StadtgeschichteEin Kölner Ingenieur plante eine U-Bahn im Inneren Grüngürtel
- Eine U-Bahn im Inneren Grüngürtel? Diese Idee wurde um die Wende zum 20. Jahrhundert in Köln immer Inhalt von Diskussionen.
- Ausgelöst hatte sie der Kölner Ingenieur Julius Kraze.
- Zwar wurde seine Idee nie umgesetzt, seine Visionen hat er aber in einem Leserbrief an den „Kölner Stadt-Anzeiger“ beschrieben.
Köln – Was tun mit dem inneren Festungsring? Diese Frage diskutierten die Kölner um die Wende zum 20. Jahrhundert immer wieder. Das preußische Militär hatte die ab 1881 angelegte Neustadt, für die die mittelalterliche Stadtmauer gefallen war, erneut befestigt. Dort wo heute der Innere Grüngürtel verläuft, entstand ein Halbkreis aus Wall, Graben und militärischen Anlagen, dem ein freies Schussfeld von 400 bis 500 Metern vorgelagert war, auch Rayon genannt. „Das war die letzte innerstädtische Umwallung, die man im damaligen deutschen Reich gebaut hat“, sagt Diplom-Geograf und Historiker Alexander Hess, stellvertretender Vorsitzender des Vereins „Fortis Colonia“.
Das Problem: „Er war eigentlich schon veraltet und nutzlos, als man ihn angelegt hat.“ Zudem schnitt er die Innenstadt von eingemeindeten Vororten wie Nippes, Ehrenfeld oder Sülz ab. Schon 1907 fielen die Bau-Beschränkungen für den Rayon, 1911 ging das Gelände für 25, 5 Millionen Mark in städtischen Besitz über. Von diesem Geld hatte das preußische Militär in den vier Jahren zuvor den äußeren Festungsgürtel verstärkt.
Kölner Ingenieur Julius Kraze hatte einen Plan B
Der Kölner Ingenieur Julius Kraze hatte schon 1902 eine Idee, wie der sieben Meter tiefe und zehn Meter breite Festungsgraben künftig genutzt werden könnte. Der Gedanke liege nahe, schrieb er in einem Leserbrief an den „Kölner Stadt-Anzeiger“, „den für diesen Zweck wie geschaffenen Festungsgraben in seiner schönen Breite und Tiefe zur Aufnahme einer Untergrundbahn beizubehalten“.
Inspiriert worden war Kraze offenbar durch die Berliner U-Bahn, die 1902 eröffnet worden war. Auch in Paris und Budapest war die Personenbeförderung unter die Erde gewandert, in London schon 1863. Köln konnte das neue Verkehrssystem ebenfalls gut gebrauchen: Die Stadt wuchs rasant, in den engen Straßen blockierten sich elektrische Straßenbahnen und Pferdefuhrwerke oft gegenseitig.
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Der Tunnel müsse so beschaffen sein, dass vier Gleise Platz hätten, schlug Julius Kraze vor: die zwei äußeren für die Personenbeförderung, die inneren für den Güterverkehr zur Anbindung der Häfen an den Güterbahnhof Gereon. 20 Bahnhöfe könnten angelegt und später je nach Bedürfnis eröffnet werden. Die Rheinuferbahn, die heutige Linie 16, könne in einem zweiten Schritt eingebunden werden. „An den Enden der Ring-U-Bahn in Rheinnähe sollten Wendeschleifen für die Untergrundbahn und Rampen zum Anschluss an die oberirdische Ring- und Güterbahn entstehen“, so Alexander Hess. Der Tunnel könnte zudem Elektro-, Telefon- und Telegrafenkabel aufnehmen, Wasserrohre und den Hauptsammelkanal für Abwasser der Vororte.
In Köln entschied man sich aus Kostengründen gegen U-Bahn
Der Vorschlag wurde in der Stadt intensiv diskutiert. Im August 1902 prüften Stadtbauinspektor Otto Kayser und der für die städtischen Bahnen zuständige Beigeordnete Anton Scheidtweiler das Projekt, entschieden sich aber schließlich im Hinblick auf die Kosten dagegen. Ihr Argument: Die geplante Bebauung der Wallanlagen würde noch etliche Jahre beanspruchen – die Stadt dürfe kein Geld für eine U-Bahn ausgeben, die bei ihrer Eröffnung womöglich technisch schon überholt wäre. „Bis zu den ersten Wohnbauten hätte man die U-Bahn mindestens zehn Jahre im Tunnel gehabt“, so Alexander Hess. Mit der Zuschüttung des Festungsgrabens wurden schließlich nicht nur zahlreiche militärische Bauten begraben, sondern auch der kurze Traum von einem U-Bahn-Ring rund um die Neustadt.
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Doch noch vor Ausbruch des Ersten Weltkriegs flammten Diskussionen über eine U-Bahn erneut auf. Verkehrswissenschaftler Gustav Kemmann, der mit seinen Gutachten entscheidend zum Bau der Berliner U-Bahn beigetragen hatte, riet den Kölner Stadtverordneten und der Stadtspitze zu einer U-Bahn mit einem Grundgerüst von zwei sich kreuzenden Linien. Eine Ost-West-Linie, die den Rhein im Bereich der heutigen Deutzer Brücke unterqueren sollte, solle mit einer Nord-Süd-Linie am Heumarkt zusammentreffen. „Man findet öfter in der Literatur den Hinweis, die Stadt habe vor dem Ersten Weltkrieg Abstand von dem Projekt genommen, da der Bau des Tunnels unter dem Rhein technisch zu aufwendig gewesen wäre, beziehungsweise der Erste Weltkrieg alle weiteren Absichten stoppte“, so Alexander Hess.
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Doch zum einen habe die Verwaltung noch während des Kriegs eine Untergrundbahn propagiert, zum anderen habe der Bau des Alten Elbtunnels in Hamburg gezeigt, dass es auch technisch möglich gewesen wäre. Ein Grund, dass auch diese Pläne unverwirklicht blieben, sei vielmehr eine militärische Überlegung gewesen, so Experte Hess. So hätte die West-Ost-Linie in Müngersdorf den Bereich des Äußeren Festungsgürtels berührt. „Es hätte die Gefahr bestanden, dass im Kriegsfall der Feind, also die Franzosen, in diesen Tunnel eindringen und in die Innenstadt kommen können.“ Um das zu verhindern, hätte die Stadt im Ernstfall das Tunnelsystem schützen müssen, etwa indem es unter Wasser gesetzt wird. „Dafür hätte man aber wieder riesige Wasserwerke bauen müssen“, so Hess: „Es hätte Unsummen erfordert, die U-Bahn militärisch abzusichern.“ So dauerte es schließlich bis 1968, bis in Köln die ersten Straßenbahnen unterirdisch fuhren.