Urban GardeningNoch mehr Obstbäume für die Kölner
- Im Rahmen des Konzepts „Essbare Stadt“ will die Stadt noch mehr Obstbäume in öffentlichen Grünanlagen pflanzen.
- Die Kölner können an den Bäumen kostenlos ernten.
- Bislang gibt es 36 Streuobstwiesen in der Stadt.
Köln – „Vorsicht, Bienen“ warnt ein Schild. Die Wiese liegt verlassen, das Gras ist hoch gewachsen. Hier knattert niemand mit dem Rasenmäher herum wie in vielen Hausgärten. Dafür ist die Natur umso geschäftiger, Vögel zwitschern, die Bienen summen. Die Kirschbäume tragen alle noch weiße Blüten, viele aber schon welk, die Blühphase ist bald zu Ende. Im Juli werden die Früchte rot am Baum hängen.
Die älteste Obststreuwiese Kölns befindet sich in Fühlingen am Mennweg. Es ist ein verwunschenes Idyll, das von Spaziergängern wohl nur zufällig entdeckt wird, wenn überhaupt.
Von insgesamt 36 Obststreuwiesen stadtweit liegen elf im Stadtbezirk Chorweiler, oft so versteckt, dass meist nur die Ortskundigen den Standort kennen.
Die auf städtischen Grundstücken angelegten Obstwiesen, deren Erträge der Bevölkerung seit jeher frei zur Verfügung stehen, sind neuerdings Teil des Konzeptes „Essbare Stadt“. Das hat die Stadtverwaltung entwickelt und in einem elfseitigen Papier dargelegt.
Acht Bezirksvertretungen (BV) haben sich damit befasst, alle haben Ja gesagt – mit Ausnahme des Nippeser Stadtteil-Parlaments. Es lehnte ab, unter anderem mit dem Argument, das Konzept sei beliebig. Das Votum der BV Innenstadt steht noch aus.
Die Bezirkspolitiker in Chorweiler waren angetan: Die Idee halte sie für „grundsätzlich sehr begrüßenswert“, lobte Eike Danke (SPD). Wolfgang Kleinjans (Grüne) pflichtete ihr bei, verlangte aber auch, die Bürger seien mit ins Boot zu holen, sollten in jedem Fall profitieren können.
Eine Stadt essbar zu machen, bedeutet, in den öffentlichen Parks statt Blumen und Sträucher Pflanzen zu ziehen, die Früchte tragen, solche, die für den Menschen zum Verzehr geeignet sind. Äpfel, Kirschen, Nüsse, aber auch Kohl, Kürbis, Kartoffeln, Paprika, Möhren, Kräuter zum Beispiel. Jegliches Gemüse, alle Sorten von Obst.
Vorbild: Andernach in Rheinland-Pfalz
Urban Gardening in aller Konsequenz. Die Stadt Andernach hat vorgemacht, wie das geht. Der Erfinder der essbaren Stadt ist Lutz Kosack vom Andernacher Stadtplanungsamt. Ein Fünftel der Grünanlagen ist in der Kleinstadt bereits in Nutzgärten umgewandelt. Die Vorgehensweise ist denkbar einfach: Die Verwaltung pflegt die Beete, die Bevölkerung pflückt. Weil Gemüseanbau arbeitsintensiv ist, wurden als Gärtner 25 Langzeitarbeitslose zusätzlich eingestellt.
Was in Andernach mit seinen 30.000 Einwohnern seit Jahren bestens funktioniert, ist nicht so ohne weiteres auf eine Millionenstadt zu übertragen.
So macht das Kölner Grünflächenamt im Konzept „Essbare Stadt“ denn auch Konzessionen: Zwar solle künftig bei Neupflanzungen in Grünanlagen, an Schulen, Sportplätzen und öffentlichen Gebäuden essbaren Pflanzen der Vorzug gegeben werden, doch wolle man sich dabei auf Obst beschränken. Der Anbau von Gemüse sei wegen des hohen Pflegebedarfs sowie der zu erwartenden Verunreinigung durch Hundekot und Müll nicht praktikabel, heißt es im Papier.
Darüber hinaus möchte die Verwaltung in Zukunft die schon in Köln bestehenden Garten-Initiativen aktiv unterstützen. Idee ist etwa, sie alle auf einer städtischen Webseite zusammenzufassen, damit sich interessierte Bürger informieren können, etwa über Aktivitäten in ihrer Nachbarschaft.
Chorweiler ist ein ländlich geprägter Stadtbezirk. In den Dörfern leben viele Menschen im Eigenheim mit Garten. Man könnte also vermuten, dass im Stadtbezirk kaum Interesse am Urban Gardening besteht, rund um den Pariser Platz schon gar nicht, denn dort regiert der Beton. Die meisten Balkons sind kahl, tragen höchstens eine Satellitenschüssel.
Aber weit gefehlt: Auch in Chorweiler wird mit Begeisterung öffentlich gegärtnert, selbst im Hochhausviertel. Pionier war vor drei Jahren das Marie-Juchacz-Zentrum, wo die Heimleitung für die Senioren auf der Dachterrasse Hochbeete aufstellen ließ. Im Hof zudem wurden damals Beerensträucher und Kräuter angepflanzt. Jeder Bewohner darf sich bedienen.
Und in Esch hatte Rolf Kloubert vor einigen Jahren eine gute Idee. Der Besitzer einer Obststreuwiese mit elf Apfelbäumen – jeder Baum trägt eine andere uralte Sorte – stellt das Obst der Allgemeinheit zur Verfügung. Im September ist die Ernte stets ein Ereignis beim Dorffest. Vor allem die Kinder haben Spaß dabei. Jeder darf mitnehmen, so viel er mag, ob nur für einen Kuchen oder sackweise. Eine mobile Mosterei parkt auf der Straße, die Äpfel können gleich zu Saft gepresst werden.