Laut amtlicher Statistik gingen die Umsätze der Händler 2023 im Vergleich zum Vorjahr in NRW um mehr als zehn Prozent zurück.
Kölner Wochenmärkte in der Krise?„Wir sorgen uns, weil die Supermärkte uns im Moment ausbooten“
Auf dem Bickendorfer Wochenmarkt am Rochusplatz besetzen gleich mehrere Gemüsehändler nebeneinander die Marktfläche. Sie unterbieten sich mit Erdbeerpreisen. „Zwei Schalen, drei Euro“, tönt es von links, „drei Schalen für nur drei Euro“ von rechts. Links, die Ware aus den Niederlanden. Rechts, Erdbeeren aus Spanien. Ein 27-Jähriger freut sich über das Angebot. Er sei extra nur für ein Schälchen Erdbeeren auf den Markt gekommen. Jetzt nehme er gleich drei davon mit. Doch auch nach diesem Kauf liegen etliche Bestände von verderblichem Obst und Gemüse auf dem Tisch.
Kölner Wochenmärkte: „Früher hatten wir bis zu 30 Stammkunden mehr“
„Wir sorgen uns, weil die Supermärkte uns mit ihren Angeboten im Moment ausbooten“, berichtet einer der Erdbeerverkäufer. Gerade noch habe eine Kundin ihn wegen des Radieschenpreises kritisiert, sie würde diese viel billiger im Supermarkt bekommen. „Früher hatten wir bis zu 30 Stammkunden mehr. Heute kaufen die Leute nur noch sporadisch und stückweise hier ein.“ Für Marktbetreiber sei es eine schwierige Zeit.
Die steigenden Preise und die zunehmende Sparsamkeit vieler Verbraucher hätten deutliche Umsatzeinbußen der Wochenmarkthändler zur Folge, berichtet auch die Deutsche Presse-Agentur. Laut amtlicher Statistik gingen die Umsätze der Händler 2023 im Vergleich zum Vorjahr bundesweit um 6,5 Prozent zurück, in Nordrhein-Westfalen sogar um mehr als 10 Prozent. Die Kunden würden nach kostengünstigeren Alternativen suchen, so Handelsexperte Marcel Schorsch vom Statistischen Bundesamt. Vor allem Discounter profitierten zuletzt davon.
„Auch ein Erntehelfer muss entsprechend sein Geld bekommen“
Auf dem Wochenmarkt in Köln-Kalk bieten samstags lediglich noch drei Stände ihre Waren an. Nur wenige Kunden sind gegen 10 Uhr zu sehen. „Bei uns kommt alles aus kontrolliertem Anbau, teilweise sind es Bio-Produkte und das kostet dann eben seinen Preis“, sagt Heike Assenmacher, die auf 16 Metern Auslage ihr Obst und Gemüse verkauft.
Sie bestätigt, auf allen Märkten in Köln, die sie beschicke, sei die Nachfrage in den letzten Jahren zurückgegangen. Gleichzeitig seien Transportkosten gestiegen. Ebenso die Löhne. „Auch ein Erntehelfer muss entsprechend sein Geld bekommen. Das vergessen viele Kunden.“ Über ihr hängt ein Schild am Wagen mit der Aufschrift: „Wir sind hier nicht bei ‚Wünsch dir was‘, sondern bei ‚So isses‘!“
Kunden bleiben Wochenmärkten treu: „Die gibt es so nicht im Supermarkt“
Entspannter scheint die Lage für Händler auf dem Wochenmarkt in Klettenberg: Hier ist die Auswahl an Ständen und Lebensmitteln groß. „Exotische Meeresfrüchte“, Lachs und Dorade, Käsespezialitäten, aber auch Öle, Datteln, Oliven, Pasta und Brote stehen zum Verkauf.
Anwohnerin Annette Rabeler kommt seit Jahren für ihren Einkauf auf den Wochenmarkt und will dies auch weiterhin tun. „Ich kaufe Waren gerne unverpackt und frisch, das bekomme ich so nur hier.“ Begeistert zeigt sie auf die vor ihr aufgebahrten französische Pastete. „Wahnsinnig lecker. Die gibt es so nicht im Supermarkt. Ich habe mich hier auch schon durch Schinken probiert und mich zu Salami-Sorten beraten lassen.“
Normalisierung nach Pandemie: „Wir können uns jedenfalls nicht beklagen“
Der Stand gehört Britta Peters, die seit über 40 Jahren auf dem Wochenmarkt ihre Ware verkauft. Mit geübten Handgriffen schlägt Sie Wurstscheiben in Frischhalte-Papier ein. „Das Geschäft läuft gut. Während der Covid-Pandemie ist bei uns der Verkauf sogar enorm angestiegen. Jetzt sind wir wieder auf einem normalen Niveau, würde ich sagen. Wir können uns jedenfalls nicht beklagen. Die Leute kommen immer noch gerne.“ Ihr Problem sei es eher, einen Nachfolger für den Stand zu finden, so die 76-Jährige. „Die wollen alle nicht so früh aufstehen.“
Auch der Bundesverband Schausteller und Marktkaufleute (BSM) spricht mit Blick auf die Zahlen zum Umsatz der bundesweiten Statistik eher von einer Normalisierung. In den Jahren 2020 bis 2022 hätten die Märkte ein außergewöhnliches Umsatzplus verzeichnet, so BSM-Sprecher Olaf Lenz.
„Viele Kunden haben es vorgezogen, ihre Einkäufe unter freiem Himmel zu tätigen, um das Risiko einer Infektion zu reduzieren“. Nach der Pandemie änderten die Verbraucher nun wieder ihre Einkaufsgewohnheiten. Man käme damit auf das Niveau vor Corona zurück. Eine grundsätzliche Existenzkrise der Wochenmärkte sieht der Bundesverband nicht.
Sven Schulte von den Industrie- und Handelskammern NRW ist davon überzeugt, dass Wochenmärkte eine Zukunft haben. „Die Menschen gehen nicht nur dorthin, um sich zu versorgen. Ein Markt ist immer auch ein sozialer Treffpunkt“. Auch sei die Nachfrage nach qualitativ hochwertigen Lebensmitteln zurzeit hoch.
Köln: Markbesucher schwärmen von Atmosphäre
Vor einem Fisch- und Feinkoststand in Riehl hat sich am Samstag trotz der Preislage und Nieselregen eine Schlange an Menschen gebildet. Es sei gar nicht schlimm, selbst bei schlechtem Wetter an den Ständen zu warten, meint Tina Funk, eine Riehler Stammkundin, denn man komme immer schnell ins Gespräch. „Für mich ist das hier meine ganz eigene kleine heile Welt mit freundlichen Menschen.“ „Und der Fisch schmeckt herrlich“, ergänzt der Mann hinter ihr in der Schlange. Einige Meter weiter sitzt eine Familie mit Kind für eine Kaffeepause an einem der aufgestellten Verweiltische.
„Wir erledigen hier auf dem Markt zwar nicht unseren Großeinkauf, sondern kaufen eher besondere Produkte, dafür kommen wir aber jede Woche gerne wieder hier her“, so der 35-jährige Vater mit Säugling auf dem Arm. Dass auch auf dem Markt die Waren mittlerweile teurer werden, sei „völlig verständlich“. Auf die gemütliche Wochenend-Atmosphäre des Marktes will die Familie auch in Zukunft nicht verzichten.