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Ausstellung im Museum SchnütgenDer „Saufang“ ist die älteste Glocke Deutschlands

Lesezeit 4 Minuten

Ein Schwein soll die geschmiedete Eisenglocke aus einem Teich gewühlt haben. Daher der Name Saufang.

Köln – Im nächsten Monat fällt meine Kolumne etwas anders aus sonst. Schon vom Titel her sind Sie es gewohnt, dass ich Ansehnliches und Unansehnliches in Köln „auf den Punkt“ zu bringen versuche. Diesmal führe ich Sie sozusagen im Kreis herum: Zu den vier Adventswochenenden zeige ich Ihnen je einen Punkt in Köln mit Kunst, die irgendwas mit Weihnachten zu tun hat: mein Adventskranz für Sie. Hoffentlich gefällt er Ihnen!

Weihnachtsläuten gehört zur Feststimmung

Den Anfang heute machen Glocken. Ihr Klang gehört für viele Menschen einfach zur Atmosphäre von Weihnachten. Das Fernsehen lässt die Glocken läuten. Man kann sie sich mit Hilfe von CDs und inzwischen auch eigenen Apps fürs Smartphone ins Wohnzimmer holen. Aber an Heiligabend kommen die Kölner nach wie vor in Scharen auf die Domplatte und beginnen dort ihre Weihnachtstage mit den tiefen Schlägen des „Dicken Pitter“ oben im Südturm des Doms.

Es liegt aber nicht nur am Gefühl und der Gewohnheit, dass wir Glockengeläut fast automatisch mit Kirche und Christentum in Verbindung bringen. Zwar gab es Glocken als Musikinstrumente schon im alten China, und die Römer verwendeten sie für Rufzeichen und Signale. Aber danach gelangten sie in Europa erst wieder zu Ehren, als irische Mönche im Frühmittelalter als Missionare ins Frankenreich zogen und die Menschen mit Handglocken auf sich aufmerksam machten. Glocken und Kirche – das war fortan eins.

„Saufang“ – ältestes Exemplar in Deutschland

Bevor Kaiser Karl der Große persönlich einen Mönch aus dem Kloster Sankt Gallen nach Aachen holte, der die Kunst des Bronzegusses beherrschte, bestanden die Glocken in unseren Breiten aus Eisenteilen. Das vielleicht älteste erhaltene Exemplar in Deutschland, wenn nicht in ganz Europa ist der Kölner „Saufang“ im Schnütgen-Museum. Der Legende nach wurde die Glocke von Erzbischof Kunibert (623 bis 663) im 7. Jahrhundert für das Cäcilien-Kloster gestiftet. Im 14. Jahrhundert ist an dieser Stelle eine „Sankt-Kuniberts-Glocke“ bezeugt. Ob es dieselbe war, die bis ins 19. Jahrhundert im Dachreiter des Cäcilien-Klosters hing, das ist nicht gesichert.

Wenn man den Quellen glauben darf, muss die Glocke irgendwann bei einem Brand heruntergefallen und im morastigen Untergrund versunken sein. Oder sie wurde aus Angst vor Plünderung abgenommen und verbuddelt. Jedenfalls berichtet der Chronist Gelenius im 17. Jahrhundert, ein Schwein habe die Glocke aus einem Teich rund um Sankt Cäcilia namens „Perlenpfuhl“ gewühlt. Die Geschichte, so nett sie sich anhören mag, ist mit Vorsicht zu genießen. Sie wird so oder so ähnlich von vielen Glocken erzählt – eine typische legendenhafte Darstellung.

Lesen Sie im nächsten Abschnitt, wo der „Saufang“ seine Herkunft hat.

Herkunft des „Saufang“ gilt als fraglich

Auch die Herkunft des „Saufangs“ aus dem 7. Jahrhundert gilt als fraglich. Experten datieren ihn heute eher ins 9. Jahrhundert, was ja immer noch sehr, sehr früh ist. Die Glocke ist aus drei geschmiedeten, grob miteinander vernieteten Eisenplatten zusammengesetzt. Überzogen ist sie mit einer Kupferlegierung. Der „Saufang“ ist 15 Kilo schwer und ohne die später ergänzte Aufhängung gut 40 Zentimeter hoch.

Als der Direktor des Schnütgen-Museums, Moritz Woelk, sein Amt antrat, bin ich zu ihm gegangen und habe gesagt: „Ich würde gar zu gern mal den Saufang hören.“ – „Oh“, hat er gesagt, „ich auch!“. Also zogen wir gemeinsam mit einigen Mitarbeitern der Dombauhütte ins Museum Schnütgen. Woelk hatte den Restaurator hinbestellt. Der kam mit einem Paar weißer Handschuhe, löste ganz vorsichtig die Arretierung des Klöppels und ließ ihn einmal kurz an die Glockenwand schlagen

Dong! Sofort kam ein Aufseher angeschossen: „Was machen Sie denn da für einen Unsinn! Das dürfen Sie nicht!“ Der kannte offenbar seinen neuen Chef noch nicht. Wir haben dann den Restaurator mit vereinten Kräften beschwatzt, die Glocke bitte noch ein zweites Mal anzuschlagen.

Vergleichbar mit dem Klang einer Kuhglocke

Wie sie sich anhört? Ich nehme mich mit einem Urteil mal zurück, damit Sie mich nicht für pietätlos oder eingebildet halten – mit „meinem“ grandiosen Domgeläut im Ohr. Stattdessen zitiere ich Mario Kramp vom Stadtmuseum. Aus dessen Sammlung ist der „Saufang“ im vorigen Jahrhundert als Dauerleihgabe nach Sankt Cäcilia zurückgekehrt, dorthin, wo er sich ursprünglich befunden hatte. Kramp also vergleicht den Klang mit dem einer Kuhglocke, „weit entfernt vom harmonischen Geläut späterer Bronzeglocken“. Na, also, wenn er das sagt ...

Ich werde Moritz Woelk vorschlagen, den Besuchern seines Museums eine Klangprobe als Soundfile anzubieten. Die älteste Glocke im Land will man ja nicht nur sehen, sondern auch hören können. Das stelle ich mir als schöne Ergänzung für die Präsentation der Sammlung vor, die Woelk und sein Team gerade runderneuert haben. An diesem Wochenende ist das Ergebnis unter dem Motto „Auf den Spuren von Reliquien und Heiligen – Neue Wege in die Kunst des Mittelalters“ erstmals zu sehen. Ich bin gespannt und empfehle den Besuch. Nicht nur zur Weihnachtszeit.