Die 20-jährige Maja Goertz will vom Schreiben leben. Dass das nicht unbedingt mit einem bürgerlichen Leben zusammen passt, weiß sie. Sie will es trotzdem. Ein Essay.
Traumberuf SchreibenWarum ich nie an Jura oder BWL gedacht habe
Schreiben als Beruf. Das klang für mich lange wie ein Traum: Geschichten erzählen, sich künstlerisch ausleben, Begegnungen in Worten einfangen. Nun stehe ich als Journalistin und kreativ Schreibende am Anfang meines Weges in diesen Beruf und manchmal macht mir das Angst.
Ich schreibe, um ein Sprachrohr für überhörte Geschichten zu sein, um zu reflektieren und Menschen mit meinen Worten zu berühren. Obwohl ich nicht daran zweifle, warum ich schreiben möchte, blicke ich mit Unsicherheit in die Zukunft. Und das in meinem Fall gerade weil ich weiß, wohin ich will.
Auflage sinkt, Literaturbetrieb leidet
Ich bewege mich in einer Branche, in der man besonders am Anfang kaum mit Sicherheit, dafür aber mit schwankendem Gehalt und selbstständiger Arbeit rechnen kann, Zeitungsauflagen sinken und auch der Literaturbetrieb leidet. Neben dem künstlerischen Freiraum bringen kreative Berufe harte Arbeitsbedingungen mit sich.
Das bedeutet: Wenn man krank ist, kommt kein Geld. So etwas wie Überstunden gibt es nicht. Wenn ich mit anderen Menschen über meinen Weg spreche, kommt es früher oder später zu dem Punkt, an dem ich mit den Achseln zucke und sage: „Na ja, wirklich etwas verdienen werde ich erst mal nicht damit.“
Ich lächle das weg, dabei treibt mich der Gedanke um und macht mir Druck. Ich kann mich nicht an eine Zeit erinnern, in der ich nicht gelesen und geschrieben habe.
Erstes Schreibheft mit sieben
Mit sieben habe ich mein erstes Notizbuch geschenkt bekommen, in der Oberstufe habe ich begonnen, kreative Texte zu schreiben und seit einem Jahr veröffentliche ich diese manchmal in kleinen Literaturmagazinen - ohne finanziellen Anreiz. Ich schreibe, um meine Gedanken zu ordnen, um Unausgesprochenem doch noch Worte zu geben und Ausflüge an Orte, die neben der Realität liegen, zu machen.
Manchmal bekomme ich Nachrichten von Menschen, die mir erzählen, dass meine Geschichten sie bewegt haben und in diesen Momenten fühlt sich das nach dem besten Lohn an. „Brotlose Kunst“ - so wird kreative Arbeit dennoch oft kommentiert. Geld kaum, aber vielleicht ein wenig Sichtbarkeit bekommt man. Und die braucht man: Veröffentliche möglichst viel, sei aufregend, stich heraus, lautet das Mantra.
Margot Gödrös ist 83 Jahre alt, trägt einen selbstbewussten roten Lippenstift und hat Jahrzehnte als freie Schauspielerin gearbeitet. Während ich ihren Lebenslauf lese denke ich: Sie ist eine, die es geschafft hat.
Zahlreiche Theaterinszenierungen in der Schweiz und in Deutschland, Rollen in Fernsehserien und dem Hollywood-Film „Darjeeling Limited“ des Regisseurs Wes Anderson. Selbstständigkeit im Beruf hat für sie vor allem mit Freiheit zu tun.
Tipps von einer 83-Jährigen
„Ich hatte einfach keine Lust, mich zu binden“, erzählt sie. Doch das verlangt auch etwas. „Ich habe im Theater in fast allen Abteilungen gearbeitet“, erzählt sie. Ich habe geputzt, an der Garderobe gearbeitet, beim Einlass, in der Beleuchtung. Die freie Arbeit lässt sich kaum mit dem klassisch bürgerlichen Lebensentwurf vereinbaren. Nicht nur für die Kunst muss man kreativ sein, sondern auch darin, wie man durchs Leben kommt, ohne die materielle Absicherung, auf die man sich verlassen kann.
Im Gegenzug gibt es Freiheit, so scheint es oft. Ich schätze diese Freiheit: Mich nicht äußeren Zwängen hingeben zu müssen, mich immer wieder neu entscheiden zu können und meinen Interessen zu folgen. So sehr ich diese kreative Arbeit, das Schreiben und meine Unabhängigkeit liebe, ich merke, dass es auch mir viel abverlangt.
Und dass diese Freiheit auch anstrengend sein kann. Gödrös stimmt zu: „Vieles fordert einen heraus. Man hat nicht immer den tollen Erfolg. Meist bleibt es so, dass man immer kämpfen muss. Diesen Kampfgeist muss man sich bewahren.“
Margot Gödrös hat das immer getan - auch heute als fest Angestellte am Kölner Schauspielhaus. Noch mit 83 steht sie auf der Bühne, mittlerweile oft mit Gehstock. „Ich mache so lange weiter, bis mich keiner mehr haben will“, sagt sie.
Bis mich keiner mehr haben will - dieser Satz dringt in mich ein. Denn: Wer will mich haben? Weder gibt es eine vorgeformte Lücke, die ich füllen kann, noch würde ich eine hinterlassen. Schreiben können viele, ihr Geld damit verdienen wollen auch viele. Sie selbst habe keinen Konkurrenzdruck verspürt, sagt Gödrös.
Vielleicht hat sich das durch Social Media verändert, wo ständig Ankündigungen für Bücher, innovative Projekte und Screenshots von Artikeln gepostet werden, bei denen ich mithalten will.
Man müsse auch irgendwie „mit dem Beruf verwachsen“, sagt Margot Gödrös. Identifikation über das Schreiben und die Suche nach Sinn im eigenen Tun - das kann ich auch bei mir beobachten. Selbstständige und kreative Arbeit kann nicht einfach nur ein Job, sondern muss gleichzeitig ein Lifestyle sein. Margot Gödrös sagt: „Das ist mein Leben. Und man muss es lieben.“
Damit hat sie recht. Man muss die kreative Arbeit lieben, um dafür Abstriche zu machen. Auf materiellen Luxus und auf feste Arbeitszeiten, denn es gibt da nicht diese Tür, die man um 17 Uhr hinter sich zuziehen kann.
„Ich nehme die Arbeit immer mit“
Ich nehme die Arbeit immer mit, wenn ich durch Instagram scrolle, in die Nacht und meine Wochenenden. Schreiben kann man schließlich überall - im Zug, im Café, am Küchentisch. Und das meist alleine - aber es gibt dann niemanden, der sagt: Du hast dein Soll erfüllt, du kannst jetzt gehen. Die Arbeit läuft immer mit.
Das kann anstrengend sein und immer wieder wünsche ich mir, dass ich nicht schon mit zwanzig von Opfern, die ich mache, sprechen müsste, dass die Vergütung fairer wäre, dass die Arbeit mehr wertgeschätzt würde und das Dogma weniger lauten würde: Du musst dich eben durchbeißen.
Ein paar Tage nach meinem Gespräch mit Margot Gödrös sitze ich meiner Freundin Sophia Fritz in der Küche ihrer Wohnung in Köln gegenüber. Sophia Fritz ist 25 alt, hat Drehbuch-Schreiben studiert und arbeitet als freischaffende Autorin und Journalistin. Für sie habe diese Selbstständigkeit auch damit zu tun, mit sich selbst zu arbeiten und die Möglichkeit zu bewahren, eigenen Fragen und Ideen zu folgen. Fest angestellt zu sein, die vorgegebene Struktur eines 9-to-5-Jobs könne sie sich nicht vorstellen. „No way“, sagt sie.
Die Rolle von Autoritäten
Aber auch in der kreativen Branche spielen Autoritäten eine Rolle. Im Literaturbetrieb, von dem Sophia Fritz spricht, Regisseure, von denen Margot Gödrös erzählt. Wir können nicht mehr mit Autoritäten umgehen, sagen viele über die Gen Z. Und vielleicht stimmt das auch. „Ich möchte Authentizität statt Autorität“, sagt Sophia Fritz.
Trotz des Wunsches nach Selbstverwirklichung und -bestimmung sehe ich bei vielen meiner Freund:innen, dass ihnen Sicherheit wichtig ist und sie Studiengänge mit guten Berufsaussichten aussuchen. Für den Traum von Sicherheit und finanziellen Rücklagen für Kinder, die man vielleicht irgendwann bekommen wird.
70 Prozent der Student:innen, die in einer Umfrage von dem Unternehmens Jobteaser befragt wurden, geben an, dass Ihnen ein unbefristeter Vertrag in der Arbeitswelt wichtig sei. Geldsorgen und kreative Arbeit - das scheint schon fast zusammenzugehören. Ich selbst habe trotzdem nicht über eine Alternative zum Schreiben nachgedacht, über Lehramt oder BWL, das ist schließlich immer gefragt.
Sophia Fritz erzählt, sie habe nach etwas „Vernünftigem“ gesucht, etwas mit Prestige, obwohl sie schreibt, seit sie 13 ist. „Ich dachte, wenn ich gerne mit Leuten rede und meine Fähigkeiten nutzen will, dann studiere ich Jura. Das habe ich einen Tag lang gemacht“, sagt sie und lacht.
Aber dann war es doch das Schreiben, ein kreativer Beruf. Seit zwei Jahren lebt sie ausschließlich vom Schreiben und arbeitet von Projekt zu Projekt. „Vielleicht ist der Unterschied im freiberuflichen Arbeiten, dass niemand auf dich wartet. Wenn du einen Raum betrittst, dann ist da kein Platz mit Namensschild für dich. Du musst dir erst mal einen Stuhl suchen“, sagt sie.
Sie erzählt von Leistungsdruck. „Der Output zählt. Erfolg hat auch immer etwas mit kontinuierlicher Performance zu tun“, sagt sie. Schreiben sei für sie immer eng mit Scham und Stolz verbunden, vor allem aber mit Authentizität. Mir geht es ähnlich. Ein Hinterfragen der eigenen Ansichten und Gefühle, ein Exerzieren seiner selbst, so empfinde ich das Schreiben oft. „Es ist, als würde man ständig auf einem Seil balancieren“, beschreibt es Sophia.
Auch wenn das Schreiben für mich eng mit persönlichen Prozessen verknüpft ist, sagt Sophia: „Ich wusste, es muss vorwärtsgehen, immer.“
Ich denke an meine eigenen Vorstellungen und Träume, von denen ich nicht oft spreche, weil die Angst daran zu scheitern so groß ist. Aber dennoch: Ich möchte gemeinsam mit anderen jungen Journalist:innen selbstbestimmte Projekte aufbauen, ich möchte Geschichten schreiben, nach denen Menschen greifen.
Vor allem aber möchte ich ernst genommen werden und dass meine Ambitionen, kreativ zu arbeiten, nicht als naiv oder verträumt abgestempelt werden. Das alles möglichst bald, ich dabei noch möglichst jung, man muss sich schließlich einen Namen machen.
Bei der Umfrage von Jobteaser sagten 78 Prozent der Befragten, dass sie sich Sorgen um ihren beruflichen Werdegang machen. Ich gehöre zu diesen 78 Prozent, egal wie viel ich schreibe, egal wie viele Meetings und Follow-ups ich mache. Weil es am Ende beim Schreiben um meine Substanz geht - das liebe ich daran. Und manchmal gruselt mich, wie existenziell es für mich ist. Trotz aller Abers und der Zweifel: Nicht zu Schreiben ist keine Option. Dafür gibt es mir zu viel. Nicht zu schreiben - das würde mich nicht glücklich machen.
Das Wichtigste sei es, keine Angst zu haben, sagt die 83-jährige Schauspielerin Margot Gördrös
Am Ende unseres Treffens frage ich Margot Gördrös, ob sie einen Rat für mich hat, als junge Frau auf dem Weg in die freie Branche. Sie überlegt einen Moment, dann sagt sie: „Keine Angst zu haben. Vor allem vor sich selbst nicht. Sagen: Das will ich! Und dafür einstehen.“