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Sterben der Kölner SonnenstudiosDie Goldgräberstimmung von einst ist vorbei

Lesezeit 5 Minuten
sonnenstudio

Die Solarien von Phil Giesen trotzen der Krise der Branche.

  1. Eine Rolex am Arm, ein dickes Auto vor der Tür: Sein erstes Sonnenstudio machte den Kölner Erik Nußbaum reich.
  2. Der Boom der Solarien ist lange vorbei. Viele Studios mussten schließen. Doch die verbliebenen Betreiber sind optimistisch: Die Branche habe sich gesundgeschrumpft.
  3. Einer, der es trotz Krise geschafft hat, ist Phil Giesen.

Köln – Die Sonnenfinsternis ist seit etwa 20 Jahren im Gange. Und sie ist fast vollzogen, nur noch ein schmaler Schein ist zu sehen. Solarien boomten in den 80ern und 90ern, mit Sonnenbänken ließen sich glänzende Geschäfte machen.

Doch seit der Jahrtausendwende ebbt der Trend mit dem dunklen Teint rapide ab. Die Angst der Menschen vor der UV-Strahlung, strenge EU-Auflagen für Solarien, die Wirtschaftskrise, ein ruinöser Preiskampf in der Branche und die Möglichkeit, mit Billig-Airlines in den Süden fliegen und sich vom Original bräunen zu lassen, setzte den Solarien in den vergangenen Jahren schwer zu. Auch in Köln sind viele Sonnenstudios verschwunden. Aber: Es gibt sie noch. Und die Betreiber glauben an ihre Zukunft.

Erik Nußbaum kennt beide Seiten. Die des Erfolgs und die der Niederlage. Wenn sich der 47-Jährige heute an die Hoch-Zeit bis zur Jahrtausendwende zurückerinnert, spricht er von „Goldgräberstimmung“ und davon, „dass ich damals glaubte, ich könnte eine Insel kaufen und noch zehn Sonnenstudios aufmachen.“ Damals hat er nach seinem Laden in Braunsfeld gerade das zweite Sonnenstudio an der Krefelder Straße eröffnet, am Arm trägt er eine Rolex, er fährt einen 200 PS starken Audi A4.

Erik Nußbaum in seinem Solarium

Und das, obwohl sich die Branche gerade gegenseitig mit Kampfpreisen unterbietet, während immer weiter neue Sonnenstudios öffnen. Sogar den ersten Einbruch seines Erfolgs während der Hitzewelle 2003 verkraftet Nußbaum noch weitestgehend unbeschadet, genauso wie die negativen Schlagzeilen in den Medien: Von erhöhtem Hautkrebsrisiko durch die UV-Strahlung der Sonnenbänke ist die Rede.

200.000 Euro Schulden

Bis 2008 die Weltwirtschaftskrise kommt. Plötzlich bleiben die Kunden aus, Nußbaum bleibt auf hohen Investitionen in seine Studios sitzen. Er hat 200.000 Euro Schulden, muss seine Lebensversicherungen auflösen, Audi und teure Uhr verkaufen, mit seinen Kindern in eine kleinere Wohnung ziehen, sein zweites Sonnenstudio schließen, einen Nebenjob als Hausmeister an einer Schule annehmen. „Ich habe nachts auf die Kontoauszüge geschaut und geweint“, erzählt er heute. „Ich konnte keine Rechnungen mehr bezahlen.“

Phil Giesen kennt nur die Seite des Erfolgs. Keine fünf Kilometer von Nußbaums Studio entfernt hat er einen seiner drei Autos, einen weißen, 330 PS starken Hummer-Geländewagen, vor der Tür seines Flaggschiff-Sonnenstudios am Hansaring geparkt. Die Wände sind hoch, die Filiale lichtdurchflutet, auf 330 Quadratmetern reiht sich eine Kabine an die andere, es ist Platz für 70 Kunden.

Im Eingangsbereich sitzt Giesen im roten Ledersessel, im Minutentakt nimmt er Telefonate an seinem Handy an, zwischendurch dirigiert er seine Angestellte. Er ist der Franchisegeber von Nußbaum, beide firmieren unter dem Namen „California Sun“, einem der Kölner Sonnenstudio-Marktführer.

Als Giesen als junger Mann das erste Studio in Hürth gründet, kennt er Kalifornien nur von Bildern. Aber er träumt von amerikanischer Sonne – und dem ganz großen Geschäft. Dafür hängt er seinen Job als Mathelehrer an einem Gymnasium an den Nagel, zieht wochenlang Nacht für Nacht durch Diskotheken, um Gratisbons für sein Studio zu verteilen. „Ich habe entschieden, morgens nicht mehr früh aufzustehen, sondern stattdessen das richtige Geld zu verdienen“, erzählt er.

„Schlechte Zeiten gab es bei mir eigentlich nicht“

Seitdem ist er auf Expansionskurs. Mehr als 50 Sonnenstudios habe er mittlerweile vor allem im Kölner Raum eröffnet. Sein Vermögen wird auf mehrere Millionen Euro geschätzt. „Schlechte Zeiten gab es bei mir eigentlich nicht“, sagt er. Im Wirtschaftskrisenjahr 2008 – als sein Franchisenehmer Nußbaum gerade um seine Existenz bangt – habe er den größten Mitbewerber in Köln vom Markt gedrängt.

Die Zahl der Sonnenstudios in Deutschland ist seit der Jahrtausendwende von 7500 auf rund 2800 gefallen, wie der Bundesfachverband Besonnung (BfB) auf Nachfrage erklärt. Genaue Zahlen über die Entwicklung in Köln gibt es nicht. Heute verzeichnet die Stadt 144 Solarien, beim BfB geht man nur von 20 bis 60 Studios in Köln aus.

Diskussion über Verbot

Die große Diskrepanz der Zahlen verrät viel über das Selbstverständnis der Branche. „Wir zählen eine Friseurin, die eine Sonnenbank in der Ecke stehen hat, nicht in die Statistik“, erklärt ein Vorstandsmitglied des Verbands. Der BfB will sich vom „Schmuddelimage“ der Branche distanzieren, kritisiert „unprofessionelle“ Betreiber, spricht davon, dass sich die „Spreu vom Weizen getrennt“, der „Markt gesund geschrumpft“ hätte.

Einer vollständigen Genesung stehen jedoch nach wie vor kritische Stimmen entgegen. In Frankreich wird seit Jahren über ein Verbot von Sonnenstudios diskutiert. Die französische Verbraucherschutzorganisation „Anses“ beruft sich darauf, dass ein erhöhtes Krebsrisiko durch das Sonnenbaden in Solarien mehrfach nachgewiesen sei. Gegenüber der „Süddeutschen Zeitung“ mutmaßte der Mediziner Jochen Sven Utikal vom Deutschen Krebsforschungszentrum im Oktober vergangenen Jahres, dass ein Verbot „früher oder später auch hierzulande kommen“ werde.

Dennoch gibt sich der Branchenverband hoffnungsvoll. Nach der Übersättigung des Markts seien nun die wirklich guten Betreiber übrig geblieben, und die hätten sich immer weiter professionalisiert, heißt es. „Unsere Kunden verlangen das auch von uns. Das Zauberwort unserer Branche heißt »Neu«“, sagt Giesen. Neu wie Neuanschaffung. Einer wie Giesen kann es sich leisten, ständig Geld in die Modernisierung seiner Geräte zu stecken. Kleinere Studios gehen unter diesem Druck dagegen oftmals kaputt.

Doch inzwischen erkennt die Branche sogar wieder neues Wachstumspotenzial. Auch Nußbaum geht es wieder besser. Er hat sich zurückgekämpft. Sein Studio in Braunsfeld schreibt wieder schwarze Zahlen, wenngleich vor seinem Studio heute ein kleineres Auto steht und er die Geräte in seinem Studio selbst putzt. Doch eine Altersvorsorge hat Nußbaum auch heute nicht. „Ich arbeite, bis ich umfalle“, sagt er.