„Strunzdumme Hohlbirne“Wie eine Beleidigung zu einem Kölner Gerichts-Marathon führte

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Köln – Martin S. (49, Name geändert) ist ein offensichtlich belesener Mann. Gern nimmt der ehemalige Jurastudent und diplomierte Veranstaltungsfachwirt im Internet an politischen Diskussionsrunden teil und stellt sein Wissen unter Beweis. Bis ihm einmal der Kragen platzte, als ein politischer Gegner ihm „wohl mit dem Schaumlöffel verabreichte Intelligenz“ unterstellte. Martin S. fühlte sich angegriffen. Er konterte mit „strunzdumme Hohlbirne“ und handelte sich damit eine Anzeige wegen Beleidigung ein, die zunächst einen Strafbefehl, dann einen Polizeieinsatz, diverse Scharmützel vor Gericht, eine Verurteilung zu einer Geldstrafe und schließlich eine erfolgreiche Berufungsinstanz nach sich zog – alles auf Kosten des Steuerzahlers.
Die Staatsanwaltschaft hatte Anfang des Jahres noch einen Strafbefehl über 600 Euro für erforderlich gehalten und dies bei Gericht so beantragt. Die zuständige Richterin hingegen wollte den Angeklagten persönlich hören und schickte gleichzeitig mit dem Prozesstermin einen geschwärzten Strafbefehl. Für Martin S., der mit Strafgerichten noch nie zu tun hatte, schien der Strafbefehl ein „Indiz für Voreingenommenheit“, deshalb lehnte er die Richterin wegen Befangenheit ab, begründete seine Haltung ausführlich und erschien nicht zum Prozess in dem Glauben, dies mit seinem Befangenheitsantrag ausreichend belegt zu haben. Im Vorfeld hatte S. eine umfangreiche Stellungnahme zum Beleidigungsvorwurf einschließlich einer Kopie des kompletten Chatverlaufs über seinen Anwalt abgegeben.
Umso erstaunter war er, als zwei Monate später frühmorgens die Polizei bei ihm vor der Tür stand, um ihn zwangsweise zu einem erneuten Termin vorzuführen, wie es gerichtlich angeordnet war. Sein Befangenheitsantrag war zwischenzeitlich abgelehnt worden. „Wegen so einer Lappalie“, dachte S., der angesichts des überraschten Termins im Prozess lieber schwieg, „denn ich hatte mich ja nicht vorbereiten können.“ Prompt wurde er zu 300 Euro Geldstrafe verurteilt, die Anklägerin hatte gar das Doppelte gefordert.
Noch am selben Tag legte der Manager vor dem Landgericht Berufung ein und erschien im September diesmal gründlich vorbereitet. Und überzeugte mit seinen Argumenten sowohl die kleine Strafkammer wie den Ankläger. In dem Diskussionsforum habe der Anzeigenerstatter „anstelle von Fakten und Wissen mit Strafverfolgung und Drohung agiert“, sagte S. und legte zum Beweis den kompletten Chatverlauf der Diskussionsrunde zum Thema „Pro und Kontra Sozialismus“ vor. Das Verfahren wurde daraufhin einstimmig zulasten der Staatskasse eingestellt. Der abschließende Kommentar des Managers dazu: „Jetzt fühle ich mich korrekt behandelt.“