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Veedels-CheckWiddersdorf ist friedlich getrennt in alt und neu

Lesezeit 7 Minuten
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Der Golfplatz ist Anziehungspunkt nicht nur für Widdersdorfer.

Widdersdorf – „Wir sind hier noch umgeben von Natur, überall Wiesen und Felder, das ist das Allerbeste an unserem Veedel.“ Marlene Stotko lächelt, wenn sie von Widdersdorf erzählt. Tatsächlich ist das Viertel im Kölner Westen das einzige, das an kein anderes direkt angrenzt. Eine Insel der Glückseligen? Was für die zahlreichen Kinder ein Segen ist, kann für Pendler und Senioren auch schon mal zum Ärgernis werden.

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Marlene Stotko ist Quartiersmanagerin.

Marlene Stotko, 62, ist seit 2016 Quartiersmanagerin. Sie kümmert sich vor allem um die Belange der älteren Einwohner und kennt die Probleme. „Ohne Auto kommt man hier nicht weit“, sagt sie. „Ältere Menschen profitieren zwar von dem Naturbezug, aber wenn man nicht mehr mobil ist, wird’s schwierig.“ Ob zum Supermarkt oder Arzt, lange Fußwege müssen miteingeplant werden. „Das Einkaufen gehen erhalten sich die Senioren noch gerne und lange, weil es für sie immer ein kleines Erlebnis ist.“ Außerdem wohnen vor allem die Senioren im Alt-Widdersdorfer Teil, während die Jüngeren in das vor drei Jahren eröffnete Neubaugebiet „Prima Colonia“ im Süden gezogen sind. „Es wäre toll, wenn sich das mehr durchmischt“, hofft Stotko. „Dass die verschiedenen Generationen zusammenwachsen, sich helfen und gegenseitig unterstützen.“

Die Bebauung des südlichen Veedels durch den Investor Amand hat auf einen Schlag einen sehr großen Einwohnerzuwachs mit sich gebracht. Es war Anfang des Jahrzehnts das größte Wohnungsbauprojekt Deutschlands und brachte auf 132 Hektar mehr als 24.000 Wohneinheiten. In den 1980er Jahren begannen die Planungen, 2006 der Bau der Kanäle. Die letzten Häuser wurden 2015 fertig. Kein anderes Veedel ist in den letzten Jahren so rasant gewachsen. Waren es Ende der 1990er noch rund 5000 Bewohner, ist das Veedel mit dem dörflich-beschaulichen Charakter heute auf rund 12.000 Einwohner angewachsen. 2066 Widdersdorfer wohnen durchschnittlich auf einem Quadratkilometer.

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Institution seit 1904: die Alte Brennerei (l.) Der Golfplatz ist Anziehungspunkt nicht nur für Widdersdorfer.

Dank der neuen Siedlungen gehört der Ort an der A1 zu den jüngsten Stadtteilen Kölns. Mehr als 92 Prozent der Widdersdorfer wohnen in Ein- oder Zwei-Familienhäusern, ganz anders als das Bild, was man gemeinhin mit der Millionenstadt Köln verbindet. Ein Teil von Köln, mittendrin und doch ohne den ganzen Trubel der Großstadt. Bekannte und beliebte Ecken sind die vielen alten Höfe, der Beginenhof, das Haus Rath oder die 1904 entstandene Alte Brennerei an der Hauptstraße, in der Familie Adams über drei Generationen hinweg bis 1994 Korn gebrannt hat. Heutzutage wird der Schnaps zwar im Westerwald gebraut, Wilfried Adams verkauft ihn aber auch heute noch freitags bei einem Garagenverkauf in der Alten Straße.

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Auch die Kirchengemeinde St. Jakobus ist nicht zu vernachlässigen, führt doch der Jakobsweg durch Widdersdorf und bescherte der Gemeinde ihren Namen. Gemeinsam mit der evangelischen Kirchengemeinde bieten die Gemeinden viele Angebote, aber Pfarrerin Liane Scholz findet: „Was hier fehlt, ist nette Gastronomie oder Lokale, wo man sich schön hinsetzen kann.“ So treffe man sich stattdessen immer zu Hause oder fahre in die Nachbarstadtteile, wenn man ausgehen wolle. „Aber das geht auch nur, wenn man mobil ist.“ Oft wird Kritik laut, dass beim Ausbau die Infrastruktur zu wenig beachtet wurde. „Da ist was dran“, gibt Bezirksbürgermeisterin Helga Blömer-Frerker offen zu. Sie kennt das Problem und setzt sich seit einigen Jahren für eine bessere Anbindung ein.

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Daniela Roß und Mechthild Brandt verkaufen Frisches im Neu-Subbelrather Hof.

Bezirksvertretung und Verkehrsausschuss haben bereits beschlossen, die Linie 1 oder 4 zu verlängern. „Auf der Straße Unter Linden wurde ein breiter Grünstreifen für die Trasse freigehalten“, sagt sie. „Jetzt müssen wir untersuchen, welche Verlängerung schneller zu realisieren ist.“ Realistisch betrachtet, könne man bei Straßenbahnen allerdings mit zehn bis 15 Jahren rechnen, bis alles geprüft und entschieden ist. Die genannte 30 Meter lange Allee verdankt ihren Namen den in vier Baumreihen gepflanzten 179 Linden und gehört zum neuen Teil des Veedels. Die älteren Anwohner haben die großen Veränderungen der vergangenen Jahre eher verängstigt, sagt Pfarrerin Scholz. „Dass sich so viel verändert mit den neuen Häusern und allem, hat die alten Leute überrascht und an den Rand gerückt“, sagt sie. Sie freut sich darüber, dass die Gemeinde größer geworden sei, doch Berührungspunkte zwischen den Generationen gebe es kaum.

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Auf der Allee „Unter Linden“ soll eine Straßenbahnlinie verlaufen.

Ins Neubaugebiet kamen viele junge Familien, insbesondere mit Kleinkindern, für die hier viel geboten wird. Felder, Wiesen, Spielplätze und ruhige Straßen bieten viel Platz zum Spielen und Austoben. Wer sich sportlich betätigen will, findet unzählige Möglichkeiten beim Sportverein Lövenich/Widdersdorf. Und das Jugendzentrum „Alte Schule“ ist sowieso schon seit vielen Jahren ein fester Bestandteil von Widdersdorf. Neben mehreren Grundschulen und Kitas fehlte jahrelang jedoch eine weiterführende Schule, sodass Ältere in die Nachbarstadtteile ausweichen mussten. Doch das gehört der Vergangenheit an. „Ich bin froh, vor zwei Wochen das Gymnasium Zusestraße eröffnet haben zu dürfen“, zeigt sich Bezirksbürgermeisterin Blömer-Frerker erfreut. Rund 120 Fünftklässler konnten zu Schuljahresbeginn die neue Schule neben der privaten Internationalen Friedensschule besuchen.

Ein großes Manko bei der Freizeitgestaltung sind die wenigen Ausgehmöglichkeiten. Nach und nach mussten immer mehr Bars und Kneipen schließen, übrig blieb schließlich nur noch das urige „Em Övvje“ mit gerade mal 20 Plätzen. Alternativen bieten da nur die Räume des „Kölner Golfclubs“, bei dem auch viele Nicht-Widdersdorfer zu finden sind.Doch was der Golfclub so richtig gut kann? Einen wunderbaren Ausblick auf den Sonnenuntergang über die Felder bieten. Das ist einer von Melanie Bollhorsts Lieblingsorten im Veedel. Auch sie liebt die Nähe zur Natur, aber: „Hier ist einfach nichts los.“ Deswegen engagiert sie sich und veranstaltet mit ihrem Team von der Widdersdorfer Dorfgemeinschaft Karnevalszüge und -sitzungen, Maifeiern und ein großes Sommerfest, bei denen sich alle Generationen treffen. Auch Bollhorst wohnt im Neubaugebiet und erlebt die zwei Welten hautnah. „Die Älteren sind am Anfang schon recht argwöhnisch gewesen, die dachten, hier ziehen nur so reiche Leute mit schicken Villen hin“, sagt sie lachend. „Aber mittlerweile klappt die Integration ganz gut, mit der Zeit gibt sich das alles.“ Bei den Festen und deren Vorbereitung sehe sie immer wieder viele helfende Hände, „da helfen auch mal bis zu 1000 Leute mit und man lernt immer total viele nette Menschen kennen.“ Sie hofft auf viele weitere, bunt gemischte Feste, damit sich Widdersdorf bald nicht mehr in Jung und Alt aufteilt.

Veedels-Geschichte

Schon zu Zeiten der Römer und dann wieder im achten Jahrhundert war Widdersdorf besiedelt. Als „Wedersdorp“ wurde es erstmals im Jahre 1109 urkundlich erwähnt. Der Name lässt sich vermutlich auf die Tierbezeichnung Widder zurückführen. Der Kern des kleinen Dorfes bestand zu dieser Zeit aus drei großen Höfen, die zum kirchlichen Besitz gehörten.

Vor allem im 19. Jahrhundert wurde das Siedlungsgebiet Widdersdorf stark verdichtet, 1959 begann der Ausbau im östlichen Teil des Veedels. Seit dem 1. Januar 1975 ist Widdersdorf offiziell ein Teil der Stadt Köln. Durch das Neubaugebiet Widdersdorf Süd, auch Prima Colonia genannt, das 2015 fertiggestellt wurde, zogen viele junge Familien mit Kindern nach Widdersdorf. Der Stadtteil sollte von 6500 Einwohnern auf 10 000 Einwohner wachsen. Inzwischen sind es mehr als 12 000. Bis heute konnten alle bedeutenden Hofanlagen und die dörfliche Struktur erhalten bleiben.

Veedels-Baustellen

Widdersdorf ist mit seiner Lage vor den Toren der Stadt zwar nah an der Natur, aber weit weg von der Innenstadt. Zwar ist man mit dem Auto in rund 15 Minuten in Ehrenfeld, doch insbesondere morgens und nachmittags zu den Stoßzeiten ist ein schnelles Vorankommen unmöglich. Auf dem Lise-Meitner-Ring Richtung Militärring und der Hauptstraße Richtung Bocklemünd gibt es morgens Staus. Auch die Anbindung an den ÖPNV ist nicht optimal. Viele Widdersdorfer wünschen sich eine Straßenbahnhaltestelle, im Gespräch waren unter anderem eine Verlängerung der 4 aus Bocklemünd oder der 1, aber passiert ist noch nichts. Zwar gibt es einige Busse, die ihren Weg nach Widdersdorf finden, jedoch kommen diese häufig nur ein- oder zweimal die Stunde und fahren lediglich über die Hauptstraße oder Unter Linden entlang, was insbesondere für die Älteren aus den anderen Straßen ein Problem darstellt.

Widdersdorf hat Problem mit Kita- und Grundschulplätzen. Das schnelle Wachstum des Veedels konnte von den bestehenden Schulen nicht gedeckt werden. Wer nach Widdersdorf zieht, hat durchschnittlich zwei bis drei Kinder, meist im jungen Alter, weswegen die Grundschulen oft überfüllt sind. Ein Gymnasium gibt es erst seit diesem Schuljahr. Dennoch müssen viele ältere Kinder aus Widdersdorf in einen anderen Stadtteil zur Schule pendeln und längere Busfahrten in Kauf nehmen.