Veedels-CheckDie Uhren ticken in Dellbrück anders
Köln-Dellbrück – Engelbert Hock öffnet die Türe seines Autos. Er wolle uns mitnehmen auf eine Zeitreise, sagt der Vorsitzende des Bürgervereins Dellbrück. Nicht in die Zeit des Thurner Hofs, urkundlich im 16. Jahrhundert erstmals als Rittergut erwähnt, auf dessen Gelände 1988 der Biogarten der Volkshochschule entstanden ist. Auch nicht in die Zeit, in denen die Kicker von Preußen Dellbrück 1950 das Halbfinale um die Deutsche Fußballmeisterschaft erreichten und ihre Spiele teilweise auf ihrer Spielstätte „Et Höffge“ austrugen. Viel mehr heißt es bei dieser Zeitreise „Zurück in die Zukunft“.
Der erste Halt ist gar nicht weit vom Ausgangspunkt, dem Marktplatz „An der Kemperwiese“ entfernt. Dort, an der Von-Quadt-Straße, wo sich früher die „Ecole School Tabora“ – das Gelände der belgischen Schule befand – wird heute kräftig gebaut. Öffentlich geförderter Wohnungsbau, Einfamilienhäuser, eine Kita. „Leider wurde das Verkehrskonzept für die öffentliche Erschließung des gesamten Geländes bis heute von der Stadt nicht entwickelt. Der Bürgerverein hatte dies bereits bei der Projektvorstellung gefordert“, sagt Hock. Probleme bei der Zufahrt und der Ausfahrt aus dem neuen Baugebiet scheinen vorprogrammiert.
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Weiter geht es in Richtung Steinweg und Hyazinthenweg. Dort, wo sich Wohnsiedlungen von Mitgliedern der in Dellbrück stationierten belgischen Streitkräfte befanden, wurde in den letzten Jahren fleißig gebaut und modernisiert. „Die gehen weg wie geschnitten Brot“, sagt Hock. Der 68-Jährige benutzt nicht häufig Anglizismen, aber wenn er von dem Stadtteil spricht, spricht er von „Boomtown Dellbrück“.
An der Jakob-Strünker-Straße haben die Abrissbagger bereits ganze Arbeit geleistet. Sie werden bald weiterziehen zur Straße Auf der Jüchen. Auch hier sind neue Wohnungen geplant, die alten Häuser werden dafür dem Erdboden gleich gemacht. „Ich verstehe, dass alle hierhin wollen“, sagt Hock augenzwinkernd – er ist selbst ein „Zugereister“: „Ich lebe gerade mal 43 Jahre in Dellbrück. Aber meine Frau, die kommt von hier.“
Es gebe viele junge Familien, die den Weg nach Dellbrück fänden: Eine Entwicklung, die er und der Bürgerverein sehr begrüßen. Allerdings mahnt er eine mitwachsende Infrastruktur an: „Die Schulen müssen mitwachsen. Gerade an den Grundschulen im Stadtteil wird es eng“, sagt der Vereinsvorsitzende. Nicht nur der Wohnungsmarkt entwickelt sich rasant.
Der Leskan-Park – die Alteingesessenen sagen immer noch gerne „Walther-Gelände“ – hat sich positiv entwickelt. Der Name verweist auf die Firmengeschichte: Hier errichtete die Feuerschutz-Firma „Total Walther“ vor gut 125 Jahren ihre ersten Hallen – und „leskan“ bedeutet etymologisch betrachtet nichts anderes als „löschen“.
Einige Unternehmen haben sich hier angesiedelt, auch die Bundesbahn wird auf 7300 Quadratmeter ein Ausbildungszentrum errichten. Vielleicht klappt es dann auch schneller mit dem Ausbau der S-Bahn-Linie 11, die künftig immerhin schon im Takt von zehn anstatt zwanzig Minuten fahren soll. Ganz im Sinne der Dellbrücker: Dauert die Fahrt in die Innenstadt so nur ein paar Minuten. Auch die vielbefahrene Bergisch Gladbacher Straße soll so entlastet werden.
Größter Arbeitgeber Zollkriminalamt
Vorbei geht es an Dellbrücks größtem Arbeitgeber – dem Zollkriminalamt. Seit 1998 ist es auf dem Areal der ehemaligen Kaserne Moorslede untergebracht. Auch hier sind weitere Investitionen geplant – für rund 20 Millionen Euro.Weiter geht es „ins Zentrum“ – die Dellbrücker Hauptstraße. Engelbert Hock verweist auf unverkennbare Veränderungen: Eine ehemalige Freifläche ist mittlerweile zugebaut. Eine weitere Großbaustelle wird im Sommer angegangen, wenn das Seniorenheim an der Dellbrücker Hauptstraße umgebaut wird. Mirjam Seelbach, Vorsitzende der IG Dellbrücker Hauptstraße, beobachtet schon seit längerem „die ein oder andere Veränderung“.
Durch die Bauprojekte entstünden Leerstände, die aber zunächst einmal nicht weiter bedrohlich seien. Aber es bleibe noch abzuwarten, wie die neu gebauten Flächen und die Altbestände schlussendlich vermietet werden. Generell gilt auch für Seelbach: „Die Dellbrücker Hauptstraße ist heute noch eine funktionierende Veedels-Einkaufstraße.“
Das liege zum einen daran, dass die Menschen aus dem Veedel hier einkaufen. „Aber es gibt auch engagierte Einzelhändler, deren Produkte von den Filialisten auf der Straße ergänzt werden.“ Sie selbst ist vor zehn Jahren aus der Südstadt nach Dellbrück gezogen und kann trotz komplett anders gelagerter Infrastruktur auch hier fast alles vor Ort besorgen – „und ergänzt wird das Ganze durch ein fantastisches kulturelles Angebot. Jedes Wochenende gibt es Konzerte, Lesungen, Kunstausstellungen oder etwas anderes zu erleben.“
Dellbrücker Jazzfestival ist beliebt
Einmal im Jahr wird die Hauptstraße mitsamt der Lokalitäten rundherum zum Schauplatz eines großen Musikfestivals, das weit über die Grenzen des Stadtteils hinaus Freunde gefunden hat: Immer dann nämlich, wenn der Verein „delljazz“ um den Vorsitzenden und ehemaligen WDR-Big-Band-Musiker Klaus Osterloh zur Dellbrücker Jazzmeile laden. Natürlich dreht sich dann vieles, aber eben nicht alles um Jazz – auch musikalisch bleibt man hier selten auf eingetretenen Pfaden.
So wie dieses Musikfestival über die Hauptstraße hinaus ausstrahlt, will es künftig auch die IG selbst tun: Mit den derzeit 47 Mitgliedern wird die IG sich weiter öffnen und sich nicht nur auf die Hauptstraße beschränken. Das allerdings geht mit einer Änderung des Namens und der Satzung einher – „da sind wir gerade in der Umsetzungsphase“, so Seelbach. Die Zeiten seien eben vorbei, in denen jeder nur bis zu seiner Ladentür dachte: „Viele Themen müssen und können nur gemeinsam angepackt werden.“
Das motiviert viele Dellbrücker und bringt mehr Dynamik ins Veedel. Bemerkenswert ist in diesem Zusammenhang aus Seelbachs und Hocks Sicht eine deutliche Verjüngung der Nachbarschaft: Dellbrück ist als attraktiver Wohnort für junge Familien offensichtlich sehr angesagt. Und auch bei vielen Geschäften hat inzwischen ein Generationenwechsel stattgefunden, der viel frischen Wind ins Veedel gebracht hat.
Die Geschichte des Veedels Dellbrück
Dellbrück entstand aus vier Ortsteilen: Thurn, Strunden, Alt-Dellbrück und Hagedorn. Wann das Gebiet genau besiedelt wurde, ist nicht klar. Es gibt Ausgrabungen, die belegen, dass hier schon vor mehr als 8000 Jahren Menschen lebten. Im nördlichen Dellbrück wurde eine Grabhügelkette entdeckt, die heute unter Denkmalschutz steht. 685 Hügelgräber wurden nachgewiesen.
Das Gebiet gehörte zum Herzogtum Berg. Die Entwicklung Dellbrücks begann mit der Anlage des Bachlaufes für den Strunder Bach durch die Franken. Zuerst erwähnt ist eine Mühle 1250. Zeitweise wurden durch ihn mehr als 50 Mühlen angetrieben, die letzten bis Anfang des 19. Jahrhunderts. Zeugnisse dieses Wirtschaftszweiges sind die Gierathermühle oder die Strundener Mühle sowie der Grafenmühlenweg.1868 wurde Dellbrück über die Sülztalbahn an das Eisenbahnnetz angebunden. 1906 erfolgte die Anbindung an Köln. 1914 wurde Dellbrück, das ab 1905 zur Bürgermeisterei Merheim gehört hatte, nach Köln eingemeindet. Im Zuge dessen entstand in den 1920er Jahren auch die sogenannte Märchensiedlung, die sowohl auf Holweider wie Dellbrücker Gebiet liegt.
Die Baustellen im Veedel Dellbrück
Im Jahr 2014 beschloss die Bezirksvertretung Mülheim den Marktplatz umzugestalten. Die Verwaltung präsentierte mehrere Varianten, die Anfang 2016 vorgestellt wurden. Seitdem warten die Bürger darauf, dass sich etwas tut – nun soll im Frühjahr 2018 ein externes Ingenieurbüro mit der Umgestaltung beauftragt werden. Eine Umsetzung der Maßnahme wurde bis 2020 in Aussicht gestellt. Ähnlich verhält es sich mit der Dellbrücker Hauptstraße. Im Juni 2015 beschloss die Bezirksvertretung, die Einkaufsstraße fußgängerfreundlicher zu gestalten. Zebrastreifen, Halteverbote, Fahrradständer und Tempo 20. Zeitnah umgesetzt werden sollte das Ganze – doch davon keine Spur. Licht am Horizont: Die Verwaltung teilte kürzlich mit, dass die Umsetzung demnächst angegangen werden soll. Das wünschen sich die Dellbrücker auch in Sachen Verkehr, insbesondere auf der Bergisch Gladbacher Straße. Hier gibt es stadtübergreifende Planungen, was beispielsweise den Ausbau des ÖPNV betrifft. Vieles, auch eine Neustrukturierung des Verkehrsflusses, wird allerdings erst in etlichen Jahren realisierbar sein.