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Weberei-ManufakturWebstuhl ersetzt das Fitness-Studio

Lesezeit 3 Minuten

Jörg Ballnath fertigt per Hand Wollplaids und vieles mehr.

Köln – Wenn sich jemand in Köln über den zu Ende gehenden Sommer und die kürzer werdenden Tage freut, dann ist das Jörg Ballnath. Sobald es draußen dunkel und das Licht eingeschaltet ist, wird seine Tätigkeit im Laden auch von außen viel besser erkennbar. Da kann es sogar passieren, dass ein Autofahrer die Hupe betätigt, weil der Vordermann an der Ampel fasziniert auf den Mann starrt, der ähnlich wie ein Organist an einem imposanten Holzmöbel sitzt. Eine Weberei-Manufaktur gab es bis vor einem Jahr in Köln ja auch noch nicht.

Im vergangenen Herbst hat sich der 49-Jährige auf der Lützowstraße eingerichtet und fertigt dort nun von Hand edle Wollplaids, Kissenhüllen, Stolen und hochwertige Meterware Stoff zum Schneidern. Bevor es richtig zur Sache geht, ist er jedoch jedes Mal drei Tage damit beschäftigt, den Webstuhl einzurichten, was eine Menge Geduld und Feinmotorik erfordert. Mit dieser heute kaum noch sichtbaren Handwerkskunst habe er schon als Jugendlicher geliebäugelt und an selbst gebastelten Rahmen herumexperimentiert, erzählt der Mann, dessen Hemdengröße variiert – je nachdem, wie viele Stunden er an welchem Gerät sitzt.

Der älteste seiner fünf Webstühle, der lange im Besitz einer Kollegin auf der Nordseeinsel Juist war, stammt aus dem Jahr 1832 und lässt sich vergleichsweise leicht bedienen. Das etwas jüngere, massive Eichenteil im vorderen Teil der Manufaktur verlangt seinem Benutzer wesentlich mehr ab und ersetzt praktisch das Fitness-Studio. Ballnath mag die Arbeit mit diesem vorindustriellen Gerät trotzdem. Das war bereits so, als er im Rahmen eines Schülerpraktikums in einer Düsseldorfer Paramenten-Weberei landete, wo kostbare Messgewänder zum Teil mit Webgold entstanden. Gleichwohl entschied er sich nach dem Abitur für ein Architekturstudium und arbeite bis 2004 in diesem Fach.

Über die Schulter schauen

Dann reizte ihn doch wieder die handwerkliche Tätigkeit. Er ging nach Norddeutschland, wo er die Möglichkeit fand, seinen Webstuhl im niedersächsischen Museumsdorf Cloppenburg aufzustellen. Als sich dort der Erfolg zeigte, kehrte der gebürtige Solinger zurück nach Köln und suchte nach einem Ladenlokal, wo ihm die Menschen bei der Arbeit über die Schulter schauen und sich davon überzeugen können, dass seine Produkte nichts Grobes oder Altertümliches haben, wie man das im Zusammenhang mit dem Weberhandwerk vielleicht denken könnte.

Der beste Beweis ist das zarte schwarze Kleid mit Stola, für das er im vergangenen Jahr den nordrhein-westfälischen Staatspreis gewonnen hat, eine Auszeichnung für herausragendes kunsthandwerkliches Schaffen. Durch seinen Erfolg wurde „Manufactum“ auf ihn aufmerksam, in dessen Kölner Filiale er übrigens an diesem Samstag am Webstuhl sitzen und zeigen wird, wie die Alpaka-Decken entstehen, die das Versandhaus von Ballnaths Manufaktur bezieht.

In Zukunft würde er gerne mehr mit Leuten zusammenarbeiten, „die andere Handwerke beherrschen“, sagt Ballnath, der selber kein großes Talent zum Nähen aber große Lust hat, gemeinsam mit jemand anderem aus den eigenen Stoffen Kleidung zu entwickeln.