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Umbau in KölnSämtliche Seniorenheimbewohner ziehen von Dellbrück nach Riehl

Lesezeit 4 Minuten

Gertrud Vogel hat bereits ein Einzelzimmer. Sie wohnt in den Riehler Heimstätten.

Köln – Bei Gertrud Vogel ist derzeit viel los. Am 4. Oktober hat sie ihren 90. Geburtstag gefeiert. Nicht irgendwo, sondern in Paris mit einem Ausflug auf den Eiffelturm. Aber in Gertrud Vogels Leben passiert zurzeit noch mehr Außergewöhnliches. Denn die Bewohnerin der Riehler Heimstätten hat gerade auf einen Schlag 86 neue Nachbarn bekommen.

Die situation im Land

In Nordrhein-Westfalen sind 506 Heime an der Einzelzimmer-Quote gescheitert, für 399 von ihnen wurden Wiederbelegungssperren angeordnet. Das bedeutet, dass frei werdende Plätze nicht neu belegt werden dürfen. Dadurch fallen in ganz NRW 5559 Plätze weg. Laut dem Landesministerium für Gesundheit, Emanzipation, Pflege und Alter macht dies jedoch lediglich 3,1 Prozent der rund 180 000 verfügbaren vollstationären Pflegeplätze aus.

Fünf der 506 Heime, welche die Quote nicht rechtzeitig erfüllen konnten, schließen, weil der Betrieb sich nicht mehr rentiert. 76 Heime verzichten zunächst auf eine Förderung durch das Pflegewohngeld. Im Gegenzug bekommen sie eine neue Frist für die Einzelzimmerquote bis zum 31. Juli 2023. 26 Heime nutzen die Möglichkeit, Zimmer ohne eigenes Bad zu Kurzzeitpflegeplätzen umzufunktionieren. In der Kurzzeitpflege werden Pflegebedürftige für wenige Wochen im Jahr vollstationär betreut. Dadurch sind in NRW 300 neue Kurzzeitpflegeplätze entstanden.

Die neuen Seniorenheim-Bewohner sind gerade in die Riehler Anlage eingezogen und haben ihr Domizil in Dellbrück verlassen. Dorthin können sie erst in zwei bis drei Jahren zurückkehren. Denn die Sozial-Betriebe Köln (SBK) als Betreiber stehen am Beginn eines Riesenprojekts: An der Dellbrücker Hauptstraße soll in den kommenden Jahren ein modernes Seniorenwohnheim entstehen. Der bisherige Bau war in die Jahre gekommen, und so hat für die Bewohner ein Abenteuer begonnen: Sie mussten das teilweise baufällige Haus verlassen und übergangsweise nach Riehl umsiedeln. Rollstühle, in Luftpolsterfolie gewickelte Bilder, ein antiker Sekretär, Polstersessel, Kisten mit Porzellanfigürchen, Spitzendeckchen und kofferweise Kleidung – alles wurde am großen Umzugstag in die Riehler Heimstätten geschleppt.

Vorfreude auf neue Zimmer

Die Bewohner folgten ihrem Hab und Gut aufgeregt. Manche von ihnen müssen in den ersten Tagen im neuen Heim eng von Hilfskräften begleitet werden, schließlich kennen sie sich in ihrem neuen Zuhause auf Zeit noch nicht aus. Wenn das Pflegeheim in Dellbrück umgebaut worden ist, dürfen sie in nagelneue Zimmer einziehen. Diese sollen dann so aussehen wie das, in dem Gertrud Vogel heute schon wohnt.

Gertrud Vogel lebt seit zwölf Jahren im Riehler Seniorenheim. Lange Zeit wohnte sie in Haus P8, dort wo jetzt die „Neuen“ eingezogen sind. Inzwischen hat sie ein Einzelzimmer in einem der Neubauten. Zufrieden blickt sich die 89-Jährige um und schwärmt: „Ist es nicht schön hier? Ich finde es herrlich.“ 18 Quadratmeter plus fünf Quadratmeter Bad gehören zu ihrem Reich, sogar eine Terrasse zählt dazu. Alles schick und auf dem neusten Stand der Technik. Das Heim in Dellbrück soll nach dem Umbau ebenso modern sein und ausschließlich aus Einzelzimmern bestehen. Denn seit dem

1. August schreibt das „Wohn- und Teilhabegesetz“ eine Einzelzimmer-Quote von 80 Prozent vor, bei Neubauten sogar 100 Prozent. Auf diese Weise will das Land Nordrhein-Westfalen gewährleisten, dass jeder Bewohner auf Wunsch ein eigenes Zimmer bekommt.

Zahlreiche Rollstühle warten auf den Umzugswagen.

Die Herausforderung für die Träger ist enorm – und das, obwohl die Betreiber 15 Jahre Zeit hatten, sich auf die Quote einzustellen. Denn für Um- und Neubauten müssen hohe Summen investiert werden. SBK-Geschäftsführerin Gabriele Patzke rechnet allein in Dellbrück mit neun bis zehn Millionen Euro Baukosten. Um weiterhin genauso viele Plätze anbieten zu können wie bisher, wird der Bau um eine Etage aufgestockt.

Das Altenheim an der Dellbrücker Hauptstraße wird in den kommenden Jahren umgebaut.

In den riesigen Komplex an der Boltensternstraße in Riehl haben die SBK in den vergangenen Jahren bereits viel Geld gesteckt. 2009 wurde dort neu gebaut, 2016 kamen fünf weitere Häuser mit je 80 Plätzen hinzu – alle ausschließlich mit Einzelzimmern. „Wir wollen eine gute Wohnqualität bieten“, erklärt Patzke. Zuvor bestanden manche Häuser zu 40 Prozent aus Doppelzimmern. Fast alle Bewohner würden jedoch inzwischen auf einem Einzelzimmer bestehen, daher mussten sich die Heimstätten auf die veränderten Ansprüche einstellen. Dass die Quote zahlreiche Probleme mit sich bringt, weiß Gabriele Patzke nur zu gut: „Nicht jeder Träger hat von sich aus die Notwendigkeit für einen Umbau gesehen oder hatte die nötigen Mittel. Und wenn wir kein Ersatzhaus hätten, hätten wir das Heim in Dellbrück für die Zeit des Umbaus schließen müssen.“ Dann wären übergangsweise 86 Heimplätze weggefallen – was deutliche Umsatzeinbußen für die Betreiber bedeutet hätte.

Ähnliche Szenarien drohen anderen Einrichtungen in Köln. Denn trotz der langen Vorlaufzeit konnten längst nicht alle Heime die Einzelzimmerquote fristgemäß erfüllen. 81 Einrichtungen durften frei werdende Plätze (insgesamt 946) bisher nicht neu vergeben. „Wir sind noch einmal drum herum gekommen“, erklärt SBK-Geschäftsführerin Patzke. Dazu musste das Übergangshaus P8 für rund eine Million Euro aufgerüstet werden, zusätzliche Duschen und neue Küchen wurden eingebaut. Nach der Fertigstellung in Dellbrück soll das Interim abgerissen werden. Dann geht es für die Dellbrücker Gäste zurück ins angestammte Veedel.