Gedichte und NostalgieVier prominente Rheinländer erzählen ihre Weihnachtsgeschichten

Der Weihnachtsmarkt am Dom.
Copyright: dpa
Ferdinand Lizenich über Weihnachten im Wandel der Zeit:
Wie heißt es so schön: Wer sein Alter verbirgt, schafft seine Erinnerungen ab. Und Weihnachten ist ja nun ein Fest, in dem Erinnerungen eine große Rolle spielen. Die Frage ist nur, ist die gute alte Weihnachtszeit die bessere gewesen?
Meine Großmutter, Jahrgang 1902, erzählte immer, dass in ihrer Kindheit der Nikolaus nicht nur stets in Begleitung von Knecht Rupprecht kam, sondern der auch mit der Rute zuschlug beziehungsweise besonders renitente Kinder in den Sack stopfte und rausschleifte. Damals nannte man das Erziehung – heute würde man das Traumatisierung nennen.
Der Erzähler: Konrad Beikircher
Viel Drama um ein wenig Lametta
Ein ganz normaler Heilig-Abend-Nachmittag. Sie schmückt die Tanne, er kramt im Flur im Kabäuschen. „Sach ens, Liebelein, wo häste dann et Lametta?“
„Em schwatze Kattong, Liebchen“„He es evver keine schwatze Kattong, Liebelein“„Sicher es do ene schwatze Kattong! Dreck hingerm rude Koffer, Liebchen“„He es och keine rude Koffer, Liebelein“
„Wie: do es keine rude Koffer? Dä rude Koffer wor immer do, direck vür dem schwatze Kattong mem Lametta, Liebchen“
„Evver he es keine Koffer un keine Kattong!“
„Dä Koffer wor evver immer do. Wo häste dann dä Koffer hinjedon?“.
„Ich han dä Koffer övverhaup nit anjepack. Meins Du, ich jing an Ding Saache? Dat han ich mir zick Johrzehnte ald avjewennt!“
„Wat soll dat dann heißen?“
„Dat soll heiße, dat ich mich im Levve nit an Ding Unodenung jewenne kann und dat ich deswäjen die Fingere dovun losse!“
„Un dat sähs Du mir jetz? Noh 35 Johr? Do hät man sich avjeplog, domet du et schön häs, do hät man e Levve lang opjeräump, domet du et schön häs, do hät man für alles e Plätzche jeschaffe, domet du et schön häs, do schmück man sich am Baum die Finger wund, DOMET DU ET SCHÖN HÄS !!, un dann esu jet...“
„He, ming ahl Schohn, die fottjeschmisse jehüre däte un direck do drunger ne Kasten Kölsch, ES DAT ORDNUNG? Un donewwe dat Kißje mem Heffpflaster, ES DAT ODENUNG?“
„Esu sin die Männer: dat einzigste, wat se künne, es: Froge stelle! Ävver Antwort jevve: do kannste e Levve lang drop waade! Weiß Du, wat Du mich langsam kanns? Du kanns mir de Mai piefe, Du jecken Doll. Un dä Baum kanns Du Dir och ald selver schmücke. Ich jonn noh minger Mutter!“
Paff! Dür zo.
Jetz ene Schabau, für sich ze beruhige, dann flöck dä Baum jeschmück. Un wenn sie noh nem Stündchen noh Hus kütt:
„Do besste jo, Liebelein, dät mr leid“ und „Fröhliche Weihnachten, Liebchen“ un e Bützje.
Dann wird das schon noch was!
Der Erzähler: Tommy Engel
Onkel jefresse
Jlich nom Krech eng der 40er Johrjov et nix ze esse – dat es wohr.Do wor et jo schon allerhand,wenn de met enem Buur wors verwandt.Nit ze verachte, dat es klar,wor och d’r Onkel us Amerika.
Am hellije Ovend – ich schreie Hurra –kom e Päckche us Amerika.Vun unserer leeve Tant Rösje –jefüllt met luter schöne Dösje.
Ich rieß et op – un reck mingen Hals,denn bovven drop tirek drei Pund Schmalz.E Kilo Bunnekaffee – un „Wauh“ –en jroße Dos met Kakao.Un tirek nevvendran, die jode Siel,e Büchse met Olivenöl,en janz große Dos met Ries,zwei Kilo Mähl un e Stöck Kies.Dat alles schrev de Tant Rösjeeijenhändich op jedes Dösje.Bloß vun su ner Wießblechdos ungehammer keine Zeddel jefunge.
Wat kunnt jetz en dä Dos do sin?Stecks de ens ding Nas eren.Ich han et probiert, un och minge Broder Karl:dat Pulver wor jeschmacksneutral,hät jeschmeck wie enjeschlofene Fööss.Su hammer uns dann d´r Kopp zerbroche,wat künnte m´r us däm Pulver koche?
Ming Frau meint: „Do koche m’r jetz eets ens ’ne Brei, Met Millech un Ei.“Und häut koot dodrop, un dat mät Senn,dat Pulver en die Pann eren.„Un jetz,“ su sät de Oma,„dozo noch jet Zitronenaroma.“Un met jet Peffer, Salz un Öllichhät et jot jeschmeck un wor bellich.
Un dann, et wor su drei Dach drop,klärt met enem Breef sich alles op.Un uns Tant Rösje schrev: „Ihr Lieben,ich schick Euch ein Paket nach drüben.Voll mit lauter guten Sachen,und hoffe, dass sie Freude machen.Was leider ihr noch nicht wisst,dass Onkel Schorsch verstorben ist.Mit seinen über 80 Jahrer immer noch ein Kölner war.Seinen letzten Wunsch will ich verkünden:auf Melaten will er Ruhe finden.Drum sei es so, so wie es sei,setzt ihn in aller Stille bei.Die Asch’ ist in der Weißblechdose.In stiller Trauer Tante Rose“
Un su hammer, ohne et ze weße– un ich weed et em Levve nie verjesse –Am hellije Ovend unseren Onkel jefresse!!
(Hungerweihnachten 1946/1947)
Gut, auch in meiner Vorschulzeit war man noch nicht so zimperlich. Sie erinnern sich vielleicht auch noch an die öffentlichen Demütigungen im Kindergarten. Wenn der Nikolaus vor 50 Spielkameraden nebst ihren Eltern (mit der sonoren Nikolausstimme) sagte: „Ferdi, was lese ich da? Du hast noch mal in die Hose gemacht.“ – Ja, das einzige Persönlichkeitsrecht, das man als Kind hatte, war, sich zu schämen.
Dick war schick, schlank hieß krank
Aber auch wir galten schon als undankbar. Da kann ich die jüngeren Zuhörer beruhigen. Wenn man in meiner Jugend am Kotelett den Fettrand abgeschnitten hat, hieß es sofort: „Ihr wisst nicht, was es heißt zu hungern.“ – Gut, wenn ich mir in den 60er Jahren meine Verwandtschaft angeguckt habe, dachte ich mir, das wisst ihr doch auch nicht. Ja, dick war schick und schlank hieß damals krank.
Aber was war damals sonst noch anders als heute? – Heiligabend! – Das war eigentlich wie sonntags, nur noch viel schlimmer. Die Zeit stand still – und das in einer Welt, in der ohnehin nie was passierte. Ich meine Refrath 1963: Halb so groß wie der Friedhof von Chicago, aber doppelt so tot. Und dann noch heiliger Stubenarrest im Kinderzimmer, ohne das man was angestellt hatte. Der einzige Nachmittag im Jahr, wo man schon als kleines Kind eine Vorstellung vom Begriff Ewigkeit bekam.
Nun war mein Vater ja Beamter bei der Deutschen Bundespost und das Motto des Heiligen Abends deshalb: Wenn der Postmann zweimal klingelt. Die Erlösung. Endlich war das Christkind da. Ich bin dann immer so schnell runtergelaufen, um es noch zu erwischen. Aber nur um ihm zu sagen: „Komm nächstes Jahr bitte früher!“ – Aber eigentümlicherweise war es immer schon weg und hat mir nur durch meinen Vater Grüße ausrichten lassen.
Immer genau 2,07 Meter
Na ja, wie auch immer, das Klingeln des Glöckchens war wie eine Erlösung. Endlich durfte man ins Wohnzimmer, um überrascht festzustellen, es war alles wie jedes Jahr. Bis hin zur immer gleichen Zahl von Kerzen an der wie stets immer gleichen gerade gewachsenen Blaufichte, deren Spitze inklusive Engel von meinem Vater exakt immer gleich auf 2,07 Meter berechnet war. Ja, Sie kennen meinen Vater nicht. Der hing sogar das Lametta mit der Wasserwaage auf.
Auch ansonsten hatte alles am Heiligabend etwas von „Und ewig grüßt das Murmeltier“. Das Musikprogramm zum Beispiel. Während wir ins Wohnzimmer traten lief 35 Jahre lang „Weihnachten auf hoher See“ von Freddy Quinn. Kleine Kostprobe gefällig? Ich kriege heute noch eine Gänsehaut dabei. Na gut, sagen wir, mir stellen sich die Haare immer noch dabei auf. Genauso wenn ich daran denke, wie viele angeschickerte ältere Verwandte einem während der Weihnachtszeit auflauerten und einen abknutschen wollten. Na gut, ich war jung und brauchte die Geschenke.
Apropos Geschenke. Eigentlich, dass einzige woran man erkennen konnte, dass wieder ein Jahr vergangen war, dass sich doch etwas veränderte. Ich meine, wer möchte mit 16 schon noch ein Schaukelpferd bekommen oder einen Fünferpack Feinripp-Unterhosen von C&A. Na gut, die würde ich heute noch bekommen, wenn meine Oma noch leben würde. So viel zur guten alten Zeit. Aber man merkt eben doch, wenn man dann genauer in seinen Erinnerungen kramt, dass sich einiges im Laufe der Jahre unterm Tannenbaum geändert hat. Auch Weihnachten unterliegt nun mal dem Zeitgeist. Wenn ich meinen Kindern einen Heiligabend im Hause Linzenich früher schildere, dauert es keine fünf Minuten und ich habe das Gefühl, ich erzähle eine Geschichte aus dem finsteren Mittelalter. Ich musste in meiner Kindheit Heiligabend erstmal ein einstündiges Blockflötenkonzert geben, anschließend noch drei Gedichte aufsagen und um 24 Uhr noch die Christmette dienen. Heute würde man dazu sagen, ich hatte Heiligabend Dienst.
In Deutschland regierte Adenauer, zuHause der Vater
Es ist auch gute Weihnachtstradition seinen Kinder zu erzählen, wie entbehrungsreich Weihnachten früher war. Meine Mutter erzählte mir zum Beispiel immer von ihrer Puppe, die jedes Jahr im November verschwand und leicht aufgearbeitet – heute würde man das „Upgrade“ nennen – unter dem Weihnachtsbaum als einziges Geschenk wieder auftauchte.
Aber für meine Kinder sind die 50er Jahre ja, wie gesagt, schon finsterstes Mittelalter. Und ich kann Ihnen da nicht mal widersprechen. In Deutschland regierte Konrad Adenauer mit absoluter Mehrheit – bei uns zu Hause mein Vater. Auch der Auftritt des Nikolaus zu Hause – nicht nur im Kindergarten war man vor der roten Gefahr nicht sicher – lässt sich heutzutage nur mit der Ankündigung einer Steuerfahndung vergleichen.
Mir ist immer noch schleierhaft, wie ich mit völlig ausgetrocknetem Mund und am Gaumen festklebender Zunge „Advent, Advent, ein Lichtlein brennt“ rausbringen konnte, zumal sich mein Blut vollständig unterhalb der Kniekehle befand. Höhepunkt der Demütigung war, dass ich dabei auch noch fortwährend geknipst wurde. Dabei dürfen nach der Genfer Konvention nicht mal Kriegsgefangene fotografiert werden.
So eine Art Gruppenkiffen
Weihnachtsgeschenke waren aber noch echte Überraschungen. Die wurden bei uns noch im Keller versteckt. Und das waren noch Keller, in denen keine Partys gefeiert wurden, sondern Briketts lagerten und der schwarze Mann wohnte. Und dieser Schwarze war kein Austauschstudent mit Migrationshintergrund. Aber es ist ihm im Keller sicher gut gegangen. Denn zu seinen Kellergenossen gehörten circa 400 von meiner Oma eingeweckte Gläser Schnittbohnen, palettenweise Erbsendosen und Libbys Dosenpfirsiche. Ja, wenn der 3. Weltkrieg gekommen wäre, wären wir nicht verhungert – uns wären nur die Zähne ausgefallen wegen Vitaminmangel.
Aber dann begann ja endlich der zweite Teil der 60er Jahre. Und damit für mich der Wechsel von den Windel- zu den Flegeljahren. Die 60er – Die Zeit als ich das erste Mal nachts ausgehen durfte. Als Messdiener in die Christmette. Die steile Karriere vom Flambeauträger zum Weihrauchschwenker. Apropos Weihrauch. Das war ja so eine Art Gruppenkiffen, wusste nur keiner. Ja, Protestanten konnten das nur mit Klebstoffschnüffeln erreichen. Zu Hause warteten Heiligabend nun bei besonders fortschrittlichen Familien anstelle von Gans und Blaufichte ein Plastikbaum und Fleischfondue. Aber wir waren ja Gott sei Dank nicht fortschrittlich und ließen weiter natürlich nadeln. Nur musikalisch tat sich bei uns was. Freddy Quinn von Platte war out. Freddy Quinn vom Kassettenrekorder wurde in.
Und dann die 70er Jahre. Die Zeit, in der mein Vater von hinten wie meine Mutter aussah und von vorne wie Jesus. Ja, wenn wir jetzt in den 70ern wären, dann könnte ich ihnen auch schon sagen, was es Heiligabend zu Essen gäbe. Vorweg Zwiebelsuppe – Die Tomate Mozzarella der 70er. Als Hauptgang Pfeffersteak und als krönender Abschluss: Eis mit heißen Himbeeren. Besonders hip: Möglichst alles flambiert. Wenn sich Vati mit Grand Marnier angezündet hatte, war das Erlebnisgastronomie der ersten Stunde.
Retro ist schwer
Dazu diese erlesenen Wein, die damals kredenzt wurden. Bevorzugt Mosel oder Rheinhessen. Den konnten sie im Tiefkühlfach vergessen, der ist nicht gefroren. Ja, gegen diese Tröpfchen hatte selbst Baileys noch eine herbfrische Note. Lieblich nannte man das damals. Gut damals war Russenei ja noch ein leichter Zwischengang. Und am 2. Weihnachtstag ging man essen. Man konnte sich schließlich was leisten. Damals entweder chinesisch oder jugoslawisch. Chop Suey und Frühlingsrolle oder Cevapcici und Lustiger Bosnier. Oder der legendäre Husarenspieß für die ganze Familie. Auf der Schulter serviert und am Tisch flambiert. Ein wahrgewordener Vegetarier-Alptraum. Aber für Vegetarier herrschte in den 70ern ja noch Meldepflicht. In den 80ern konnten diese Exoten ja wenigsten schon auf Lachs ausweichen, weil aus dem Fisch der Könige, dank norwegischer Zuchtfarmen ein Hähnchen mit Flossen wurde.
In den 80ern wechselte ich allerdings auch allmählich das Lager. Ich wurde in den Weihnachts-Planungsstab berufen und damit war ein Teil der Weihnachtsromantik dahin. Es war auch die Zeit, wo der Heiligabend nicht in der Christmette endete, sondern in der Stammkneipe.
In den 90 er Jahren verließ mein Vater den Weihnachtsplanungsstab und ich wurde zum obersten Glöckchenbewahrer. Und plötzlich kam das Christkind nicht mehr zu spät, sondern zu früh. Mein Vater ist dann ins Kinderzimmer gewechselt.
Und heute sind meine Kinder erwachsen. Mein Sohn schaut mit einer gewissen Begehrlichkeit auf das Weihnachtsglöckchen und meine Tochter hat die alte Freddy Quinn Platte entdeckt und sich dann die Lieder aufs iPhone runtergeladen. Ja, Retro ist schwer in. Wer weiß, vielleicht sitze ich in zehn Jahren mit meinen Enkelkindern im Kinderzimmer und warte darauf, dass das erlösende Glöckchen klingelt und aus dem Wohnzimmer Freddy Quinns „Weihnachten auf hoher See“ erschallt. Eines werde ich allerdings nicht mehr machen: Schnell runterlaufen, um das Christkind noch zu erwischen. Ja man wird mit den Jahren ja Gott sei Dank schon ein bisschen gelassener und altersweise.
Der Erzähler: Ferdinand Linzenich aus Bergisch Gladbach ist Kabarettist und Autor („Von Alaaf bis Zölibat – Das satirische Lexikon rheinischer Lebensart“).
Unverhoffte Bescherung
Wilibert Pauels über Nahtoderfahrungen
Jüngst hatte ich die Ehre bei einem Symposium in Aachen aufzutreten. Thema der Tagung waren die sogenannten „Nahtoderfahrungen“– also jene rätselhaften Berichte von Menschen, die bereits klinisch tot waren und nach ihrer Wiederbelebung im Grunde alle das Gleiche erzählen. Eine tiefe Erfahrung von intensivem Glück, Licht und Liebe. Nein-liebe Leser, es war kein Esoterik-Seminar. Da hätten mich keine zehn Pferde hinbekommen. Esoterik ist, wenn die Zellulose vom Hintern ins Gehirn gewandert ist.
Es waren fast ausschließlich wissenschaftliche Referenten. So zeigte Prof. R. Otte auf, dass die neuesten Erkenntnisse der Physik die Existenz des Geistes unabhängig vom Gehirn nachweisen. Und damit jene Erzählung aller Religionen, dass der Mensch mehr sei als Materie, plausibler erscheinen lassen als die Ansicht der Atheisten, dass alles eine Folge von biochemischen oder elektrischen Aktionen von Materie sei. Des weiteren referierten Ärzte, Philosophen, Soziologen und Theologen über dieses faszinierende Thema.
Und damit man zwischendurch mal entspannen konnte, waren neben den ganzen Professoren auch „normale“ Menschen geladen. Einmal meine Wenigkeit mit Pappnase – und zwei junge Frauen, die ein solches Nahtod-Erlebnis hatten. Hören Sie dazu den Bericht der anwesenden Christine Stein, die 23 Minuten während einer Operation „tot“ war. Während die Ärzte fieberhaft darum kämpften, sie wiederzubeleben, berichtete sie von den glücklichsten 23 Minuten ihres Lebens. Sie hatte die typische „Out-of-body-experience“, sah sich also selber auf dem OP-Tisch liegen, dann begegnete sie ihren verstorbenen Großeltern in einer Atmosphäre unbeschreiblichen Glücks und Liebe und vieles mehr.
Alles nur Halluzination?
Schließlich musste sie ins irdische Leben zurück. „Klar“ sagen die Kritiker, „das sagen sie alle, aber es ist wahrscheinlich nur eine Halluzination des sterbenden Gehirns.“
Dagegen spricht, dass das angeschlossene EEG keinerlei Ausschläge aufzeigte. Als sie dann auf der Intensivstation aufwachte, eröffneten ihr die Ärzte, dass sie, wegen ihrer schweren Verletzungen nie mehr Kinder bekommen könne.
Plötzlich hörten wir mitten in der faszinierenden Erzählung ein Baby schreien. „Entschuldigung“ unterbrach Frau Stein ihren Vortrag, „aber mein Kind hat Hunger“. Und unter dem Applaus des Publikums brachte man aus dem Nebenzimmer den Säugling zu ihr. Entgegen der Prognose der Ärzte ist sie auf natürlichem Wege bereits zweimal Mutter geworden.
Eine leibhaftige Weihnachtsgeschichte
Und ich dachte: Wie wunderbar! Willibert, du hast gerade eine Weihnachtsgeschichte erlebt. So wie damals das göttliche Kind, so auch hier: Eine Mutter und ihr Kind erzählen die faszinierendste Geschichte des Universums. Das Geheimnis vom Triumph des Lebens über den Tod.
Und ich musste an den jungen Michelangelo denken. 24 Jahre war er alt, als er seine vielleicht berühmteste Skulptur schuf. Es ist das einzige Kunstwerk, dass er signierte, so wichtig war es ihm; Die „Pieta“ im Petersdom zu Rom. Schaut sie euch noch mal an. Das Gesicht der Mutter mit ihrem toten Kind auf dem Schoß ist zutiefst traurig und getröstet zugleich.
Warum? Weil Michelangelo glaubte, dass die Geschichte hiermit noch nicht zu Ende ist. Weihnachten ist die Einleitung von Ostern. Deshalb konnte er den großartigen Satz sagen: „Wenn wir sterben, gehen wir nicht in Nichts, sondern wir wechseln nur die Räume.“
Wunderbar! Frohe Weihnachten!
Der Erzähler: Willibert Pauels ist katholischer Diakon – und seit 1995 mit großem Erfolg als Büttenredner im Karneval unterwegs.