Spaziergang mit Therese HämerLieber Köln als Berlin

Therese Hämer liebt den Stadtgarten wegen seines alten, zum Teil exotischen Baumbestands. Hier findet man auch Goethes Lieblingsbaum, den Ginko.
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Köln – Man kann – nein, man muss jeden Menschen beneiden, der nach Köln kommt, um Therese Hämer zu besuchen. Denn er darf sich auf eine Veedelsführung der Extraklasse freuen. Und das will schon etwas heißen angesichts eines Umfeldes, das seit Jahren in keinem Ausgeh-Führer oder Shopping-Guide ausgespart bleibt.
Wir verabreden uns in der Nähe von Hämers Wohnung im Café „Kaffee und Kuchen“ am Anfang der Venloer Straße. Die Schauspielerin lacht zur Begrüßung, sie freut sich auf den Rundgang und wirkt voller Energie. Keine Spur von „Ich bin wichtig“-Habitus, obwohl Therese Hämer in den zurückliegenden Jahren in fast allen renommierten Serien und vielen ausgezeichneten Fernsehspielen mitgewirkt hat. Viele kennen sie als Rollengattin von Christoph Maria Herbst in der „Stromberg“-Reihe; aus der TV-Komödie „Ein Schnitzel für drei“, die kürzlich mit dem Deutschen Comedypreis ausgezeichnet wurde, oder aus der Krimireihe „Helen Dorn“.
„Das Café ist so zauberhaft!“, sagt Hämer. Die Bedienungen seien so nett, die Besitzerin ebenfalls. „Man ist hier einfach vertraut miteinander, leiht sich Dinge aus, nimmt Pakete oder Schlüssel entgegen.“ Hämer schwärmt von den hausgemachten Kuchen; insbesondere dem warmen Apfelkuchen mit Vanillesoße. „Und der Mittagstisch ist der Knaller. In die portugiesische Hühnersuppe könnte ich mich reinlegen.“
Besser als bei Mama
Bevor es dazu kommen könnte, geht die Tür auf, und ein freundlich blickenden Mann tritt herein. „Das ist Oliver“, stellt die Schauspielerin den Ehemann von Café-Inhaberin Adele Hahn-Dilthey vor. Der dreifache Vater erzählt vom noch kleinen Nachwuchs, der Herausforderung in Gestalt von Zwillingen und davon, wie er seine Frau kennengelernt hat. „Nämlich hier.“ Zu dem Zeitpunkt war er noch überzeugt: „Meine Mama macht den besten Käsekuchen. Doch dann wurde ich hier eines Besseren belehrt.“
Verführungsorte gibt es in diesem Teil des Belgischen Viertels offenbar mehrere. Direkt gegenüber der Metzgerei M&M Mayer warten Menschen in einer Schlange, wie man sie ansonsten nur sieht, wenn Apple ein neues Gerät auf den Markt bringt.
„Das ist ein richtiger Männerladen“, stellt Hämer amüsiert fest und berichtet von den Bauarbeitern, die da schon morgens früh stehen und rauchen. Dieses Lebendige sei einer der Gründe, weswegen sie lieber in Köln als in Berlin lebe. Da finde man nämlich nur noch Cafés, „wo die Leute mit ihren Laptops sitzen“. Und kaum ein Laden sei älter als drei Jahre.
Hämer lebt seit 20 Jahren im Rheinland. Sie gehörte viele Jahre zum Ensemble des Schauspiels Bonn, hatte aber immer schon einen Bezug zu Köln, weil sie ohnehin „eher für die größeren Städte gemacht“ sei. Sie, eine gebürtige Hessin mit schwäbischer Kindheit, hätte sich sonst nur Zürich, Berlin oder München vorstellen können. Doch sie entschied sich für Köln, und das war und sei immer noch gut so. „Dass die Römer auch mal hier waren, das gefällt mir. Das Preußische ist nämlich nicht so ganz meins.“
Da Hämer ähnlich wie vorher in Bonn wieder in einen Altbau ziehen wollte aber „nicht so ins Epizentrum vom Belgischen Viertel“, dauerte es Jahre, bis sie ihr perfektes Zuhause fand – nach hinten gelegen, ruhig und hell und außerdem so zentral und bahnhofsnah, dass häufig Freunde reingeschneit kämen. Auch das mag sie gern. Dass sie außerdem das Geschäft ihres Lieblingsbuchhändlers Klaus Bittner fußläufig erreichen kann, betrachtet sie als glückliche Fügung. Denn dort stoße sie immer wieder auf literarische Schätze wie etwa Gail Jones’ Roman „Sechzig Lichter“, den sie uns wärmstens ans Herz legt.
Wir schlendern an der Metzgerei Mayer vorbei, wo wir uns ohnehin nur mit Gewalt zur Theke hätten durchkämpfen können, schauen bei Änderungsschneider Kacmacioglu herein, wo Hämer schon oft stand und vergeblich den Abholzettel suchte. War nie ein Problem.
„Wir sollten unbedingt zu den alten Raucks“, schlägt sie vor und deutet auf den seit 18 Jahren an der Venloer Straße bestehenden Blumenladen. Im Moment ist Elisabeth Rauck allein im Geschäft, ihr Mann, mit dem sie im Januar goldene Hochzeit feiern wird, führt den Hund Gassi. Wir schnuppern an den Edelrosen, die Cherry Brandy oder Norma Jeane heißen, und ziehen weiter Richtung Stadtgarten.
Den findet die Schauspielerin „so wundervoll“, weil es dort so viele seltene Bäume gibt. Wer mit Therese Hämer durch den Stadtgarten läuft, fühlt sich wie an die Fersen eines Mädchens geheftet, das dem Fremden unbedingt sein Zimmer zeigen will. Nur sind die Herzensangelegenheiten hier keine Puppen oder Spielzeug, sondern beeindruckend hohe Platanen, in denen grüne und blaue Sittiche Krach schlagen, Haselnusssträucher oder Kiefern.
Köln habe so viel Überraschendes, meint die Schauspielerin. „Wo sonst kann man Schlittenfahren mitten in der Stadt“ – noch dazu in der mit der „am meisten bemieteten Innenstadt“.
Mit dem Gesicht zur Gemeinde
Als wir die Grünanlage verlassen, deutet die Schauspielerin Richtung Sankt Alban. In dieser Kirche, einer der ältesten Kölns, sei der Altarraum entsprechend der liturgischen Vorgaben des Zweiten Vatikanischen Konzils umgebaut worden, so dass dieses Kölner Gotteshaus zu den ersten zählte, in denen Priester die Heilige Messe mit dem Gesicht zur Gemeinde zelebrierten.
Unser nächstes Ziel ist ein Ort, dem Hämer bereits seit 20 Jahren verbunden ist. Als gebürtige Hessin weiß sie die Qualität von Frankfurter Grüner Soße beurteilen, und die ist im Alcazar ihrer Meinung nach ähnlich fantastisch wie die Königsberger Klopse.
Wir verspüren vermutlich ein simultanes Wasser-auf-der-Zunge-Zusammenlaufen, als Cheker Dhaovi und Roger Lenhard, der unbedingt mit dem Begriff „Schalke“ in der Zeitung erwähnt werden möchte, warme Crepes mit Vanilleeis und Bananen-Ananas-Kompott zu Fotozwecken in die Höhe halten. Wieder so ein Verführungsort.
Als nächstes streifen wir das Heilandt, „wo es den besten Kaffee“ gibt sowie die Kneipe „Gottes grüne Wiese“, wo Hämer schon mal „zum Fußballgucken“ anzutreffen ist. Wir schauen bei „Erdbeeren im Winter“ rein. Der schöne Mantel dort wird gewissermaßen auf Wiedervorlage gelegt. Wir schlendern am Schaufenster von Elektrogeräte-Anbieter Habuzin vorbei, den Hämer hervorhebt – genauso wie das „Mittagessen im Sorgenfrei“.
Unser nächster Halt ist bei Weinhändler Carsten Horstmann, der fest davon überzeugt ist, dass der japanische Whisky aus seiner Vitrine ein ziemlich spektakuläres Weihnachtsgeschenk für Männer wäre. Deren Frauen würde Therese derweil in die Brabanter Straße entführen, wo Britta Schmicking, die Goldschmiedin ihrer Wahl, ihr Geschäft hat.
Nun sind wir praktisch am Friesenplatz angelangt und damit im Randgebiet des Belgischen Viertels angekommen. Wir laufen trotzdem weiter, überqueren die grenzmarkierenden Ringe und steuern die Albertusstraße an. Ohne eine neue Buchempfehlung von Klaus Bittner will Therese Hämer unseren Spaziergang nämlich auf keinen Fall enden lassen.