Wutgeheul einer ElfeSo war das Konzert von Florence and the Machine in Köln
Köln – Wenn eine junge Sängerin im Suff ein Hotelzimmer in Brand setzt, am Ende die höhere Rechnung dann aber nicht für die Renovierung, sondern die gezechten Dry Martini zahlen muss, klingt das nach einer Kandidatin für den Club 27, in dem Mitglieder wie Amy Winehouse und Janis Joplin im Himmel Poker spielen.
Wer Florence Welch, heute 32 Jahre alt, von ihrer Vergangenheit singen und reden hört, ahnt, dass sie sich an ihren flatternd langen roten Haaren gerade noch rechtzeitig aus dem Sumpf gezogen haben könnte. Dass diese innere hoch lodernde Flamme, die sie und ihre Konzerte spektakulär macht, eine stets gefährdete ist. Mit ihren hochemotionalen Texten über Abgründe und Gipfel, einer gewaltigen Stimme, wild durchtanzten Auftritten und nicht zuletzt ihrer fabelhaften Band „The Machine“ ist Welch nach ihrem Debütalbum „Lung“ vor zehn Jahren schnell berühmt und schließlich Star geworden.
Nur sehr wenige Sitze in der Lanxess-Arena sind am Dienstagabend noch frei, als Welch ihr jüngstes viertes Album „High as Hope“ vorstellt. High wie die Hoffnung also. Allein der Titel zeigt das mit Optimismus überschriebene neue Kapitel im Leben der Sängerin an. Das Konzert beginnt mit dem intimen „June“, in dem Welch das Glück des einander Festhaltens beschreibt. Es geht weiter mit Vergangenheitsbewältigung: In „Hunger“ erzählt die Engländerin von ihrer Magersucht als Teenager, die sich wie Hunger anfühlte, aber aus Einsamkeit bestand. Wie sie vergeblich die Liebe suchte, in Drogen oder in der Euphorie ihres Publikums. „We all have a hunger“ wiederholt sie im Refrain beschwörend. Stimmt, Hunger haben wir alle, vielleicht nur nicht ganz so übermächtig. Hallo, erste Gänsehaut des Abends.
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Acht Frauen und Männer braucht es auf dieser wellenförmigen hellen Bühnen-Insel, um die Stimme von Florence Welsh angemessen einzukleiden. Faszinierend, wie die Band mit Geige und Harfe die Grenze zum Folk-Pop-Kitsch hemmungslos übertritt, aber sofort die Kurve zum nächsten magischen Moment bekommt. Und dann dieses Gesamtkunstwerk von Frontfrau. Florence Welch geht nicht. Sie schreitet, tanzt, wirbelt oder sprintet. Sie singt nicht, sondern schreit, deklamiert, beschwört, flüstert und jubiliert. Man kann es auch nervig finden, wenn sie ihre Arme überkandidelt um sich schlingt und überdramatisiert spricht. Oder neurotisch.
Aber jedes Stirnrunzeln löst sich auf in Entzücken, wenn die Hippie-Elfe vor die erste Reihe tänzelt, ihren Fans die Haare zauselt und im Finale singend durch die ganze Halle fegt, um mitten im Publikum hüpfend auszurasten. Zwischendrin bittet Florence darum, alle Telefone wegzupacken und sich kollektiv an den Händen zu fassen. Das folgende Schunkeln ist in Köln bestens erprobt, und während woanders in der Stadt der Nubbel brennt, wird, angeleitet von einer zierlichen Hohepriesterin, in der Arena die Selbstreinigung mittels Liebesbekundungen an den unbekannten Nebenmann praktiziert.
Der Teufel auf dem Rücken
Überhaupt geht es viel um Liebe. „Du willst, dass ich dich moderat liebe? Sehe ich etwa moderat aus? Mit wem denkst du, dass du sprichst“, wütetet Welch in ihrer neuesten bluesigen Hymne „Moderation“. Ähm, nein. Moderat kann diese Frau nicht lieben. Und auch zurück liebt man sie ganz – oder gar nicht.
Das erste Konzert außerhalb Großbritanniens habe sie in Köln gegeben, erzählt Florence ihrem Publikum. Leider erinnere sie sich nicht mehr an den Club, weil sie damals zu betrunken gewesen sei. In der letzten ihrer drei fulminanten Zugaben, nach gut 100 Konzertminuten, singt Welch dann davon, wie schwer es ist, mit einem Teufel auf dem Rücken zu tanzen. „Schüttel ihn ab“, beschwört die Sängerin in „Shake it out“ und bestätigt ihre Forderung mit einem Wolfsgeheul, dass die Ohren klingeln. Sie selbst hat es geschafft. Vorerst jedenfalls. Der Kölner Club im Mai 2008 hieß übrigens Luxor. Und es gibt ihn noch. So wie Florence Welch.