenn ich einen mal nicht kenne, dann kennt der mich.“

Er steuert den Friseursalon an, bei Katharina ist er Stammkunde. Die Kinder waren gemeinsam im Kindergarten, außerdem wohne man fast nebeneinander. Der Ton ist locker. „Seine Frisurwünsche ändern sich permanent, mal ein Mecki, dann lässt er die Haare lang wachsen. Oder er lässt nur die Haarspitzen schneiden und die Koteletten nachrasieren“, klärt die Friseurin auf.

Man rede meistens über die Familie oder einen guten Film. Die Zeiten, als man beim Friseur den neusten Klatsch und Tratsch erfuhr, seien aber vorbei. Entspannen und genießen sei heute angesagt.

„Der Vater von Katharina hat in unserer Weihnachtsshow in der Arena die Rolle des Engels übernommen. Er ist Arzt und spricht sehr gut Kölsch. Hier im Salon haben wir uns kennengelernt. Einen Akademiker, der Kölsch spricht, gibt es selten, denn Kölsch war und ist in den Köpfen vieler immer noch die Sprache des Proletariats.“

Wir nähern uns dem Lenauplatz, dem Herzstück des Veedels, ein Kiosk, ein Brunnen und ein paar Bänke, 1200 Quadratmeter umsäumt von Linden. „Bei gutem Wetter mischen sich hier die Nationalitäten, Ehrenfeld ist multikulti. In den 60er Jahren sind viele Ausländer gekommen, das tut dem Veedel auch heute noch richtig gut“, erzählt Peter Brings.

Lesen Sie im nächsten Abschnitt: Warum Peter Brings früher nie in Neuehrenfeld hätte wohnen können und seine Erinnerungen an die Kindheit im Blücherpark.

Peter Brings in seinem Heimatveedel Neuehrenfeld.

Leute mit Geld

„Das Wohnen in Neuehrenfeld hätte ich mir als junger Mann nicht leisten können. Früher lebten hier nur Leute mit Geld, im Volksmund sprach man vom »Tintenklecksviertel«, denn hier wohnten meistens Lehrer, Beamte oder höhere Angestellte.

Dann kamen die Belgier da hin, die belgischen Offiziere hatten hier Häuschen, weil sie nicht mit den einfachen Soldaten an der Kaserne wohnen wollten. Jetzt wohne ich mit meiner Familie in den ehemaligen Offiziershäusern der Belgier. So ändern sich die Zeiten.“

Wir spazieren durch die Siedlung und steuern eine Fußgängerbrücke an, die überquert die Stadtautobahn und führt mitten in die Natur, in den Blücherpark. Entstanden ist er Anfang der 20er Jahre nach den Plänen des Gartenarchitekten Fritz Encke, angelegt als grüne Oase zwischen den Stadtteilen Bilderstöckchen, Nippes und Neuehrenfeld.

„Früher gab es hier noch keine Autobahn, als Kind habe ich da mit Kumpels gezeltet oder mit meinen Eltern gegrillt. Den kleinen See mit den Paddelbooten gab es damals allerdings auch schon. Meine Tochter hat im Blücherpark Radfahren gelernt. Im Sommer trifft sich hier jung und alt. Hier bin ich verwurzelt.“

Der 50-Jährige kommt aus dem Schwärmen kaum heraus – und irgendwann zitiert er aus dem Brings-Song „Ehrenfeld“:

Ein Song, der nicht die Popularität von „Superjeile Zick“, „Halleluja“ oder „Polka, Polka, Polka“ erreicht hat, der aber für die Einheimischen eine Liebeserklärung an ihr Veedel ist. „Lieder zu schreiben ist wie Menschen kennenlernen: Man kann nicht mit Kalkül an ein neues Lied ran gehen. Das muss ehrlich sein, muss aus dem Bauch kommen, muss was mit uns zu tun haben.

Unsere Band ist wie eine Familie, wir sind jetzt 23 Jahre in derselben Besetzung zusammen. Die Ideen kommen von uns allen. Wir sitzen zusammen und fabulieren. Wir haben Glück oder auch einfach ein Händchen dafür, die Leute zu erreichen.“

Ming janze Welt litt en Ihrefeld

Ans Wegziehen hat er noch nie gedacht: „Man kann für alles was, aber nix dafür, wo man herkommt. Ich will hier nicht weg, ich möchte hier alt werden. Also, hier kriegst du mich nur mit den Füßen nach vorne raus.“ So bringt es das Lied auch auf den Punkt: