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Verschieben, Trennen, Kinder kriegenWie drei Lockdown-Paare doch noch heirateten

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Claudia Ast-Jürgens und Ralf Jürgens: Das Outfit der Braut brachte der DHL-Bote.

  1. Wir haben mit drei Paaren gesprochen, die ihre Hochzeitspläne wegen Corona ändern mussten.
  2. In Locations wie der Kölner Wolkenburg herrscht fast schon wieder Alltag.
  3. Manches Paar hat sich über die zwei Jahre aber auch schon wieder getrennt.

Köln – Lange war es so, dass zwischen standesamtlicher Hochzeit und kirchlicher Trauung – oder auch nur einem großen Hochzeitsfest – ein paar Wochen, vielleicht wenige Monate liegen. Weil die Brautpaare auf besseres Sommerwetter warten zum Beispiel. Dass jedoch standesamtliche Hochzeiten seit 13. März 2020 geschoben werden, mehrmals, und die große Feier bei vielen Paaren immer noch nicht stattgefunden hat, das ist ein neues Phänomen. Seit dem ersten Lockdown gehört Schieben, Neuplanen und Nachholen zum Heiraten wie das Ja-Wort vor dem Standesbeamten. Teils mit kuriosen Konsequenzen.

Wir haben mit drei Paaren gesprochen, aber auch mit Veranstaltern, Gastronomen, Hoteliers, Schneiderinnen, Blumenhändlern. Mit Menschen, für die Hochzeiten zum Alltagsgeschäft gehören – aber der Alltag seit mehr als zwei Jahren noch immer nicht zurückgekehrt ist.

„Im Vergleich zu 2020 und 2021 ist in unseren Betrieben seit diesem Frühjahr schon wieder das Gefühl von Alltag zurückgekehrt – und dennoch sind wir meilenweit entfernt von alltäglichem Betrieb“, sagt Rudolf von Borries. Der Unternehmer betreibt neben der Event-Location Wolkenburg noch drei weitere Standorte in Köln und im Rheinland, in denen er kleine, große und stimmungsvolle Feste ausrichtet. Wenn die Wolkenburg, die einstige mittelalterliche Klosteranlage in der Kölner Innenstadt, von Privatleuten gemietet wird, dann in der Regel für Hochzeiten.

In den Locations wie der Kölner Wolkenburg fehlt das Personal

Und jetzt, wo die Beschränkungen „endlich auf null runtergefahren sind, die Menschen nicht mehr verängstigt sind, und wir wieder feiern könnten, fehlt an allen Ecken das Personal. Unsere festangestellten Mitarbeiter arbeiten derzeit 25 bis 30 Prozent mehr, um den Mangel ausgleichen zu können.“

Um wie früher drei bis vier Hochzeiten an begehrten Sommerterminen parallel ausrichten zu können, braucht von Borries einen Stamm von 150 freien Mitarbeitern. „Die sind jedoch alle weg, die Leute haben sich krisensicherere Jobs jenseits von Gastronomie und Veranstaltungsgeschäft gesucht.“ Dazu sei der Krankenstand hoch, die Feiern und Feste fielen insgesamt kleiner aus. Der Umsatz ist also geringer, dafür sind die Kosten für Dienstleister um das Dreifache gestiegen und der Einkauf ist mittlerweile um ein Drittel teurer. „Das können wir allerdings nicht ohne weiteres weitergeben, auch wenn viele Gäste viel Verständnis für unsere Situation aufbringen“, sagt von Borries. „Es ist ein unheimlicher Kraftakt.“

Kölner Hotelier renovierte „The New Yorker“

Auch Johannes Adams, der in Köln drei Hotels betreibt und im Deutz-Mülheimer-Hafen neben dem Hotel The New Yorker in den historischen Fabrikanlagen Eventlocations wie Dock One und Harbour Club führt, hatte schwer zu kämpfen mit den pandemiebedingten Schließungen. „Aber wir haben die Zeit genutzt: Während der Lockdowns haben wir das Hotel „The New Yorker“ kurzentschlossen wieder renoviert und mit einer Klimaanlage ausgerüstet . Ansonsten standen wir vor der größten Herausforderung seit Eröffnung 1999. Die vergangenen zwei Jahre gleichen einer Fahrt durch den Nebel, wie ein Flug ohne Navigation.“

Alle Hochzeiten, die geplant, verschoben und zum Teil erneut verschoben wurden, waren für Adams und sein Team mit einem enormen Kommunikationsaufwand verbunden: Mit Floristen, Caterern, Ausstattern für Technik und Mobiliar und natürlich mit den Paaren selbst mussten immer wieder neue Termine gefunden werden.

Manches Paar hat sich über die zwei Jahre schon wieder getrennt

Dazu kam die Unsicherheit, ob es überhaupt noch mal anders wird. Alle in ihrer Enttäuschung wieder aufzumuntern, damit die lange geplanten und ersehnten Feste später oder irgendwann gefeiert werden können. „Ein Paar ist mittlerweile getrennt, die Hochzeit abgeblasen, aber bei einem anderen Paar ist ein Kind geboren, die Feier wird nachgeholt“, sagt Adams. Wie Licht und Schatten sei das alles, nur in sehr extremer Form.

Im Grandhotel Schloss Bensberg, eine der exklusivsten Adressen im Kölner Umland, sah es ähnlich aus: 25 Trauungen wurden 2020 storniert, die zum Teil nachgeholt wurden, 15 konnten 2021 stattfinden, zählt die Marketing-Managerin Katharina Lauterbach auf. Wenn es gut geht, kann das Hotel in diesem Jahr wieder 50 Hochzeiten ausrichten, das wäre die Anzahl wie vor Pandemie. Über die Höhe des Verlusts spricht Lauterbach nicht, sagt nur, dass außer dem Brautpaar oft auch der engere Familienkreis bis zur ganzen Hochzeitsgesellschaft rund um den Termin im Hotel nächtigt.

Kurze weiße Kleider für das Standesamt als Rettung

Müßig zu erwähnen, dass es die rund um eine Hochzeit gebuchten Dienstleister genauso hart getroffen hat – mit Ausnahmen allerdings. Die auf Brautmode spezialisierte Designerin Claudia Heller ist ein Beispiel von wenigen: „Ich bin gut durch die Zeit gekommen. Meine kurzen, knielangen, Brautkleider haben mich gerettet.“ Natürlich waren die bodenlangen Bestellungen auf Eis gelegt, aber viele Bräute hätten sich dann für die standesamtliche Trauung ein schönes kurzes Kleid anfertigen lassen.

„Geheiratet wurde ja trotzdem, zum Glück.“ Stoffe waren vorhanden, Lieferengpässe hatte sie nicht, nur ihre Logistik wurde etwas anspruchsvoller: „Ich schickte Pakete mit Kleidern zur Auswahl bis nach Zürich und Kopenhagen.“

Claudia Ast-Jürgens und Ralf Jürgens: Erstmal war gar nichts erlaubt

Zu viel verraten will Claudia Ast-Jürgens nicht. „Die Party soll ja noch stattfinden“, sagt die Fotografin. Mit ihrem Mann, Ralf Juergens, ist sie seit 16. Mai 2020 verheiratet. Eine kirchliche Trauung war nie geplant, ein großes Fest aber schon. Und die Location soll eine Überraschung für die Gäste werden. Deshalb sagt sie nur: Dachterrasse, Blick auf die Domspitzen.

Wann es so weit sein wird, kann das Fotografen-Ehepaar im Moment noch nicht sagen. Denn die Feier soll sicher sein und kein Wagnis, stattfinden wie die standesamtliche Trauung – nur eben mit Gästen und nicht allein mit Trauzeugen.

„Zu diesem Zeitpunkt, noch im ersten Lockdown, war wirklich gar nichts erlaubt, aber schieben und verlegen wollten wir keinesfalls“, sagt Claudia, die zu der Zeit mit ihrem Mann schon zwölf Jahre zusammen war. Außerdem wurden sie von der Standesbeamtin mit den Worten ermuntert: „Heiraten Sie, ich habe nämlich keine anderen Termine in Aussicht“, erinnert sich Claudia Ast-Jürgens und lacht. Also heirateten sie, „wenn auch unter wirklich komischen Bedingungen.“

Das Outfit brachte der DHL-Bote

Die Feier, die am späten Nachmittag direkt nach der Trauung in der Rentkammer des historischen Rathauses hätte stattfinden sollen, sagten sie erst drei Wochen vorher ab. Die ständigen Änderungen zu diesem Zeitpunkt seien mühsam gewesen. „Drei Tage vor der Trauung wussten wir nicht, wie viele Leute mit ins Standesamt dürfen.“ Das Paar hoffte bis zum Schluss, dass sich die Regularien ändern, etwas möglich sein wird. Aber so gut wie nichts war möglich. Frisör, Goldschmied, Einzelhandel, ihre Schneiderin - einfach alles war geschlossen. Statt einem maßgefertigtem Brautkleid empfing Claudia täglich den DHL-Boten mit neuen Paketen fürs Outfit. „Tasche, Schuhe, alles in zig Größen und Varianten.“

Genau zehn Leute waren dann zur Trauung zugelassen, das ging mit Trauzeugen und den beiden Müttern gerade auf. Viele Freunde warteten vor dem Standesamt, gratuliert wurde aus der Ferne, Reiskörner und Rosenblüten durften nicht fliegen, dafür gab es viele schöne Videobotschaften, von all jenen, die nicht anreisen konnten. Gefeiert wurde schon, nur sehr klein mit sechs Personen. „Unsere Trauzeugen richteten ein Überraschungs-Barbecue in ihrem Garten aus, mit Torte, Blumen und allem Pipapo.“ Es war anders als geplant, emotional und absolut außergewöhnlich, fasst Claudia zusammen.

Christina und Alexandre Marleau: Adventskalender zur Aufheiterung

Möglicherweise bleibt eine Corona-Hochzeit mehr in Erinnerung als jede andere Trauung unter normalen Umständen. „Es war alles toll: Freunde und Familie bereiteten uns über ein Jahr lang immer wieder die schönsten Momente, sorgten für gute Laune, wenn keiner mehr so richtig an eine Hochzeit glauben wollte. Wir bekamen die lustigsten Adventskalender zur Aufheiterung, unsere Eltern ermutigten uns täglich, die Feier stattfinden zu lassen. Aber einschlafen konnte ich wochenlang nur mit Beruhigungstee“, erinnert sich Christina Marleau, Projektmanagerin aus Rodenkirchen.

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Christina und Alexandre Marleau haben ihre Hochzeit extra verschoben - und heirateten dann doch nur zu zweit und mit Maske.

Die standesamtliche Trauung war geplant für den 18.12.2020. Christina und Alexandre haben sie verschoben auf den 26.3.2021, in der Hoffnung, dass dann alle Gäste mit ins Standesamt dürfen. Am Ende war dann weniger möglich als zum ersten Termin, die standesamtliche Trauung fand zu zweit, ganz ohne Freunde und Familie, statt.

„Wir wollten einfach nicht noch mal verschieben, wir wollten ja dann auch heiraten“, sagt Alexandre, der für die strategische Ausrichtung eines Onlineportals zuständig ist.

Alle waren durch die Pandemie ausgehungert

Die kirchliche Trauung in der St. Martin Kirche in Friesheim und die anschließende Feier konnte das Paar auf Gut Clarenhof am 4.12. 2021 feiern. „Das war alles sehr schön, auch wenn es in Strömen geregnet hat, und ein paar Gäste krankheitsbedingt absagen mussten. Eine unglaublich schöne Hochzeit. So wie wir uns das vorstellten. Nach dem Fünf-Gänge-Menü gab es den Hochzeitstanz und nach einer Minute war die Tanzfläche voll, weil alle durch die Pandemie so ausgehungert waren und tanzen wollten. Feiern bis morgens um fünf Uhr“, erinnert sich Christina.

Gerade erst kam das Paar aus den Flitterwochen zurück. Eine Reise über die Toskana bis nach Sardinien, wo sie Zeit hatten, das aufregende Hochzeitsjahr gemeinsam noch mal revuepassieren lassen zu können. Es konnte alles stattfinden, nur eben mit viel zittern, bangen und hoffen zwischendurch: Dass das Paar nach der standesamtlichen Hochzeit zu zweit zu Hause war, die Eltern nur auf einen Sprung vorbeikommen durften, das Restaurant Taku ein Menü lieferte, das werden sie irgendwann mal ihren Enkeln erzählen, für die das dann hoffentlich so abstrus klingen mag wie die Wörter Pandemie und Corona.

Annika und Georg Göttgens: In die Wartezeit hinein platze Matteo

Die große Feier, die wird irgendwann stattfinden. So viel ist sicher. Wie sie aussehen soll, weiß Annika Göttgens auch schon genau: „Eine Freie Trauung, in langem Kleid, feiern in ländlicher Umgebung, samt Stall und Scheune, mit Currywurst-Bude, Zuckerwattestand und allem Drum und Dran und natürlich sehr vielen Gästen“, sagt die Notfall-Krankenschwester. Nur wann, das will sich das Ehepaar offenhalten.

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Annika und Georg Göttgens sind seit einem Jahr verheiratet. Die große Feier wurde wegen Corona verschoben - und dann kam auch noch Matteo.

Denn zwischen standesamtlicher, familiärer und sehr feierlicher Hochzeit am 31.7. 2021 im Trausaal von Schloss Bensberg mit anschließender Feier im kleinen Kreis, und dem ganz großen Fest irgendwann, kam Matteo vor rund vier Monaten auf die Welt.

Nicht nur die Geburt war anstrengend, auch das viermalige Verschieben der Hochzeit, „war nicht ganz ohne“, sagt der Ehemann Georg, selbstständiger Vermögensberater. Der erste Hochzeitstermin war für 21.11.2020 vorgesehen, im zweiten Lockdown. „Aber wir wollten mit wenigstens 18 Freunden und Verwandten feiern, der kleinste Kreis.“ Doch dann kamen immer wieder neue Verordnungen und Restriktionen. „Und auf eine Trauzeugenhochzeit oder gar Zoom-Hochzeit, wie sie zu der Zeit ja auch stattgefunden haben, hatten wir wirklich gar keine Lust“, sagt Annika. Es folgte ein Warten und Verschieben mit einer mitunter unendlichen Korrespondenz zwischen Schloss, Standesamt, geladenen Gästen. „Aber alle Beteiligten hatten eine immense Geduld und großes Verständnis, inklusive dem Standesbeamten, der eine einstündige, sehr persönliche Hochzeit für das Paar im Zanetti Saal zelebrierte.

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„Im Juli hätten wir im Hotel mit 50 Personen feiern dürfen, aber die Außenstelle des Bensberger Standesamtes, dem Zanetti Saal im Schloss, war natürlich an die Weisungen der Städte gebunden“, erklärt Georg Göttgens. „Dieses ganze Hin und Her war schon mit einem riesigen Aufwand verbunden, die Nachrichten mit weiterem Aufschub wurden irgendwann zum „running gag“, sagt er lachend. Aber schlussendlich funktionierte alles, für die beiden und ihre Gesellschaft war es so schön wie vorgestellt.

„Zweierlei Kleider hatte ich dann auch, weil das vom November hätte für den Sommertag einfach gar nicht funktioniert“, sagt Annika, die nie heiraten wollte und auch das plötzliche Muttersein in ihrem Lebensplan nicht vorgesehen hatte. „Keine Hochzeit, keine Kinder“, so ihr Motto, bis Georg in ihr Leben trat, der ihr im Oktober 2020 auf Kreta in einer Kapelle einen Heiratsantrag machte und sie kurz darauf dann auch heiraten wollten. Die paar Widrigkeiten auf dem Weg dahin, sind mittlerweile Geschichte.