AboAbonnieren

Zwei Kaffee, bitte!Schminktipps aus Köln für reifere Frauen

Lesezeit 4 Minuten

Michaela Schönfelder-Conrads gibt auf zwei Youtube-Kanälen wöchentlich Schminktipps, vor allem für reifere Frauen.

Köln – „Das ist ja krass!“, sage ich und schaue meine Gesprächspartnerin wahrscheinlich ziemlich konsterniert an. Kein Zweifel, die Wimpern ihres linken Auges sind wesentlich länger als die des rechten. Keine Ahnung, wann mir das von selbst aufgefallen wäre, aber jetzt, da ich weiß, dass mein Gegenüber ein „Make-up-Coach“ ist und unter anderem Kosmetikprodukte an sich selbst testet, möchte ich natürlich Beispiele genannt bekommen.

Statt einer Antwort zeigt Michaela Conrads auf ihre Augen und schildert, wie sie monatelang konsequent zwei unterschiedliche Wimpernwachstums-Seren rechts und links aufgetragen hätte. „Wahnsinn!“, stelle ich fest. – „Ja, aber anders findet man nicht heraus, was wirklich wirkt!“

Reiferen Frauen Nachhilfe im Schminken geben

Als ich der Frau mit der auffälligen Haarfarbe am Rudolfplatz begegne, habe ich den Eindruck, sie irgendwo schon mal gesehen zu haben. Im Gespräch stellt sich heraus, dass sie sich vor Jahren in einem Laden Auf dem Berlich eingemietet hatte, um das zu starten, was sie nun im größeren Stil auf zwei eigenen You-Tube-Kanälen tut: Frauen, insbesondere reiferen Frauen, Nachhilfe in Sachen Schminken geben. Sie betrachte es als ihre Aufgabe, „Frauen zu zeigen, wie sie sich wohler mit sich selber fühlen“– frei nach dem Motto: „So wie ich bin, bin ich gut.“

Zu Anfang ihrer Berufslaufbahn habe sie Kollegen beigebracht, wie man Haare schneidet, erzählt die Fiseurmeisterin. Danach habe sie sich auf Make-up und Modefotografie spezialisiert. Als das dritte Kind unterwegs war, habe sie beim Fernsehen angefangen und für Thomas Koschwitz damalige RTL-Nachtshow so ziemlich alles geschminkt, was Rang und Namen beziehungsweise noch keinen hatte.

Sie hat bereits Claudia Schiffer und Heidi Klum geschminkt

Sie hatte die Damen aus „Denver“ und „Dallas“ in der Mache, habe „das allererste Make-up von Claudia Schiffer gemacht“ und Heidi Klum geschminkt, als die noch keiner kannte. Bis die Abteilung bei RTL aus Kostengründen aufgelöst wurde, sei sie eine der leitenden Maskenbildnerinnen gewesen, sagt die 52-Jährige, die dann etwas erkannte, was ihr zuvor noch nicht bewusst gewesen war: „Reifere Frauen werden von der Kosmetik-Industrie total im Stich gelassen“, sagt sie und meint Frauen ihres Alters und älter.

„In wie fern?“, frage ich, während sich vor meinem inneren Auge ganze Parfümerie-Regale voller Anti-Aging-Produkte auftürmen. „Weil uns diese Flut an Produkten total überfordert“, sagt mein Gegenüber. „Wir kennen das doch alle“, fährt Schönfelder-Conrads fort. „Mit zunehmendem Alter wird der Blick in den Spiegel immer schlimmer. Was die Frau jedoch mit wenigen Handgriffen tun kann, um schöner und dabei nicht angemalt auszusehen – und sich dabei auch psychisch besser zu fühlen – , verrät man ihr nicht.“ Hier erkannte sie eine Marktlücke .

„Silverwoman“ im Netz

„Und Sie haben was gemacht?“, frage ich. Sie habe nach drei Umzügen innerhalb von Pulheim dort nun endlich mehr als 250 Quadratmeter Platz für eine Make-up- Schule und einen Onlinehandel. Außerdem stelle sie unter dem Stichwort „Silverwoman“ und „makeupcoach“ jede Woche je einen Film ins Netz.

Mit welchen Inhalten? „Ich zeige, wie man Schlupf-Lider schminkt, wie ich meine Augenbrauen gestalte, wie ich Schatten abdecke und überhaupt wie ich mit Concealer (Gesichtsabdeckcreme, Anm. d. Red.) umgehe, ohne dass meine Haut hinterher aussieht wie eine Raufasertapete. Ich gebe Fallbeispiele und erkläre Schritt für Schritt wie man es macht. Inzwischen habe ich monatlich 150.000 Klicks, Tendenz steigend.“

Außerdem führe sie – siehe Wimpernserum – Selbstversuche durch. Sie kaufe die Dinge, um nicht von Firmen abhängig zu sein und berichte, wie sie wirken. Und weil sie sich selber so oft über Preise von Pinseln, Pudern oder Rouge geärgert habe, habe sie ihre eigene Produktlinie entwickelt.

Null Prozent der Frauen seien total zufrieden mit sich

„Wie hoch ist der Prozentsatz an Frauen, die total zufrieden mit sich sind?“ „Null“, sagt mein Gegenüber. „Der Druck von außen ist enorm. Ursache sind Medienfiguren wie Heidi Klum, die erzählen, dass ein Mädchen nur in Konfektionsgröße 30 was wert ist. Dieses ständige Vergleichen macht uns krank.

Das Wörtchen »zu« macht so viel kaputt und sollte in Bezug auf den eigenen Köper völlig ausgelöscht werden.“ Überall gehe es „um diesen optischen Konkurrenzkampf, der unbedingt gewonnen werden muss“, sagt Schönfelder-Conrads. „Gäbe es keine Männer, gäbe es nur glückliche dicke Frauen.“