Flüchtlingsunterkünfte in KölnBürokratie bringt Sportvereine in Not
- Viele Turnhallen können momentan nicht genutzt werden, weil sie als Flüchtlingsunterkunft dienen.
- 27 der 270 städtischen Sporthallen sind derzeit gesperrt.
- Die Vereine werfen der Stadtverwaltung vor, dass sie nicht schnell genug Alternativen für die Turnhallen suchen würde.
Köln – Holger Dahlke hat schon länger den Überblick verloren. Welche Basketball-, Gymnastik- oder Tischtennisgruppe gerade in welcher Sporthalle trainiert – der Geschäftsführer des Mülheimer Turnvereins (MTV) weiß es nicht immer. Seit die Stadt mehr und mehr Turnhallen mit Flüchtlingen belegt, vagabundieren viele Freizeitsportler unfreiwilligerweise hin und her – wenn sie überhaupt noch trainieren können. Allein in Mülheim sind mittlerweile sechs Hallen gesperrt. „Bei uns mussten deshalb 200 Sportstunden verlegt werden“, rechnet Dahlke vor. Nur etwa die Hälfte konnte der Verein kompensieren, der Rest ist weggefallen. „Bei uns sind auch viele Ärmere betroffen, die so ihre bezahlbaren Sportangebote im Veedel verlieren. Das sind nicht die, die im Golfclub sozialisiert wurden.“
Dahlke ist sich bewusst, auf welch schmalen Grat er wandelt, wenn er die Sperrungen kritisiert. „Es wäre fatal, wenn man jetzt den Sport gegen die Flüchtlinge ausspielen würde und sich am Ende wütende Bürger vor den Hallen zusammenrotten.“
Die Vereine seien nicht gegen die Aufnahme der Schutzsuchenden. Im Gegenteil: Gerade der Sport leiste sehr viel für deren Integration. Was ihn aber zunehmend wütend macht, ist das Verhalten der Stadt Köln. „Wir haben nicht den Eindruck, dass die Verwaltung zügig Alternativen zu den Turnhallen umsetzt“, so Dahlke. Stattdessen würde die Nutzung leerstehender Gebäude oder brachliegender Flächen mit Hinweis auf unterschiedlichste Vorschriften verhindert. Landschaftsschutz, Immissionsschutz, Brandschutz – alles werde so lange geprüft, bis nichts mehr möglich ist. „Die Verwaltung reitet auf Paragrafen herum, während von den Vereinen eine ungeheure Flexibilität verlangt wird“, kritisiert Dahlke. Beispiele dafür lassen sich allein im Stadtbezirk Mülheim einige benennen.
Es fehlen 10.000 Plätze für die Flüchtlingsunterbringung
27 der 270 städtischen Sporthallen sind derzeit gesperrt, rund 100 der 800 Kölner Vereine in Mitleidenschaft gezogen. Manche Vereine wie der MTV mussten schon mehrfach mit ihren Sportangeboten umziehen, weil Hallen, die ursprünglich als Ausweichstätten vorgesehen waren, ebenfalls belegt wurden. Andere Vereine wie etwa der Turnverein Rodenkirchen trifft es gleich doppelt, weil sie auch noch für den Offenen Ganztag an den Schulen sorgen. Ganz zu schweigen vom Schulsport selbst: Von einem geregelten Unterricht kann in vielen Fällen kaum noch die Rede sein.
Und das Ende der Fahnenstange ist noch nicht erreicht: Bis Ende des Jahres fehlen Köln nach derzeitigem Stand bis zu 10.000 Plätze, um die Flüchtlinge unterzubringen. Zwar hat die Verwaltung erklärt, dies mit dem Bau von zwölf Leichtbauhallen auffangen zu wollen. Doch ob das gelingt, darf angesichts der schleppenden Fertigstellung von Unterkünften zumindest bezweifelt werden. Weitere Turnhallen-Sperrungen kann die Stadt denn auch nicht ausschließen.
Dabei werden die belegten Hallen immer kleiner und bieten oft nur Platz für rund 70 Geflüchtete. „Uns ist bewusst, dass das alles andere als effizient und ökonomisch sinnvoll ist“, räumt auch Kämmerin Gabriele Klug ein. „Aber wir haben keine andere Möglichkeit.“ Klug, die das Sozialressort derzeit stellvertretend leitet, lässt Kritik am Verwaltungshandeln dennoch nicht gelten. „Es ist richtig, dass die Belange etwa des Landschaftsschutzes immer mit einbezogen werden. Nur so können wir auch bei den vorübergehenden Unterkünften eine hohe Akzeptanz erreichen.“
Die Vereine können das nicht nachvollziehen. „Die Belastung von Pflanzen- und Tierwelt wird bis ins Kleinste geprüft, auf die Nöte der Menschen wird dagegen keine Rücksicht genommen“, kritisiert etwa Walter Schulz vom Spiel- und Sportverein Nippes 1912. Der Verein musste wegen der Sperrungen schon seinen Mitternachtssport für Flüchtlinge streichen.
Die Integrationskraft des Sports werde dadurch komplett blockiert. Schulz, der für die SPD im Sozialausschuss sitzt, treibt insbesondere die explosive gesellschaftliche Dimension der Sperrungen um. „Es ist ja nicht so, dass nur ein bisschen Sport ausfällt. Vielmehr wird die Akzeptanz der Bevölkerung insgesamt für die Flüchtlinge gefährdet.“