Ein SelbstversuchCorona-Lockdown sorgt für Toiletten-Not in Kölner City
Köln – Die Fußgängerzonen sind nahezu verwaist. Nur noch wenige Menschen zieht es derzeit in die Kölner Innenstadt. Ursächlich dafür sind jedoch nicht allein die vielen geschlossenen Geschäfte. „Wir kommen nicht mehr, weil man sich nirgendwo hinsetzen und etwas essen oder trinken kann. Und man kann nirgendwo auf die Toilette!“ Das, was eine Angestellte im Brillengeschäft Augendübler in diesen Wochen häufig von Stammkunden zu hören bekommt, wird einem auch jenseits der Breite Straße zugetragen. Wer in Zeiten des Lockdown in der City seine Notdurft verrichten möchte, gerät in Not. Ein Selbstversuch:
„Entschuldigung, wissen Sie, wo sich hier in der Nähe eine Toilette befindet?“ – „Da fragen Sie mich was!“, erwidert die in Regenkleidung gehüllte Frau auf der Ehrenstraße. „Ehrlich gesagt: Keine Ahnung!“ Die Passantin überlegt. „Ich wüsste nicht, wo es hier im Umkreis ein öffentliches WC gibt. Und die Cafés sind ja zu. Aber wissen Sie was? Ich an Ihrer Stelle würde in ein Hotel gehen“, sagt sie und weist in Richtung Sankt-Apern-Straße.
„Die kommen oft mehrfach am Tag“
„Ob ich hier wohl mal schnell...?“ – „Aber sicher“, meint die freundliche Rezeptionistin im Stadthotel am Römerturm und weist den Weg. „Aber ich bin kein Hotelgast.“ Die Frau lächelt. „Die Ladies vom Ordnungsamt sind auch ganz happy, dass es uns gibt. Die kommen oft mehrfach am Tag. Leute nicht dahin zu lassen, fände ich ehrlich gesagt auch asozial.“
Auch im nahen Pullman-Hotel ist das Eintreten zum Zwecke des Austretens kein Problem. Es kämen zwar seltener Touristen rein, dafür umso „häufiger Taxifahrer oder Leute von der Müllabfuhr“. Also alles entspannt, denke ich, während ich Richtung Appellhofplatz laufe. Weit gefehlt.
„Ich finde das echt abartig!"
Ich frage den nächsten Passanten. „Vielleicht im Karstadt, wenn der geöffnet ist.“ Ist er nicht. Aber an der Fassade gegenüber hängt ein vielversprechender Hinweis auf „Sanifair“. Ich fahre mit dem Fahrstuhl auf die erste Etage des Quincy-Shopping-Centers und stehe vor verschlossener Tür. „Kurzfristig außer Betrieb“ lese ich auf einem roten Schild und blicke durch die Glasscheibe auf eine Baustelle. Es war einmal ein WC.
Wieder auf der Fußgängerzone angelangt, frage ich die nächste Person. „Wüssten Sie, wo ich hier...?“– „Öffentliche Toiletten von der Stadt Köln gibt es in der gesamten Innenstadt so gut wie gar keine“, entgegnet Gudrun Röhrs. Sie sei „jeden Tag mit dem Fahrrad unterwegs“ und kenne sich aus. „Es ist eine Katastrophe!“, beschreibt sie den Toiletten-Engpass. Vor Corona habe man zumindest noch in den Kölntriangle am rechten Rheinufer ausweichen können. „Da ist jetzt abgeschlossen. In ganz Deutz findet man nichts“, klagt die Frau, die in diesem Stadtteil wohnt.
„Das ist ein richtiges Tabu-Thema"
„Der Imbiss an der Deutzer Freiheit lässt einen rein, obwohl er das nicht darf. Aber hier in der Innenstadt? Beim Backwerk kann man, wenn man sich einen Kaffee kauft. Im Parkhaus im Belgischen Viertel lassen sie einen auch. Die öffentliche Toilette da hinten ist zu“, sagt sie und zeigt in Richtung Krebsgasse. „Ich finde das echt abartig. Man muss den Leuten doch zugestehen, aufs Klo zu gehen.“
Zum Schluss gibt mir Gudrun Röhrs noch einen Insider-Tipp: „Dritte Etage Panklinik.“ Dieser Ort ist natürlich nicht als öffentliche Toilette gedacht, sondern für wartende Patienten, erklärt Frauenärztin Diana Dellé später auf Anfrage. Als leitende Oberärztin im Bereich operative Gynäkologie kann sie sich in die Not vieler Passantinnen hineinfühlen. „Das ist absolut nicht nur ein Problem von älteren Frauen. Es gibt nicht nur Inkontinenz, sondern auch Harndrang. Gerade auch nach Entbindungen. Aber darüber spricht man nicht. Das ist ein richtiges Tabu-Thema.“
„Die Stadt will nicht, dass Menschen in die City kommen"
Zurück auf die Straße. Im Gastronomiebereich von Rewe Richrath kann man für einen Euro austreten. Von da an betritt man WC-technisch Brachland. Die Damen an den Theken zweier Bäckereiketten in Nord-Süd-Fahrt-Nähe schütteln nur den Kopf.
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„Ich würde Ihnen ja meinen Schlüssel geben, aber ich darf nicht“, bedauert der italienische Feinkosthändler in den WDR-Arcaden. „Wir dürfen nicht“, sagt auch der Mitarbeiter von Espresso Perfetto. „Die Stadt sollte endlich dafür sorgen, dass Dixi-Klos aufgestellt werden. Aber die Stadt will offenbar gar nicht, dass Menschen in die City kommen“, mutmaßt er.
Auf der Hohe Straße weit und breit nichts
Die Suche geht weiter. „Ich glaube, die ist im Moment aufgrund von Corona nicht geöffnet“, sagt eine junge Drogeriemarkt-Kassiererin auf der Minoritenstraße. „Hauptbahnhof!“, schnauzt der Merzenich-Verkäufer von schräg gegenüber. „Wehe, wenn man dringend muss“, denke ich und beschleunige meinen Schritt. Auf der Hohe Straße weit und breit keine Möglichkeit in Sicht. „Ich darf es nicht“, versichert der Portier im Hotel Königshof in der Richartzstraße, würde mich aber ausnahmsweise... „Wir haben keine Toiletten“, erklärt der McDonald's-Angestellte von der Domfiliale, was nicht ganz der Wahrheit entspricht.
Dafür habe ich nebenan Glück. Die freundliche Dame an der Rezeption vom Excelsior Ernst schickt mich „eine Treppe tiefer“. „Auch als Nicht-Hotelgast?“ Sie lächelt vielsagend. Am Ende meines Rundlaufs betrete ich den Hauptbahnhof. So blitzsauber wie das Entree von „Rail & Fresh“ würde man sich so manche Innenstadt-Straße wünschen, wo man stattdessen auf verkotete Eingänge blickt. Allerdings kostet die Benutzung des Bahnhofs-WC ebenfalls einen Euro.
Sieben Toilettenanlagen stehen zur Verfügung
Danach befragt, wie viele öffentliche Toiletten es derzeit im Innenstadtbereich gibt, teilte ein Stadtsprecher mit, dass die AWB bereits mit der Überarbeitung der Homepage www.toiletten.koeln beauftragt seien. Die meisten der dort aufgeführten „Happy Toilets“ in Gastronomie- und Einzelhandelsbetrieben können jedoch aktuell wegen des Lockdowns nicht genutzt werden.
Nutzbar sind die drei City-WC-Anlagen an der Markmannsgasse, am Brüsseler Platz sowie am Zülpicher Platz sowie die Mobiltoilette am Yitzhak-Rabin-Platz (jeweils 24 Stunden). Des weiteren stehen in der Zeit zwischen 10 Uhr und 18.30 Uhr die drei WC-Anlagen am Friesenplatz, am Dom/Roncalliplatz und in der Mauthgasse zur Verfügung.
Missbrauch konnte nicht gestoppt werden
Die Anlage in der Krebsgasse musste nach Angaben des Stadtsprechers nach nicht einmal zwölf Monaten Nutzung im Jahr 2015 gesperrt werden, da diese von Abhängigen als „Druckraum“ missbraucht wurde. Trotz einer Reduzierung der Öffnungszeiten und mehrmaliger Reinigung am Tag konnte der Missbrauch nicht gestoppt werden. Die Anlage wurde geschlossen.
Aktuell verfügt die Stadt noch über 24 Mobiltoiletten, die aber nur saisonal (April bis Oktober) vorrangig in den Grünanlagen aufgestellt werden.