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Daniel Dickopfs erster Urlaub alleineWise-Guys-Sänger reiste mit Liebeskummer in den Kibbuz

Lesezeit 4 Minuten

Statt in Sülz und Klettenberg Fußball zu spielen, landete Daniel Dickopf in einer Siedlung im Norden Israels. Dort entschied er sich, den Wehrdienst zu verweigern.

Köln – Eigentlich wollte er bloß seine Ruhe haben, den Sommer daheim in Sülz und Klettenberg verbringen. Nicht sechs Wochen im Wohnwagen mit seinen Eltern und dem elf Jahre jüngeren Bruder Jonas nach Dänemark fahren. Daniel Dickopf, der heute als Dän das musikalische Herz der Wise Guys ist, war 17 Jahre alt – und er wollte Fußball pöhlen im sogenannten Räuberwäldchen an der Ecke von Düstemich- und Linzer Straße. Tja, damit ist es aber nichts geworden. Dän landete stattdessen in diesem Sommer im Kibbuz.

„Meine Eltern wollten mich nicht allein zu Hause lassen“, erinnert er sich. Kurz vor den Sommerferien hatte er sich zum ersten Mal richtig verliebt, würde nun sechs Wochen von seiner Traumfrau getrennt sein; Dän litt unter Liebeskummer. „Und meine Eltern dachten: Wir sind sechs Wochen weg, Däns große Schwestern sind beide weg, da lassen wir ihn nicht mit Liebeskummer allein zu Haus.“ Stattdessen kauften sie ihm ein Flugticket nach Tel Aviv, seine Schwester Ruth war für ein paar Monate in einen israelischen Kibbuz gegangen – und er sollte sie besuchen, sich seinen Aufenthalt dort erarbeiten.

Maschinengewehrsalven in den Nächten

Dän erinnert sich noch an die Maschinengewehrsalven, die zu den Nächten in der Gemeinschaftssiedlung gehörten. Es war 1988, die erste Intifada hatte begonnen, der Aufstand der Palästinenser gegen Israel. Der Kibbuz war in der Nähe von Haifa, der drittgrößten Stadt Israels im Norden des Landes, dort, wo Israel an den Libanon, Syrien und Jordanien stößt. „Dort patrouillierten viele Soldaten“, beschreibt Dän. „Und manchmal schossen sie nachts auf Kaninchen.“ Ob ihm die Schüsse Angst bereitet hätten? „Nö, kaum“, meint er, „meine Schwester blieb ruhig, die anderen auch. Das gehörte einfach dazu.“

So wie das Gefühl vom Abenteurer. „Ich weiß noch“, erzählt Dän, „dass ich eines Tages für die Feldarbeit eingeteilt war. Da musste ich mit einer Machete die riesigen Blätter von den Bananen schlagen. Das war echt cool“, findet er und lacht bei der Erinnerung, „ich kam mir vor wie Indiana Jones.“

Seit 1945 nicht mehr Deutsch gesprochen

Geschichte sei auch für ihn lebendig geworden. „Zeitweise habe ich dort in einem Supermarkt gearbeitet. Das war ein wirtschaftlich ausgerichteter Kibbuz.“ Die Siedlung sei ausgestattet gewesen mit einigen Geschäften. „Und in diesem Supermarkt habe ich zusammengearbeitet mit einem Österreicher“, bringt sich Dän das Erlebnis ins Gedächtnis. „Er muss so um die 70 gewesen sein, ein Jude. Und er hat Deutsch mit mir gesprochen; nicht viel, er war ein stiller Mensch.“ Der seit 1945 seine Muttersprache nicht benutzt hatte. Der Mann war vor den Nazis aus Österreich geflohen. „Erst mit mir hat er wieder angefangen, Deutsch zu sprechen“, sagt Dän. „Das hat er mir eines Tages bei der Arbeit erzählt. Und er hat mich sehr beeindruckt damit.“

Viele Bewohner hätten ähnliche Schicksale geteilt. „Ich wünschte, ich wäre damals offener dafür gewesen“, bedauert Dän heute. „Aber ich war dermaßen in meinem Liebeskummer gefangen, ich habe viel zu wenig mitbekommen.“ Immerhin sei das weit vor der Zeit von E-Mails und Mobiltelefonen gewesen. „Wir konnten uns nur schreiben, meine Freundin war mit ihren Eltern in Finnland. Tja, und die Briefe zwischen Finnland und Israel, die brauchten mindestens zwei Wochen.“

Da wusste Dän natürlich noch nicht, dass es keine Liebe für immer sein würde. Im Gegensatz zu dem Entschluss, den er im Kibbuz fasste: „Diese Sommerferien waren der Grund dafür, dass ich den Wehrdienst verweigert habe.“ Damals bestand die Wehrpflicht noch. „Aber als ich dort in Israel ständig die Soldaten mit ihren Maschinengewehren gesehen und mir vorgestellt habe, die schössen mal nicht auf Kaninchen – das war mir so zuwider. Ich hätte nicht dienen können.“ Also schrieb er seine Verweigerung, als er aus dem Urlaub zurückkehrte – und leistete seinen Zivildienst später ab bei den Johannitern. Weder in Sülz oder Klettenberg, noch im Kibbuz, sondern in Brühl.

Am nächsten Mittwoch lesen Sie, wie sich Psychologe Stephan Grünewald auf den Weg zum Nordkap machte.