Tanzschulen in KölnVom Heiratsmarkt zur Partnerbörse
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Seit 77 Jahren gibt es die Tanzschule van Hasselt, sie wurde 1942 von Willhelm und Katharina van Hasselt in Lohmar gegründet.
Standardtänze sind bei Jugendlichen nach wie vor beliebt. In Kölner Tanzschulen jedenfalls sind die Kurse gut belegt.
In den Sälen geht es heute lockerer zu als früher – auch musikalisch. Manche Dinge allerdings haben sich nicht geändert.
Köln – Bei bunt-schummriger Beleuchtung und zu kölschen Klängen der Bläck Fööss lernen Paare „die Trennung“. DJ Dennis gibt die Kommandos: „Jetzt einen Schritt auseinander, einen Schritt zusammen und mit der freien Hand abklatschen. High Five geht auch oder Ghettofaust.“
Samba steht auf dem Stundenplan des Anfängerkursus, in dem Teenager zwischen 13 und 15 ihre ersten Tanzschritte tun. Der lateinamerikanische Klassiker gehört zum Standard. Doch steife Etikette war gestern. Im Spiegelsaal, wo sich schon Generationen junger Menschen auf der Schwelle zum Erwachsenwerden im Paartanz übten, herrscht ein frischer Wind.
Seit 77 Jahren gibt es die Tanzschule van Hasselt, sie wurde 1942 von Willhelm und Katharina van Hasselt in Lohmar gegründet. In den düsteren Kriegsjahren bereitete das Paar der an Entbehrungen gewöhnten Bevölkerung mit Tanzkursen ein wenig Vergnügen.
Zunächst in verschiedenen Wirtshäusern, bis die Schule 1957 in eigene Räume am Karl-Schwering-Platz in Lindenthal zog. Dort übernahmen bald Gerd und Erika van Hasselt, die zweite Generation, das noch relativ gestrenge Kommando über das gesellschaftliche Initiationsritual.
Mädchen und Jungs saßen in den Sälen streng getrennt voneinander. Die wenigen Meter, die zumeist die jungen Männer zurücklegen mussten, um die Mädchen aufzufordern, schienen unüberwindbar. Und für die jungen Frauen, vor denen sich kein junger Herr verbeugte, konnte der Spiegelsaal zum Ort der ultimativen Demütigung werden.
Auch die heutige Chefin Bettina van Hasselt absolvierte 1981 am Karl-Schwering-Platz ihren ersten Gesellschaftstanzkurs. Als ihre Eltern sie in der Tanzschule anmeldeten, hatte sie allerdings keine Lust. „Ich dachte mir: Nee, auf diesen Heiratsmarkt möchte ich nicht“, sagt sie heute. Und doch: Sie heiratete ihren Tanzlehrer, nachdem sie solchen Gefallen am Tanzen gefunden hatte, dass sie blieb, bis sie das Abzeichen „Goldstar“ abgelegt hatte.
Den Anfänger-Kursus hatte noch ihr Schwiegervater gegeben. Sein Sohn Andreas übernahm, entdeckte Bettinas Talent und mit ihr zusammen den Rock’n’Roll. Zu der Zeit war auch Katharina van Hasselt noch täglich in der Tanzschule unterwegs und achtete auf gutes Benehmen. „Bei Veranstaltungen bemerkte sie stets, wenn ein Schüler zu oft zum Buffet ging“, sagt Bettina van Hasselt. „Er bekam von ihr einen eindeutigen Blick.“
Benimm gehört immer noch zum Programm
Die stille Mahnung der Gründerin schaute sie sich ab. Ein bisschen Benimm gehört immer noch zum Programm. Doch als die Dritte Generation, Bettina und Andreas, nach ihrer Hochzeit 1995 die Schule übernahm, hatte sich die Gesellschaft geändert. Die Tanzfilme der 80er hatten für neuen Schwung auf dem Parkett gesorgt: „Dirty Dancing“ spülte Wellen von Schülern in die Tanzschulen. „Jeder wollte Baby und Johnny sein“, erinnert sich van Hasselt. Man tanzte Mambo, Salsa und Disco-Fox.
Trends spielen auch heute noch eine große Rolle. Das Kursprogramm bietet viel jenseits der klassischen Paarkurse. „Gerade ist Videocliptanzen enorm angesagt“, sagt die Tanzlehrerin, „die Jugendlichen sehen Videos und wollen tanzen wie die Stars“. Auch Partytänze wie Linedance sind beliebt. Wichtiger als das Einhalten von Regularien ist heute, dass die Schüler Spaß bei der Sache haben.
So erklingt in den Spiegelsälen Musik, die sie mögen. Die Jugendlichen tanzen Foxtrott zu Hip-Hop von Eminem, Jive zu Queens „Don’t stop me now“, Chachacha zu „September“ von Cool and the Gang und Discofox zu „Halleluja“ von Brings. In den Kursen herrscht Partystimmung, die Neugierde ist stärker als die Berührungsängste. Jungs und Mädchen stehen gemischt im Kreis.
„Tut euch mal zu zweit zusammen“, sagt DJ und Tanzlehrer Dennis Ziegler. Die meisten greifen einfach eine Hand in der Nähe. Die Wahl hat keine große Bedeutung. Die Lehrer sorgen dafür, dass wieder schnell gewechselt wird. Auf die Frage, warum sie heute noch Standardtänze lernen, fallen den Jugendlichen eine Menge Gründe ein: „Wir müssen doch auf dem Abschlussball tanzen können“, sagen etwa Schülerinnen der Ursulinenschule.
Im Abendkleid im Gürzenich
Die Tanzschule ist auch Partnerbörse, die dreimonatige Zeit des Anfänger-Kursus eine Coming-of-Age-Phase: Bettina van Hasselt ist immer wieder beeindruckt von der Metamorphose, die sich in ihrer Schule vollzieht: „Die Jugendlichen kommen hier schluffig an und tanzen am Ende im Anzug und Abendkleid im Gürzenich zur Balleröffnung die Quadrille.“