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„Zwei Kaffee, bitte!“Boule und Bühne – von den zwei Lieben in einer Brust

Lesezeit 4 Minuten
Maximilian Wieler mit einer Tasse Kaffee

Maximilian Wieler spielt, tanz und singt derzeit im Scala-Theater

Was erzählen Menschen, wenn man sie auf der Straße anspricht? Darum geht es Susanne Hengesbach in ihrer Rubrik „Zwei Kaffee, bitte!“.

Hat dieser Mann ein Glück! Während unsereins mit einem Anflug von Wehmut in die Kiste schaut, in die wir gerade unsere Karnevalskostüme zurückgelegt haben, bereitet er sich auf die nächsten Klamottenwechsel vor. Mindestens fünfmal am Abend darf er zwischen Jacko Pütz und Johnny Tourette hin- und herwechseln, bevor sich der Vorhang des Scala-Theaters wieder schließt. Und das ist noch nicht alles: Wenn wir im Sommer überlegen, ob wir die Klamottenkiste für „Jeck im Sunnesching“ wieder hervorholen sollen, sitzt er womöglich bereits im Winnetou-Kostüm auf dem Pferd und reitet los.

Die Traumrolle nahezu aller Jungs mit Indianer-Fantasien hat mein heutiger Gesprächspartner bereits im vergangenen Jahr bei den Festspielen im österreichischen Winzendorf gespielt und dabei – wie das aktuelle Foto mit der Kaffeetasse verdeutlicht – nicht mal eine Perücke gebraucht, allerdings Fön und Bürste, um die lockige Haarpracht zu glätten. Maximilian Wieler liebt das Spiel und wechselt mitunter seine Rolle schneller, als Sitzungspräsident Volker Weiniger das Kölschglas. Im Moment ist er total glücklich mit seiner Partie in der Schäl Sick Story, einer Persiflage auf das Musical West Side Story.

„In dieser Woche ging mein Herz auf!“

Ich begegne dem 32-Jährigen in Sülz. Eigentlich will er im Beethovenpark seiner neuen Leidenschaft, dem Boule-Spiel frönen, aber weil sich gerade ein fieser Schauer ankündigt, kann ich ihn von seinem Vorhaben abbringen und in das neue Sign-Café entführen. Als wir dort sitzen, fällt mir die angenehme Stimme auf, und ich erfahre, dass mein Gegenüber sie in mehrfacher Hinsicht beruflich einsetzt. Der gebürtige Kölner ist „Actor of Performing Arts“, er hat also nicht nur eine Ausbildung als Schauspieler, sondern singt, tanzt und spielt.

Während wir unseren – übrigens hervorragenden – Kaffee trinken, erzählt Wieler von seiner Liebe für spektakuläre Shows, große Musik und tolle Kostüme und davon, wie sich sein anfangs noch ein wenig vager Berufswunsch blitzschnell konkretisierte, als er an einem Workshop der Hamburger Stage School teilnahm und plötzlich genau wusste: Das ist es! „In dieser Woche ging mein Herz auf.“

Es wurde noch ein Gangster gesucht

Also ging Wieler erstmal für vier Jahre nach Hamburg und lernte alles, was man als Musical-, Show- und Bühnenkünstler braucht. Bei seiner Rückkehr nach Köln bekam er zunächst eine Rolle bei der Kammeroper. Dann berichtete ihm ein Kollege, dass für die Karl-May-Festspiele in Elspe „noch ein Gangster gesucht“ werde, der obendrein reiten könne.

Letzteres konnte Wieler schon lange, den Gangster schaffte er sich schnell drauf, und schon galoppierte er durchs sauerländische Elspe. Im vergangenen Sommer musste er die Gangster-Miene wieder ablegen. Da war dann eher der weise Gesichtsausdruck gefragt und großes Herz – in Kombination mit Reiterkunst. Wieler greift zu seinem Handy, zeigt mir ein Foto von sich als Winnetou und ich sage so laut „Wow“, dass sich gefühlt das ganze Café zu uns umdreht.

Viel zu jung für die Rolle

Nun interessiert mich natürlich brennend, wie er vom Festspielort Winzendorf bei Wien den Sprung zum Hohenzollernring genommen hat. Wieler erzählt von der Ausschreibung, die er letztes Jahr im Theaterportal entdeckte. Gesucht war ein Akteur mit Gesangstalent - allerdings im Alter von mindestens Mitte Vierzig. Der 32-Jährige schickte trotzdem eine Bewerbung los und wurde wenig später eingeladen, um sich zu präsentieren.

Schon die ganze Art und Atmosphäre bei diesem Vorsprechen sei so anders und so viel familiärer gewesen als alles, was er bisher kennengelernt hatte. Und am Ende war Wieler nicht nur neues Ensemblemitglied, die Rolle wurde auch ein wenig seinem jugendlichen Alter angeglichen. „Inwiefern?“, frage ich. Er dürfe halt mehr den jungen Hallodri geben“, erklärt Wieler und lacht.

Jeder Abend ist besonders

Dann folgt quasi eine Liebeserklärung auf das, was er nun allabendlich erleben darf. Das Scala-Theater sei eben „ein ganz besonderes Theater mit einem eigenen Humor – öfters unter der Gürtellinie, aber immer charmant.“ Die Tatsache, dass die Vorstellungen ständig ausverkauft seien, zeige die große Akzeptanz durch das Kölner Publikum. Und für ihn, der bisher noch nie Berührung mit dem Genre Film hatte, ist jeder Abend besonders. „Die Menschen im Raum spüren, die unmittelbaren Reaktionen wahrnehmen und gemeinsam mit den anderen auf der Bühne stets etwas Neues zu kreieren“, sei toll!

Der Regen hat aufgehört. Zeit, sich die Kugeln zu geben. Das Boule-Spiel ist für den Schauspieler wie ein Meditationskissen an der frischen Luft. Ihn freut, dass dieser Sport gerade eine enorme Verjüngung erlebt. Wieler spielt seit kurzem im Verein. Spätestens, wenn er Bundesliga-Niveau erreicht hat, müssen wir noch mal Kaffee trinken.