Die Polizei sieht eine Verrohung des Umgangs unter Schülern. Experten fordern Gewaltprävention in allen Schulen.
Zahl der Straftaten gestiegenKölner Schulen –„Man spürt einfach, dass die Zündschnur kürzer geworden ist“
Die Kriminalität an Kölner Schulen hat im vergangenen Jahr massiv zugenommen. Die Zahl der Polizeieinsätze im Kontext Schule stiegen von 2022 auf 2023 um knapp ein Drittel. In Summe wuchs die Zahl der Straftaten laut Polizei Köln von rund 1500 auf 2000 an. Betroffen waren 93 Kölner Schulen.
Dabei fiel der Anstieg der Delikte während der Unterrichtszeit deutlich stärker aus als der Anstieg der Taten auf dem Gelände außerhalb des Unterrichts. Bei der Art der Delikte stiegen die sogenannten Rohheitsdelikte – das sind Körperverletzung und Raub – um 137 Prozent. Diebstähle erhöhten sich um fast drei Viertel. Insgesamt waren 48 Prozent der Taten Körperverletzungen, 40 Prozent Diebstahl.
Polizei sieht Verrohung im Umgang unter Kölner Schülern
Besonders stark stieg die Zahl der Vorfälle im Zuständigkeitsgebiet der Polizeiinspektion Nordost – also im Stadtbezirk Mülheim mit den Stadtteilen Mülheim, Buchforst, Buchheim, Dellbrück, Dünnwald, Flittard, Höhenhaus, Holweide, Stammheim und Deutz – nämlich von 344 auf 450. Gefolgt vom Einzugsgebiet der Polizeiinspektion Südwest – also dem Stadtbezirk Rodenkirchen, dessen Stadtteile von Bayenthal, Rodenkirchen und Hahnwald bis Meschenich, Weiß und Sürth reichen.
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Insgesamt berichtet die Polizei von einer starken Verrohung des Umgangs unter den Schülerinnen und Schülern. Da die Rohheitsdelikte – also Körperverletzung und Raub – quer durch alle Kölner Polizeiinspektionen deutlich anstiegen, geht der Bericht davon aus, dass es nicht einzelne schwarze Schafe sind, die von dem Problem Gewalt betroffen sind: Das Problem betrifft vielmehr alle Kölner Schulen, auch wenn Schulen in sozial benachteiligten Lagen stärker unter der Problematik leiden. Auf die elf am meisten betroffenen Kölner Schulen – vorwiegend im Rechtsrheinischen und im Bezirk Chorweiler – entfielen doppelt so viele Einsätze wie im Durchschnitt aller Schulen. Dies sei aber nur die Spitze einer Entwicklung, die sich auf Schulen insgesamt beziehe.
Neben Körperverletzung und Diebstahl haben auch Sachbeschädigungen, Erpressung und Beleidigungen unter Schülerinnen und Schülern deutlich zugenommen. Dabei beleuchtet die polizeiliche Statistik ausdrücklich nur das Hellfeld – also die Taten, die auch gemeldet werden. Konkret die Fälle, in denen von der Schule aus der Notruf 110 gewählt wurde.
Auch im Blick auf die gesamte Altersstatistik ist die Zunahme junger Tatverdächtiger wahrnehmbar: Aktuell sind in Köln nach Angaben des Bundeskriminalamtes bereits fünf Prozent aller Tatverdächtigen in der Altersgruppe zwischen neun und 14 Jahren. Neun Prozent sind Jugendliche zwischen 14 und unter 18 Jahren alt.
„Man spürt einfach, dass die Zündschnur bei den Kindern und Jugendlichen kürzer geworden ist“, sagt der Schulleiter einer Kölner Gesamtschule, der hier nicht namentlich genannt werden möchte. Frustrationskontrolle und Affektkontrolle nähmen ab.
Dabei entspricht das Kölner Ergebnis dem bundesweiten Trend, den das diesjährige Schulbarometer der Robert Bosch Stiftung ergeben hat. In diesem Jahr gab dabei fast jede zweite Lehrkraft der vom Meinungsforschungsinstitut Forsa repräsentativ befragten 1600 Pädagogen an, dass sie an der eigenen Schule psychische und physische Gewalt unter Schülerinnen und Schülern beobachten. Das Verhalten von Schülerinnen und Schüler sahen sie als derzeit größte Herausforderung ihres Berufs an.
Die Polizei der Stadt Berlin meldete für das Jahr 2023 täglich fünf Einsätze an einer der Schulen der Hauptstadt. 2300 Schülerinnen und Schüler wurden dort Opfer von körperlicher Gewalt in der Schule. Die Zahl der angegriffenen oder bedrohten Lehrkräfte betrug 237.
Gewaltprävention für alle Kölner Schulen gefordert
In diesem Frühjahr schlug die Schulleiterin einer Gesamtschule in Stöcken in Niedersachsen medial Alarm und wandte sich in einem Brandbrief an die Schulbehörde, um Hilfe zu erbitten. Sie berichtete von Reizgas-Angriffen auf dem Schulweg und Schülern, die Messer mit zur Schule brächten. Es gebe sehr viele Konflikte unter den Kindern und eine aufgeladene Stimmung, viele fühlten sich nicht mehr sicher. Viele Kinder könnten ihr Verhalten nicht mehr einordnen und Social Media habe einen „verheerenden Einfluss auf viele Kinder“, hatte Schulleitern Anja Mundt-Backhaus in der Sendung „Lanz“ beklagt. Sehr viele Kinder hätten Probleme, ihre Konflikte vernünftig zu lösen.
Für Köln empfiehlt das Büro für Forschung und Beratung, das für die Stadt Köln einen „Masterplan Kommunale Sicherheit“ entwickelt, an allen Kölner Schulen Maßnahmen der Gewaltprävention fest zu verankern.