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Verkehrsdezernentin im Interview„Die Stadt Köln hat ein Umsetzungsdefizit“

Lesezeit 6 Minuten

Kölns Verkehrsdezernentin Andrea Blome

Köln – Die neue Kölner Verkehrsdezernentin Andrea Blome spricht im Interview über schnelle Entscheidungen, erste Vorhaben und Wege aus dem Stau.

Frau Blome, Sie sind seit sechs Wochen Verkehrsdezernentin – ein Spitzenposten in der Stadtverwaltung, den es vorher nicht gab. Wie ist Ihr erster Eindruck?

Ich werde überall zugewandt empfangen und habe den Eindruck, es wird als gut empfunden, dass es jetzt ein eigenes Verkehrsdezernat gibt. Manchmal kommt auch ein bisschen Mitleid mit in den Blick, so nach dem Motto: Da haben Sie sich ja ganz schön was vorgenommen. Ich merke, dass die Mitarbeiter es gut finden, dass eine Fachfrau gekommen ist. Ich habe in Düsseldorf in etwa das Gleiche als Amtsleiterin gemacht. Ich bin daher sofort in den täglichen Themen zu Hause und komme schnell in die Projekte herein.

Es wird erwartet, dass Sie die Dinge intensiver und schneller angehen, weil sie sich nur um den Verkehr kümmern müssen und nicht wie Ihr Vorgänger auch um die Stadtentwicklung. Ist das realistisch?

Ja. Ich habe 100 Prozent Aufmerksamkeit darauf, das ist schon ein Unterschied. Ich glaube deshalb, dass es jetzt schneller gehen wird. Meine Vorstellung sind schnelle Entscheidungen und kurze Wege.

Wie schwierig ist es, neues Personal zu bekommen?

Gerade im Ingenieurbereich gibt es einen Fachkräftemangel. Die Stellen sind vom Gehalt her bei der Stadt Köln auch nicht so gut bewertet. Deshalb werden interessante Mitarbeiter von anderen abgeworben. Wir sollten lieber weniger Personal haben, aber dafür richtig gute, besser bezahlte Leute, die in kleinen Kernteams arbeiten. Das ist natürlich ein sensibler Prozess.

Das Team ist nicht größer als bislang – müssen Ihre Mitarbeiter jetzt also mehr leisten?

Sie sind beschäftigt mit Verwaltungsvorgängen, die ich so aus Düsseldorf nicht kenne. Ich bin sehr entscheidungsfreudig. Wenn jemand mit einem Thema zu mir kommt, kann er sehr schnell mit seiner Arbeit weitermachen. Meine Aufgabe ist es, die jeweiligen Optionen zu prüfen und mit der Politik zu reden.

Was sagen Sie zu einem Ratsbeschluss, der nach 16 Jahren noch nicht umgesetzt wurde, wie es beim Brandschutz in den U-Bahn-Tunneln der Fall war?

Das war natürlich sehr unglücklich. Man hätte da sicher mehr Zwischenberichte geben müssen. Das kenne ich so nicht. Es gibt ja auch andere ältere Vorgänge, die schon länger liegen.

Ist die Stadtverwaltung in Düsseldorf gegenüber der Politik selbstbewusster?

Die Politik mischt sich da nicht in diesem Maße ein und ist nicht so kleinteilig unterwegs. Die wollen auch etwas wissen und bohren nach, aber nicht bei allem. Die Kommunalpolitiker sind Ehrenamtler, und das kostet viel Kraft. Da frage ich mich, ob die Kraft nicht besser eingesetzt wäre bei einer höheren Überflughöhe. Es besteht in Köln vermutlich auch ein gegenseitiges Misstrauen.

Welche Verkehrsthemen müssen jetzt dringend angepackt werden?

Wir haben keine Verkehrsleitzentrale, die sieben Tage und 24 Stunden besetzt ist. Es gibt diesen ewig langen Prozess zur Beschaffung eines zentralen Verkehrsrechners. Dass die viertgrößte Stadt in Deutschland verkehrstechnisch noch einen so großen Nachholbedarf hat, das hat uns in Düsseldorf schon immer irgendwie beeindruckt.

Die Situation in Düsseldorf sieht also anders aus?

Ja, mittlerweile schon. Ich bin dort 2004 Amtsleiterin geworden. Das war damals die Zeit der großen Ampelausfälle. Das war in allen Großstädten ganz normal, weil das alles Nachkriegsware war, die irgendwann ihr Lebensalter erreicht hatte. Und da haben wir angefangen, an den Großknoten die Anlagen auszutauschen. In Köln wird das aber inzwischen auch angegangen. Das Thema ist akut wegen des Luftreinhalteplans.

Es werden regelmäßig die vorgeschriebenen Stickstoffoxid-Werte überschritten. Sind Fahrverbote noch vermeidbar?

Es gibt noch andere Möglichkeiten. Noch liegt nicht die ganze Stadt in einer Umweltzone. Da kann man schauen, was das noch bringen würde. Ein weiteres Mittel könnten umweltsensitive Pförtnerampeln sein.

Was kann die Stadt unternehmen, um den Verkehrsfluss zu verbessern?

Der Pendlerverkehr von außen ist ein Verkehrsbedürfnis, das da ist. Der Umstieg auf die Schiene ist zurzeit umständlich und nicht attraktiv. Das müssen wir stärken, aber da sind unsere Einflussmöglichkeiten begrenzt. Hinzu kommt, dass man bei Schienenprojekten immer über sehr lange Zeiträume bis zur Umsetzung redet.

Die Binnenverkehre innerhalb der Stadt sind ein anderes Thema. Wir müssen massiv das Carsharing ausbauen. Da wird ein Auto von sieben Menschen benutzt und nicht wie sonst von einem – das ist ein gewaltiger Sprung. Darüber hinaus muss der Radverkehr an Bedeutung gewinnen. An Ideen und Planungen hat diese Stadt kein Defizit, sie hat ein Umsetzungsdefizit.

Wie wichtig wäre es, ein Prestigeprojekt wie „Ring frei“ umzusetzen, um den Radverkehr auf den Ringen zu stärken?

Ich habe mich mit den Initiatoren bereits verabredet, um mir das vor Ort anzuschauen. Ich finde das Engagement sehr spannend. Die Menschen, die sich daran beteiligen, sind interessant.

In diesem Zusammenhang wird eine „Protected Bike Lane“ gefordert, also ein Radweg, auf dem die Radfahrer durch Poller geschützt werden. Was halten Sie davon?

Die Initiative möchte ja Tempo 30 auf den Ringen einführen. Dann ist es nicht nötig, auch noch Barrieren aufzustellen, damit da tatsächlich niemand auf den Radweg herüberfahren kann. Indem man den Verkehr allgemein verlangsamt, wird es auch für den Radfahrer sicherer.

Köln ist eine der staureichsten Städte in Europa. Was antworten Sie, wenn Sie jemand fragt, was man dagegen unternehmen kann?

Man muss erstmal einen Moment innehalten und daran denken, dass man selbst auch ein Teil des Staus ist. Jeder muss bei sich selber anfangen und über Verhaltensänderungen nachdenken. Ist es richtig, dass ich zum Bäcker mit dem Auto fahre oder kann ich das nicht anders machen? Die Stadt muss bessere Anreize dafür schaffen, wie etwa bessere Radwege und Radabstellanlagen.

Wie sind Sie denn eigentlich selbst in Köln unterwegs?

Mit dem Auto. Das soll aber nicht so bleiben. Zwischen dem Stadthaus in Deutz und dem Rathaus in der Altstadt pendele ich bereits mit der Straßenbahn. Sobald ich die Stadt besser kenne, will ich sie zumindest im Kernbereich auch als Radfahrerin und Fußgängerin kennenlernen.

Zur Person

Andrea Blome (56) hat seit 1. Januar die Leitung des neu geschaffenen Verkehrsdezernats inne. Zuvor war die gelernte Architektin Chefin des Amts für Verkehrsmanagement in Düsseldorf. Die gebürtige Bielefelderin ist verheiratet und Mutter zweier Söhne.