VeedelsspaziergangLutz van der Horst zeigt seine Lieblingsplätze in Ehrenfeld
Ehrenfeld – „Hallo, wir sind verabredet, oder?“ fragt Lutz van der Horst höflicher und überflüssiger Weise, als er das Café Maifeld betritt. Um 11 Uhr an diesem Vormittag herrscht hier noch verschlafene Ruhe – kaum möglich, den Interviewpartner zu übersehen. Van der Horst bietet gleich das Du an. Ohnehin hat man das Gefühl, einen guten Bekannten vor sich zu haben, so oft war man schon Komplize, wenn van der Horst für die „Heute Show“ auszog, die Polit-Elite das Fürchten zu lehren. Das Café am Simarplatz hat er als Treffpunkt ausgewählt, „weil der Laden nicht auf so unangenehme Weise »in« ist. Man kann hier noch ganz entspannt sitzen und frühstücken.“ Für Entspannung ist jetzt allerdings keine Zeit, van der Horst hat einiges vor, wie der Blick auf seinen – sorgfältig am Computer geschriebenen – Spickzettel verrät. „Außerdem ist eine 40-prozentige Regenwahrscheinlichkeit vorhergesagt.“
Erste Station ist der „Espresso Point“ am Lenauplatz. In dem urigen Laden hinter türkisfarbener Altbaufassade röhrt ohrenbetäubend die Bohnenmahlmaschine. „Ich behaupte jetzt einfach mal, dass es hier den besten Kaffee von Köln gibt“, schreit van der Horst gegen den Lärm an. „Das kannst du ruhig so schreiben.“ Zum Beweis gibt er einen Cappuccino aus, dann geht es auf die andere Straßenseite zum Max-und-Moritz-Brunnen. Hier sitzt er gern und beobachtet die Leute, „immer dann, wenn niemand Zeit hat, sich um mich zu kümmern.“ Kann er denn tatsächlich noch in Ruhe Leute beobachten? „Ich werde in letzter Zeit tatsächlich immer häufiger erkannt.“ Auf die Nerven geht ihm das nicht. „Die Leute sind bis jetzt immer sehr nett gewesen.“ In seiner Stimme schwingt die Überraschung desjenigen mit, der von Berufs wegen Leuten auf die Füße tritt – und trotzdem nur Zuneigung erntet. „Es gibt ja Kollegen im Comedy-Bereich, die einfach nur draufhauen. Ich versuche, die Grenze zum Verletzend-Sein nicht zu überschreiten. Ich glaube, das merken die Leute.“
Vielleicht liegt es ja auch an seiner Heimatstadt. Auf ihr tolerantes Lebensgefühl sind die Kölner schließlich besonders stolz. Und was für Köln gilt, gilt für Ehrenfeld im Besonderen, findet Lutz van der Horst. Im Viertel treffen sich Alte, Junge, Ausländer, Urkölner, Normale, Verrückte. Van der Horst wohnt seit fünf Jahren hier. 1975 wurde er in Köln geboren, aufgewachsen ist er im Gereonsviertel. Von da aus ging es an den Kaiser-Wilhelm-Ring. Und jetzt eben Ehrenfeld. „Weiter weg von meinem Elternhaus habe ich es nie geschafft. Klar habe ich mir zwischendurch gedacht: »Du musst doch mal woanders hin!« Aber es gab nie einen guten Grund.“ Auch beruflich nicht. Köln ist nun mal Fernsehhauptstadt. Und außerdem natürlich die schönste Stadt der Welt – „wenn man genügend Kölsch getrunken hat.“
Lesen Sie im nächsten Abschnitt: Wo Lutz van der Horsts Karriere angefangen hat.
Hier hat Lutz van der Horst studiert und angefangen, fürs Radio zu arbeiten. Soviel erfährt man schon, wenn man seinen Namen googelt. „Ich lese meinen Wikipedia-Artikel sehr gerne. Den ersten hatte ich noch selbst geschrieben. Aber der wurde wegen Irrelevanz gelöscht.“ Um vor der Kamera zu stehen („Ich wollte mein ganzes Leben nichts anderes“), spielte er sogar im rosafarbenen Hasenkostüm. Inzwischen ist er der bekannteste Fernsehstörenfried auf jedem Parteitag, wo er vor laufender Kamera Politiker überrumpelt.
Inzwischen hat sich die Sonne hinter den Aprilwolken hervorgekämpft. Eigentlich säße man jetzt ganz gern noch ein wenig mit Lutz van der Horst beim besten Kaffee von Köln und philosophierte über das Verrückte. Aber wir müssen weiter, schließlich gibt es noch mehr zu sehen.
In der Subbelrather Straße befindet sich ein weiteres Highlight des Van-der-Horst-Tages: der Edeka. Ein bisschen altbacken sieht der Supermarkt aus, und er ist auch nur bis 20 Uhr geöffnet. Aber „da gibt es eine so nette Kassiererin“. Dem Laden hält van der Horst nicht nur wegen des Personals die Treue. „Ich habe erfolgreich durchgesetzt, dass das Knuspermüsli mit Rosinen wieder ins Sortiment aufgenommen wird.“ Leider ist van der Horsts Lieblingskassiererin nicht zu sehen. Mehr Glück haben wir ein paar Häuser weiter in der urigen Bäckerei Schragen. Mitarbeiterin Silvana begrüßt den treuen Kunden überschwänglich und behauptet, immun gegen den Lutz-van-der-Horst-Humor zu sein. „Ich mache ihn mit meinen Sprüchen fertig“, strahlt sie.
In der Platenstraße, nur wenige Meter weiter, ist das Arkadas-Theater noch geschlossen, aber davor steht ein Regal mit Büchern und allerlei Krimskrams. Die Idee: Jeder kann sich etwas mitnehmen und stellt beim nächsten Besuch wieder etwas dazu. Lutz van der Horst nimmt sich kurz Zeit zum Stöbern. „Neulich habe ich hier eine tolle James-Last-Platte gefunden.“ Heute hat er kein Sammlerglück. Dafür aber Hunger.
Für das Mittagessen schlägt er ein veganes Restaurant vor. Den Tipp hat er von seinem Bruder: „Der ist ein militanter Veganer.“ Auf dem Weg kommen wir an der Eckkneipe „Em drügge Pitter“ vorbei. Es folgt ein Moment des ehrfürchtigen Innehaltens. „Ich habe den Laden noch nie bei Tageslicht gesehen.“ Und noch eine Beichte: Lutz van der Horst, der Urkölner, trinkt kein Kölsch. „Ich vertrage das nicht mehr. Zu viel Histamin oder so.“ Stattdessen weicht er auf Pils aus. Im „Em drügge Pitter“ nimmt ihm das keiner übel.
Zur U-Bahn-Station Leyendecker Straße ist es ein kleiner Umweg, aber van der Horst besteht auf einem Besuch in dem hellen, weitläufigen Bahnhof. „Ich fahre oft extra eine Station weiter, um hier auszusteigen.“ Ein Auto besitzt er nicht. „Ich habe einen Führerschein, aber ich bin sicher seit 15 Jahren nicht mehr gefahren. Ich weiß gar nicht, ob ich‘s noch kann.“ Kleine van-der-Horst-Pause. „Naja, eigentlich konnte ich es noch nie.“
Auch zu Fuß sind es nur wenige Minuten bis zum Asia-Imbiss „Mei Wok“. Die junge Frau hinter der Theke guckt verlegen. „Lutz van der Horst? Das sagt mir jetzt gar nichts.“ Als sie in die Küche eilt, um die Kollegin um Erlaubnis für ein Foto im Lokal zu fragen, macht van der Horst ein besorgtes Gesicht: „Die hält mich für einen Scharlatan.“ Immerhin, die Kollegin ist einverstanden und van der Horst bestellt beglückt das vegane Chop Suey, „Bitte asiatisch scharf!“ Wirklich richtig scharf soll das heißen. „Als Mitteleuropäer wird man ja oft gar nicht ernst genommen, wenn man in einem asiatischen Restaurant ein scharfes Gericht bestellt.“ Auch deshalb kommt er gern ins „Mei Wok“: Scharf bedeutet hier wirklich scharf. Das Geheimnis: „Es muss beim Essen ein bisschen wehtun.“
Auch für seinen Job geht Lutz Alwin van der Horst (er heißt wirklich so) bis zur Schmerzgrenze. Dabei ist er bereit, sich selbst genauso lächerlich zu machen, wie seine potenziellen Opfer. Allerdings nicht um jeden Preis. „Ich versuche trotz allem immer, respektvoll zu sein.“ Auch gegenüber Politikern – mit denen er nach eigenem Bekunden weniger Mitleid hat als mit Privat-Personen.
Unsere letzte Station ist der Musik-Club „Arttheater“, Schauplatz vieler wilder van-der-Horst-Nächte. Am helllichten Tag sieht es hier eigentlich ganz harmlos aus. Aber am Eingangstor hängt ein Schild: „Bitte unterlasst das Urinieren, Erbrechen und Flaschenwerfen.“ „Ich bin ein bisschen vernünftiger geworden“, räumt van der Horst ein. „Aber ich gehe schon ganz gerne aus.“ Zum Feiern. Oder zum Essen. Zu dem Thema hat er übrigens noch ein dringendes Anliegen: Ein richtig gutes indisches Restaurant – das fehle noch in Ehrenfeld. Durchaus möchte er das als Aufruf verstanden wissen. Vielleicht wird sein Wunsch dann ja bald erhört. Die Chancen stehen nicht schlecht. Beim Müsli hat es schließlich auch geklappt.
Lesen Sie im nächsten Abschnitt: Die Lieblingsplätze von Lutz van der Horst im Überblick.
„Der beste Kaffee von ganz Köln“: Espresso Point, Lenauplatz 10
„Wie eine Dorfbäckerei mitten in der Stadt“: Bäckerei Schragen, Subbelrather Str. 277
„Vegane asiatische Küche. Auf Wunsch auch richtig scharf“: Mei Wok, Venloer Str. 384
„Unaufgeregter Laden mit gemischtem Publikum und Rockmusik“: Em drügge Pitter, Ecke Venloer Str. / Lessingstraße
„Bei Tageslicht harmlos“: Arttheater, Ehrenfeldgürtel 127
Lutz van der Horst bezeichnet sich selbst als „schauspielenden und schriftstellenden Comedy-Journalisten“. Seit 2009 ist er als Außenreporter für die Satiresendung „Heute Show“ im ZDF unterwegs. Für das Comedy-Format arbeitet er auch als Autor.