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TäuschungGeschäfte mit der Hilfsbereitschaft

Lesezeit 3 Minuten

Defibrillator an der Wand

Eine kleine Ecke auf einer Infotafel, etwa so groß wie drei Visitenkarten, umrahmt von 15 anderen Kleinunternehmen: Dass der Werbeeffekt nicht gerade riesig sein würde, war Wolfgang Gommersbach von Anfang an klar. Doch der selbstständige Handelsvertreter und Vertriebspartner einer Bausparkasse glaubte an eine gute Sache: Für 405 Euro im Jahr plus Mehrwertsteuer beteiligte er sich als Sponsor eines Defibrillators.

Das kleine Gerät hängt im Eingangsbereich der Tennishalle des KTC Weidenpesch, die sogenannte Lebensrettertafel schräg Gegenüber hinter Glas − ein Plakat mit den Namen und Firmenlogos aller Sponsoren. „Ich war damals für diesen Bezirk zuständig und wollte mich gern in der Gegend engagieren“, erinnert sich Gommersbach (33). Und so ließ er sich von einer Mitarbeiterin der Berliner Firma Defimed beim ersten Treffen überzeugen, seine Unterschrift unter einen Vertrag zu setzen.

Das Konzept des Unternehmens, das in ganz Deutschland unterwegs ist: Kleine Geschäftsleute können sich als Spender an der Miete für das Gerät beteiligen, mit dem Menschen nach einem Herzstillstand schnelle Erste Hilfe bekommen sollen. Als Gegenleistung erhalten sie dafür den kleinen Werbeauftritt. Nutznießer sind zum Beispiel Vereine, für die keine Kosten entstehen.

Die Praxis ist nicht illegal

So wie der Weidenpescher Tennisclub. Dort haben in der Vergangenheit bereits drei Spieler auf dem Platz einen Herzanfall erlitten – und dass schnelle Hilfe in solchen Fällen Leben retten kann, ist unstrittig. Der plötzliche Herztod gilt als häufigste Todesursache in Deutschland. Ein Defibrillator kann also Leben retten. Doch nachdem er den Vertrag unterschrieben hatte, wurde Wolfgang Gommersbach stutzig: Warum bekam er keine Kopie der Vereinbarung? Warum drängte die Mitarbeiterin darauf, dass er schnell unterschreibt, wie er sagt?

Als er den Namen der Firma in eine Internet-Suchmaschine eingab, wurde ihm schnell klar: Er ist nicht der Einzige, der am Geschäftsmodell der Berliner Firma zweifelt. Unternehmer aus Wuppertal, Franken oder dem Breisgau fühlen sich über den Tisch gezogen und getäuscht. Denn: Mit einer komplett vermieteten Lebensrettertafel, auf der die Sponsoren genannt werden, nimmt die Firma etwa 8000 Euro ein – pro Jahr.

Lieber an einen Verein spenden

Hochgerechnet auf drei Jahre Vertragslaufzeit ein ziemlich einträgliches Geschäft, wenn man weiß, dass ein Defibrillator schon für 1200 Euro zu haben ist. Wohlgemerkt: Die Praxis ist nicht illegal. Doch ist der Vertrag einmal unterschrieben, gibt es kaum einen Weg zurück.

„Geschäftsleute kommen nur schwer aus solchen Verträgen heraus“, sagt Annika Borgers, die Anwältin von Wolfgang Gommersbach. Da es sich aus juristischer Sicht nicht um ein klassisches Haustürgeschäft handelt, gebe es auch kein Widerrufsrecht, sagt die Juristin. So sah es am Ende auch das Kölner Amtsgericht, vor dem der Fall vor zwei Wochen landete, weil Gommersbach nicht zahlen wollte. Die Richter gaben Defimed recht, Wolfgang Gommersbach bleibt auf den Kosten sitzen, inklusive Gerichts- und Anwaltskosten gut 1400 Euro.

Telefonisch wollte sich die Firma nicht zu dem Fall und ihrem Geschäftsmodell äußern. Stattdessen wurde um eine schriftliche Anfrage gebeten − doch die blieb unbeantwortet. Wolfgang Gommersbach wundert das nach seinen Erfahrungen mit der Firma nicht. Er wird bei der nächsten Gelegenheit anders handeln: „Da spende ich lieber direkt an einen Verein“, sagt er, „da weiß ich wenigstens, dass es auch ankommt.“

Der KTC Weidenpesch will nun alle anderen Sponsoren ansprechen, die Verträge mit Defimed fristgerecht zu kündigen. Ansonsten verlängern sie sich nämlich automatisch. Um weitere drei Jahre.