Veedels-CheckRiehl – ein tierisch schönes Veedel im Wandel
- Dieses Veedelsporträt ist Teil unserer großen Stadtteil-Umfrage, an der sich 33.000 Leser beteiligt haben.
- Die Ergebnisse des Veedelschecks veröffentlichen wir nach und nach auf unserer Veedelscheck-Seite
Köln-Riehl – Rhythmisch schallt das Klopfen des Buntspechts auf seiner Suche nach Insekten und Larven. Soweit nicht ungewöhnlich. Nur, dass der Baum nicht im Königsforst oder einem angrenzenden Wald steht, sondern in einem Innenhof in Riehl, dem bei weitem artenreichsten Veedel der Stadt – und das nicht nur wegen der eine Million Blattschneiderameisen, die in zwei Völkern im Insektarium des Zoos ihre unermüdliche Arbeit verrichten. 11.648 Tiere aus 829 Arten sind auf 20 Hektar Fläche einer der stärksten Publikumsmagneten in Köln.
„Die Riehler mögen ihren Zoo“, freut sich dessen Direktor Theo Pagel. Von ganz wenigen Ausnahmen mal abgesehen. „Unsere Nachbarn passen mit auf. Etwa, wenn spätabends jemand aus dem Axa-Hochhaus anruft, dass jemand durch den Zoo fährt. Aber das sind wir dann selbst“, meint der Zoochef vergnügt, der sich einen anderen Standort für seine Schützlinge kaum vorstellen könnte.
Große Tiere – großes Interesse
Pagel hat nicht nur einen Blick für die Tiere, sondern auch für die Besucher. Mancher Jahreskarteninhaber kommt zwar immer noch täglich, um Marlar zu besuchen, nach wie vor ein Star des Tiergartens. „Aber es sind nicht nur die großen Tiere, die das Interesse auf sich ziehen. Am Löwengehege oder bei den Buchara-Hirschen stehen viele Menschen mit riesigen Kameraobjektiven – die sind aber nicht auf Fotosafari nach Großwild, sondern nach dem 40 Gramm leichten Eisvogel.“
Einer, der sich mit dem ehemaligen Kölner Vergnügungsviertel – „de jolde Spetz“ – besonders gut auskennt, ist der Stadtteil-Historiker Joachim Brokmeier. „Die Mischbebauung aus Villen und Mehrfamilienhäusern macht den Charme von Riehl aus“, sagt er. Wo Mietshäuser mit Stelen und dem Schriftzug „Verliebt in Riehl“ verschönert werden. Wo sich glücklich schätzen kann, wer eine Wohnung in der Naumann-Siedlung ergattern konnte, die Ende der 1920er-Jahre auf dem Gelände der ehemaligen Ziegelei Delfosse entstand und umfassend saniert wurde.
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Vielleicht auch, wer im Axa-Hochhaus am Rheinufer residiert, das Anfang der 1970er-Jahre hochgezogen wurde und bis heute das höchste hauptsächlich zu Wohnzwecken genutzte Gebäude Deutschlands ist. Wer mit Brokmeier unterwegs ist, begibt sich nicht nur architektonisch auf eine Zeitreise.
Eine eher umstrittene Schönheit ist St. Engelbert am Riehler Gürtel. Dominikus Böhm sorgte Anfang der 1920er-Jahre mit der gewagten Anlage für einen großen Aufreger im Erzbistum. Sie steht für den Beginn moderner Kirchenarchitektur in Köln: Das „Sternkuppelprojekt mit freistehendem Turm“ (so der Arbeitstitel) sorgt bis heute für Diskussionen. St. Engelbert ist fast vollständig aus Beton gegossen, die tragende Konstruktion auch im Innenraum deutlich erkennbar. Ein weiterer Kirchenbau in Riehl ist die protestantische Stephanuskirche. Sie zeigt ihre Schönheit mit den Glasmosaikfenstern in Regenbogenfarben erst im Inneren.
Ein Zuhause im Seniorenzentrum
Zwischen Boltensternstraße und Niehler Gürtel erstreckt sich auf parkartigem Gelände der Hauptsitz der Sozial-Betriebe-Köln (SBK), von vielen heute noch liebevoll „Riehler Heimstätten“ genannt. Das Senioren- und Behindertenzentrum bietet vielen hundert Menschen – und übrigens auch einer unbekannten Zahl an Kaninchen auf den Wiesen zwischen den Häusern – ein Zuhause. Wegen der zahlreichen betagten SBK-Bewohner weist Riehl mit 47,7 Jahren das zweithöchste Durchschnittsalter aller Stadtteile aus.
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Das prägt in Teilen auch die Atmosphäre im Stadtteil; nicht nur Brokmeier empfindet das so. Die Riehler sind fürsorglich. Immer findet sich jemand, der Rollstuhlfahrern oder Rollator-Senioren behilflich ist. 1177 aller Riehler Bewohner sind älter als 80 Jahre, im drei Mal so großen Nippes sind es gerade zwei Dutzend mehr. Mit dem Projekt Quartiersentwicklung entsteht deshalb gerade eine besondere Art der Nachbarschaftshilfe speziell für die ältere Generation.
Bei einem Abstecher zu Gabriele Patzke, Geschäftsführerin der SBK, wird die Freude über die noch fast klassisch-dörfliche Nahversorgung spürbar. „Es ist alles da, was man für den täglichen Gebrauch benötigt. Gerade ältere Menschen nutzen die Angebote wegen der kurzen Wege gern, aber es gibt auch für Jüngere ein interessantes Angebot.“
Auf die Rheinauen, den Zoo, die Flora und den Park der SBK sind die Riehler sicher zu Recht stolz, Brokmeier bescheinigt „seinem“ Veedel, in dem er jedes Mauseloch kennt, aber auch „etwas mehr Betulichkeit“ als anderen Stadtteilen. „Aber gerade das ist vielleicht ja auch das Besondere hier.“
Ein Veedel im Wandel
Doch es gibt auch andere Beobachtungen. Etwa die von Brian Batstone, dem langjährigen Chef-Elefantenpfleger im Zoo: „Das Veedel ist im Wandel. Es findet gerade ein Generationenwechsel statt, viele junge Familien ziehen hierher.“ Kürzlich eröffnete in einem leerstehenden Ladenlokal eine neue, im Stadtteil dringend benötigte Kinderbetreuung.
Mit seinen drei Grundschulen ist der Stadtteil attraktiv auch für jüngere Menschen. Der Wochenmarkt, mittwochs und samstags auf dem Gürtel, zieht längst nicht mehr nur Kunden aus dem eigenen Veedel an. Mode- und Schreibwarengeschäft, Blumenladen und Supermarkt existieren zum Teil schon seit Jahrzehnten.
Und doch bereitet manchem Riehler die Stammheimer Straße, liebevoll nicht nur von Brokmeier „die Meile“ genannt, auch Sorgen. Der Strukturwandel des Einzelhandels macht auch vor Riehl nicht Halt (siehe auch „Kleines Ortszentrum im Wandel“, Seite 32). Die einzige Metzgerei schloss kürzlich ihre Türen. Immerhin, das schön-nostalgische Haushaltswarengeschäft Remagen & Thurn hält sich tapfer, und die Eisdiele Colussi hat einen Nachfolger gefunden. Und das sind ja gute Nachrichten.
Eines eint alle Riehler, gleich welchen Alters: Besonders wohl fühlen sie sich, wenn sie an sonnigen Tagen die Flora genießen und vielleicht die ältere Dame beobachten, die liebevoll die beiden „Flora-Katzen“ – von denen niemand so genau weiß, wo sie eigentlich zu Hause sind – krault und mit so lautem Geschnurre belohnt wird, dass selbst die laut kreischenden Halsbandsittiche dagegen ankämpfen müssen.
Die Geschichte des Veedels
Urkundlich erwähnt wird Riehl erstmals im Jahr 972. Dort, wo heute die Frohngasse auf den Rhein trifft, lag die Lehenschaft, die zu der Zeit zur Benediktinerabtei Mönchengladbach gehörte. Der Name ist vermutlich keltischen Ursprungs. Die keltische Bezeichnung „rigol“ für Flusslauf kommt dem Namen Riehl wohl am nächsten.
Im 13. Jahrhundert bildete ein 1244 erwähnter Fronhof den Mittelpunkt des Lehens. Durch Erbkauf fiel Riehl 1437 an das Kloster Altenberg. 1447 sowie 1784 und 1788 wurde das einst blühende Riehl durch Hochwasser fast vollständig zerstört. Als 1860 der Zoo und 1864 die Flora entstand und ein Teil der Stadtbefestigungsanlage auf dem Gelände des heutigen Skulpturenparks gebaut wurde, war für den alten Ort kein Platz mehr. Er wurde durch Aufschüttung weiter nach Norden verlegt.
1874 wurden die ersten Häuser an der Stammheimer- und Hittorfstraße gebaut, 1988 kam die Eingemeindung. Um 1900 zählte Riehl 900 Einwohner, am alten Standort hatte sich ein Amüsierviertel etabliert, „die goldene Ecke“. Ab 1925 erlebte Riehl einen Entwicklungsschub. In nur acht Jahren verdreifachte sich die Einwohnerzahl auf rund 14.600.
Die Veedels-Baustellen
Riehl ist begehrter Wohnort mit viel Lebensqualität. Dennoch brennen den Bürgern einige Themen unter den Nägeln. Die Parkplatznot im Veedel wird immer dramatischer. Besonders vor Markttagen, wenn die Parkplätze auf dem Riehler Gürtel wegfallen, und an Wochenenden, wenn die Besucher in Zoo und Flora strömen, geht nichts mehr.
2006 wollte die Bezirksvertretung Anwohnerparken einführen, was aber am Protest der Anwohner scheiterte. Die fordern seither und bis heute vergebens ein Parkraumkonzept, das vor allem den Besucherzahlen von Zoo und Flora gerecht wird. In diesem Problemfeld ist der Zoo selbst aktiv geworden und schuf an der Riehler Straße und vor dem Nebeneingang Parkmöglichkeiten.
Ebenfalls seit Jahren in der Planung ist die Neugestaltung des „Riehler Plätzchens“. 2011 wurde eine Umgestaltung des Abschnitts vor der Gastronomie in die Bezirksvertretung eingebracht und dort beschlossen. Passiert ist bis heute nichts.