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Umstrittenes koloniales ErbeKöln gibt Maori-Kopf an Neuseeland zurück

Lesezeit 4 Minuten

Das Foto, aufgenommen um 1900, zeigt den umstrittenen Sammler Horatio Robley vor seiner Sammlung von Maori-Schädeln. Der Kölner Maori-Schädel durfte nicht fotografiert werden.

Köln – Seit 2003 suchen Experten des „Museums of New Zealand Te Papa Tongarewa“ auf der ganzen Welt nach menschlichen Überresten der Maori, der ersten Bewohner von Neuseeland. Jetzt schickt auch die Stadt Köln einen tätowierten Maori-Schädel aus der Sammlung des Rautenstrauch-Joest-Museums in sein Herkunftsland zurück. Der Kulturausschuss des Stadtrates wird in der kommenden Woche über eine entsprechende Beschlussvorlage der Verwaltung abstimmen. Dass er zustimmen wird, steht außer Frage.

Mit dem Beschluss verbindet sich die spannende Debatte, wie denn europäische Museen mit den Objekten umgehen sollen, die Forscher, Eroberer und Sammler – oft unrechtmäßig – aus Reisen in Kolonien oder von Expeditionen mitgebracht haben. Bei manchem Ausstellungsstück kennt man die genaue Herkunft nicht, so auch im Fall des Kölner Schädels. Der erste Direktor des Völkerkundemuseums, Willy Foy, kaufte ihn 1908 von einem englischen Händler in London für damals 25 Pfund. Dieser Händler hatte ihn zwei Jahre zuvor von einem Kollegen gekauft. Woher dieser ihn hatte, weiß man nicht.

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Seit Beginn des neuseeländischen Rückführungsprogramms wurden rund 500 mumifizierte und meist aufwendig tätowierte Maori-Schädel registriert. Bislang wurden aus 14 Ländern 358 Köpfe zurückgegeben. Mit dieser Art der Konservierung der Schädel ehrten die Maori verstorbene Führungspersönlichkeiten. Sie waren auch Trophäen von Kriegern, die Köpfe ihrer Feinde aufbewahrten. In Köln werden solche Schädel schon seit Jahrzehnten nicht mehr ausgestellt. Aus Gründen der Pietät und des Respektes würden sie nicht mehr gezeigt, so das Rautenstrauch-Joest-Museum.

„Fast keine menschlichen Überreste mehr“

Zurückgegeben hat das Museum allerdings längst noch nicht alle. So befinden sich weiterhin mehrere Schädel von Einwohnern anderer südpazifischer Inseln – aus Neuguinea und den Salomoninseln – im Besitz der Stadt. Sie liegen im Museumsdepot. Besucher der aktuellen Ausstellung sehen „fast keine menschlichen Überreste“ mehr, sagte der zuständige Kurator Oliver Lueb. Eine der wenigen Ausnahmen sei eine tibetanische Knochentrompete.

Die Rückgabe des Maori-Schädels ist erst die zweite Aktion dieser Art. Die Vorgängerin des heutigen Museumsdirektors Klaus Schneider, Gisela Völger, hat vor rund 30 Jahren sogenannte „secret sacred objects“ nach Australien zurück gegeben. Das sind auf den ersten Blick profane Dinge, die aber eine besondere spirituelle Bedeutung haben. Auch von solchen „geheimen, heiligen Objekten“ hat die Stadt noch einige in ihrer Sammlung. Hier könnten sich weitere Rückgaben ergeben, so Lueb.

Debatte oft ideologisch

Was darf das städtische Museum behalten, was muss es zurückgeben? Aus Sicht von Museumschef Schneider ist das nicht pauschal zu beantworten. Die Debatte werde oft zu ideologisch geführt. Selbst die Forderung, alle Museumsobjekte aus ehemaligen Kolonien zurückzugeben, bei denen ein rechtmäßiger Erwerb nicht nachgewiesen werden kann, hält er für zu pauschal. Man wolle Einzelfälle überprüfen, wenn „ein Herkunftsland konkrete Restitutionsforderungen an uns stellt“, so wie jetzt im Fall des Maori-Schädels.

Die Gründung fast aller Museen, die sich in Europa mit den Völkern der Welt befassen, sind auf die Sammlertätigkeit in der Kolonialzeit zurückzuführen. Auch der Namensgeber des Kölner Völkerkundemuseums Wilhelm Joest zog als Forscher und Abenteurer in die Welt und brachte unzählige Objekte von seinen Reisen zu den damals sogenannten Naturvölkern mit. Im Gegensatz zu vielen anderen soll Joest mit einer „ethischen Grundhaltung“ gesammelt haben, wie es Schneider sagt. Andere Sammlungen profitieren von der Skrupellosigkeit der ehemaligen Kolonialherren, der Gier von Ausbeutern und Plünderern.

Aus Reisetagebüchern von Wilhelm Joest weiß man, dass er seine Objekte kaufte, eintauschte oder als Gastgeschenk bekam. Der Sohn einer reichen Kölner Zuckerfabrikaten-Familie war schon als 22-Jähriger im Jahr 1874 in den Orient und nach Nordafrika aufgebrochen. Später durchquerte er mit allen möglichen Verkehrsmitteln nahezu die ganze Welt, lebte zeitweise bei den Völkern, die er dort traf, und schrieb Reiseberichte und Bücher. Gelegentlich war er aber auch mit den Soldaten der Kolonialherren unterwegs. So begleitete er die britische Armee in Afghanistan und die kämpfenden Holländer in Indonesien.

Ausreichend erforscht sei die Geschichte der Sammlung von Wilhelm Joest noch nicht, räumt Schneider ein. „Die ethnologischen Museen hängen in der Aufarbeitung ihres kolonialen Erbes etwas hinterher.“ Im Rautenstrauch-Joest-Museum würde man gerne mehr in dieser Frage tun. Doch dazu braucht es zusätzliche Mittel. Der Aufwand ist groß, auch weil die Menge der Objekte aus der Zeit enorm ist.