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Uniklinik Köln„Wir wollen weniger Angst vermitteln, sondern ermutigen, ins normale  Leben zurückzufinden“

Lesezeit 4 Minuten
Das Bettenhaus der Uniklinik Köln.

Seit 25 Jahren in der allogenen Stammzellentransplantation unterwegs: Das Universitätsklinikum Köln

Seit 25 Jahren werden an der Uniklinik Köln Patienten mit allogenen Stammzellentransplantationen gerettet. Was sich seither verändert hat.

Seit 25 Jahren bietet die Uniklinik Köln allogene Stammzelltransplantation an. Was bedeutet allogen?

Professor Christof Scheid: Das bedeutet, dass wir Stammzellen von einem verwandten oder unverwandten Spender benutzen. Schon einige Jahre zuvor haben wir Stammzellen aus dem Patienten selbst entnommen, sie eingefroren und nach der Chemotherapie damit das Knochenmark wieder aufgebaut. Bei bestimmten Tumorerkrankungen, die gut auf Chemotherapie ansprechen, ist das auch heute noch sehr effektiv. Stammzellen von Spendern setzen wir dann ein, wenn eine Chemotherapie alleine keinen ausreichenden Erfolg verspricht. Dabei machen wir uns zunutze, dass die Spenderzellen die Zellen im Körper des Patienten als fremd erkennen und angreifen. Da Tumorzellen meist noch fremdartiger als die gesunden Zellen erscheinen, werden die Tumorzellen besonders stark angegriffen. Durch verschiedene Medikamente versuchen wir, die Schädigung der gesunden Zellen im Patienten abzuschwächen. Dadurch, dass die Spenderzellen im Knochenmark ständig nachwachsen, stellt die allogen Stammzelltransplantation eine dauerhaft aktive Immuntherapie dar und bietet so echte Heilungschancen.

Wie hat sich die Transplantation in den vergangenen 25 Jahren verändert?

Entscheidend. Wesentlich ist, dass wir die früher sehr strengen Isolationsmaßnahmen vorsichtig gelockert haben. Bei uns gibt es zum Beispiel anders als auf anderen Transplantationsstationen einen Flur mit hochreiner Luft, auf dem sich die Transplantierten treffen können, auf dem sie auf und ab laufen können – auch mit der Freundin. Das hört sich nach einer Kleinigkeit an, aber es macht psychologisch einen riesigen Unterschied, ob man wochenlang in einem Einzelzimmer eingesperrt ist, oder wenigstens ab und zu zur Bewegungstherapie mit anderen gehen kann.

Professor Christof Scheid, Uniklinik Köln

Professor Christof Scheid von der Uniklinik Köln hält es für eine große Errungenschaft, dass auf der Kölner Transplantationsstation„ die früher sehr strengen Isolationsmaßnahmen vorsichtig gelockert“ werden konnten.

Beim Gespräch mit einem Patienten, der vor zehn und 13 Jahren transplantiert wurde, kam zur Sprache, dass er nach der Transplantation noch seitenweise Hygieneregeln mit nach Hause bekam. Hat sich das verändert?

Ja, da haben wir sehr abgerüstet. Aus heutiger Sicht waren diese Regeln zum Teil absurd. Wir haben die Hygiene über- und die psychosozialen Auswirkungen unterschätzt. Manche Patienten haben zum Beispiel Haustiere. Früher haben wir geraten, diese nach der Transplantation abzugeben. Heute sprechen wir mit den Patienten und überlegen gemeinsam: Wie kann man einen Hund oder ein Pferd haben, und dennoch auf Hygiene achten? Manchmal heißt die einfach: Häufiges Händewaschen. Wir wollen heute nicht so sehr Angst vermitteln, sondern lieber die Patienten ermutigen, in das normale Leben zurückzufinden. Und das ist nun mal nicht steril. Natürlich hat uns auch genützt, dass es mittlerweile bessere Medikamente gegen Infektionen gibt.

Hat man auch gelernt, das neue Immunsystem besser zu steuern? Damit das nicht gleich bei jedem Keim durchdreht?

Ja, wir versuchen, zwei völlig gegensätzliche Effekt zu erreichen: Das neue Immunsystem soll tolerant gegenüber den Patientenzellen sein, aber effektiv gegen Bakterien oder Virus-befallene Zellen und auch die Tumorzellen vorgehen. Hierzu verabreichen wir vielen Patienten beispielsweise drei Tage nach der Transplantation nochmal eine Chemotherapie. Man könnte uns jetzt für verrückt halten und denken, wir machen damit schönen neuen Stammzellen gleich wieder kaputt. Aber das ist nicht der Fall. Die Chemotherapie erwischt vor allem diejenigen „übereifrigen“ Spenderzellen, die am stärksten auf die Patientenzellen reagieren, sich am schnellsten teilen, und damit am stärksten von der Chemotherapie ausgeschaltet werden. Übrig bleiben Zellen, die erst reagieren, wenn sie gezielte Bedrohungen z.B. Bakterien oder Tumorzellen erkennen.

Hat sich durch die Vorgehensweise auch die Lebenserwartung nach der Transplantation erhöht?

Gar nicht so sehr. Der Grund ist, dass wir mit den neuen Methoden viel mehr Patientinnen und Patienten transplantieren können. Früher haben wir gesagt: Über 55 Jahre klappt das nicht mehr. Heute behandeln wir Menschen auch noch mit 75 Jahren und oder auch dann, wenn sie schon mehrfache Vorerkrankungen haben. Dadurch gehen wir höhere Risiken ein und verzerren so die Statistik. Wenn wir vergleichbare Patienten anschauen, hat sich die Lebenserwartung deutlich verbessert.

Wo vermuten Sie den nächsten Durchbruch in der Stammzellentransplantation?

Der Weg führt auf jeden Fall zu immer mehr Kombinationen unterschiedlicher Therapieformen. Wir wissen heute zum Beispiel schon, dass es am besten ist, wenn zum Zeitpunkt der Stammzellentransplantation möglichst wenig Tumorzellen im Köper unterwegs sind. So kann sich das Spender-Immunsystem in Ruhe etablieren und dann gezielt zuschlagen, wenn es zu einem Nachwachsen der Tumorzellen kommt. Bei bestimmten Erkrankungen können z.B. sogenannte CAR-T-Zellen eingesetzt werden, die aus patienteneigenen Blutzellen durch Genmanipulation hergestellt werden. Diese Zellen vernichten fast alle Tumorzellen, erschöpfen sich aber oft nach einiger Zeit. Bevor dies eintritt, kann man dann durch eine allogene Stammzelltransplantation ein neues Immunsystem aufbauen, dass dann möglichst lebenslänglich die Arbeit der Tumorabwehr übernehmen kann. Durch solch geschickte Kombinationen wie in diesem Beispiel können wir noch besser werden.